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Und hier ist der Text zum Nachlesen:
Der November wird sehr oft mit Nebel, Kälte und Dunkelheit in Verbindung gebracht. Und auch mit Gedanken an unsere eigene Vergänglichkeit. In diesem Zusammenhang ist mir unlängst folgendes Gedicht in die Hände gefallen:
„Wie das Blatt vom Baum
löst sich der Mensch von seinem Leben,
von seinen Lieben,
von Haus und Hof,
von Hab und Gut.
Von seinem Glück und seiner Freude,
von seinem Leid und seinem Schmerz
und fällt in Gottes Hand.“
Ich hoffe zwar nicht, dass es auch bei mir bald so weit ist – aber was weiß man schon. Immerhin haben gestern die Gratulanten zu meinem Geburtstag bereits Udo’s großen Hit angestimmt, der lautet: „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an…“ Na, ja, es wäre schlimm, wenn es jetzt erst anfinge. Aber enden soll es auch noch lange nicht.
Das Leben wird ja gerne mit einer Kerze verglichen. Denn so wie eine Kerze langsam hinunterbrennt, und dadurch ihren Sinn ergibt, werden wir tagtäglich einen Tag älter, vielleicht klüger, vielleicht weiser, manche auch schöner, aber sicher um einen Tag älter. Das heißt, auch wir müssen früher oder später lernen loszulassen.
Heute steht in der Tradition der katholischen Kirche einer der bekanntesten und beliebtesten Heiligen im Kalender, obwohl er nie heiliggesprochen wurde: der Hl. Martin. Er wird auch in den orthodoxen, anglikanischen und evangelischen Kirchen verehrt. Was fasziniert die Menschen seit Jhdt. so an ihm? Vielleicht folgende Geschichte:
Mitten im bitterkalten Winter traf der 18 jährige Soldat Martin auf einen bettelarmen Mann am Stadttor von Amiens. Der Bettler war der Kälte schutzlos ausgeliefert, er hatte weder Schuhe noch warme Kleidung. Immer wieder bat er die vorbeigehenden Menschen um Hilfe, doch keiner hatte Mitleid mit dem armen Mann.
Da wusste Martin, dass er dem Bettler helfen musste. Außer seinem Soldatenmantel und seinem Schwert trug er jedoch nichts bei sich. Kurzerhand nahm er das Schwert und teilte seinen warmen Mantel mitten entzwei.
Die eine Hälfte gab er dem Bettler, der voller Dankbarkeit über den warmen Mantel war. Martin versuchte, sich in die verbliebene Mantelhälfte zu hüllen. Darüber spotteten die umstehenden Soldaten und verhöhnten Martin wegen seines erbarmungswürdigen Aussehens. Doch Martin kümmerten Spott und Hohn nicht – er wusste, dass er das Richtige getan hatte.
Wärme können auch wir teilen, dann wird es uns und anderen warm ums Herz.
Freude können wir teilen, dann freuen sich andere mit.
Brot können wir teilen, dann werden auch die anderen satt.
„Novembernebel griff mein Herz
als es am Abgrund stand
und zog es weiter bodenwärts
erdrückte es mit grauer Wand
Es schlug nicht mehr, es bebte
und wollte hin zum Licht
wie es im Sommer lebte
das fand's im Nebel nicht.“
Ja, viele fürchten den November. Die Nässe. Die Dunkelheit. Den Nebel, der die Sicht einschränkt und sich langsam in den Kopf schleicht. Viele fürchten die sogenannte Novemberdepression, die einem Herz und Hirn im wahrsten Sinne des Wortes vernebelt.
Ich aber muss sagen, mir gefällt diese Zeit – das Geheimnisvolle und Mystische – das Heimelige, fast wie ein Gefühl von Geborgenheit. So ging ich unlängst am späten Nachmittag im Wald spazieren – es war ein sehr sonniger Tag, doch auf einmal stieg der Nebel den Abhang herauf, umhüllte die Bäume – es erfüllte mich ein Moment großer Andacht, ein Moment so voller Glück, ein Moment des stillen Dankens… Welch‘ großer Zauber, dachte ich mir, wenn die Welt sich abends unter dichtem Nebel schlafen legt.
Und unweigerlich kamen mir Gedanken von Khalil Gibran in den Sinn:
"Im Herbst sammelte ich alle meine Sorgen und vergrub sie in meinem Garten.
Und als der April wiederkehrte und der Frühling kam, die Erde zu heiraten,
da wuchsen in meinem Garten schöne Blumen, nicht zu vergleichen mit allen anderen Blumen.“
Das sind ja wahrlich gute Aussichten.
Nun ist sie wieder da, die dunkle Zeit des Jahres. Wo jedes noch so kleine Lichtlein eine Wohltat ist – z.B. eine Kerze.
Eine Beobachtung, die Sie sicher auch schon gemacht haben: die Flamme einer Kerze brennt immer nach oben, egal wie Sie die Kerze halten. Links, rechts, in alle Richtungen oder auch nach unten. Auch wenn ich sie schräg halte, die Flamme brennt immer nach oben. Was geschieht dabei?
Der Wachskörper, von dem sich die Flamme ernährt, wird in der Schräghaltung jedoch viel schneller verbraucht. Ein Wissenschaftler würde das wahrscheinlich physikalisch erklären, ich aber möchte dieses Phänomen aus geistiger Sicht betrachten.
Ich sehe in der Kerze den Menschen, dessen Geist immer nach oben strebt, egal was er tut. Der Wachskörper ist unser physischer Körper.
Haben wir unsere körperlichen Sinne nach oben ausgerichtet, nach der Liebe, Güte und der Weisheit Gottes, so leben wir, wie die Kerze, ein gutes, sinnvolles Leben.
Lassen wir uns jedoch von Ängsten, Sorgen und widrigen Lebenseinstellungen biegen und nach unten drücken, so könnten wir unser Leben verkürzen und mit Krankheit belasten.
Also gehen wir aufrecht durch das Leben, dann können wir wahrscheinlich nicht nur Licht, sondern auch Freude und Zuversicht verbreiten und ein glückliches, aufrichtiges Leben führen.
Ihr Theologe Walter Drexler