Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Und hier ist der Text zum Nachlesen:
Seit dem 26. Juli laufen sie also: Die Olympischen Sommerspiele in Paris. Schon als Kind übten die Olympischen Spiele eine große Faszination auf mich aus. Es war spannend bei Sternstunden der Sportgeschichte dabei zu sein, die überwältigenden Emotionen der Teilnehmer:innen mitzuerleben und auch die eine oder andere Überraschung zu beobachten. Und besonders aufregend war es, den einen oder anderen Bewerb im eigenen Garten mit Freundinnen und Freunden selbst auszuprobieren oder eigene Sportarten, inspiriert durch das Gesehene, zu erfinden.
Heute einige Jahre später, taucht beim Blick auf die Olympischen Spiele auch der eine oder andere Kritikpunkt auf: Themen wie die Überkommerzialisierung des Sports, Doping, das oft ambivalente Verhältnis des Internationalen Olympischen Kommitees zu autoritären Regimen oder der fehlende Nachhaltigkeitsaspekt rund um die Spiele trüben zurecht den Blick auf die fünf olympischen Ringe. Vieles vom kindlichen Faszinosum der Olympischen Spiele ist jedoch auch geblieben. Nein, ich werde heuer nicht mehr so wie als Kind alle Olympiabewerbe nachspielen, dafür wäre auch der Balkon meiner Wohnung zu klein. Aber allen Begleitgeräuschen zum Trotz freue ich mich, auf die kommenden zwei Wochen, „Dabei sein ist ja schließlich alles“ – wie ein olympischer Leitspruch sagt.
Vielleicht haben ja manche von euch Teile der olympischen Eröffnungsfeier in Paris gesehen. Erstaunlich ist es für mich, wie viele Rituale und Symbole innerhalb dieser Eröffnung präsent sind: Da ist der Einzug der Athlet:innen, das Hissen der markanten Olympia-Fahne mit den fünf Ringen, das Sprechen des olympischen Eids sowie das Entzünden des olympischen Feuers. Manche dieser Rituale markieren auch die Verbindung zu den Olympischen Spielen der Antike, deren Ursprünge bis ins erste vorchristliche Jahrtausend gehen.
In einer Definition werden Rituale als wiederholbare, sturkturgebende Handlungen im Alltag, im Jahreskreis oder auch bei Lebensübergängen bezeichnet: Dabei sind manche Rituale sehr individuell. Für manche ist etwa ein Spaziergang auf der täglich gleichen Route ein Ritual. Viele haben Familienrituale rund um Weihnachten oder um das Osterfest. Welche Rituale spielen in meinem Leben eine wichtige Rolle? Neben der Eröffnungsfeier ist auch die Schlussfeier bei Olympischen Spielen ein Hort unterschiedlicher Rituale. Dazwischen stehen aber noch einige Wettbewerbstage, Tage, die auch mit Bildern unterschiedlicher Rituale und Symbole gefüllt werden – persönliche und gemeinschaftliche.
In den kommenden zwei Wochen nehmen insgesamt 10.500 Sportlerinnen und Sportler aus 204 Nationen an den Olympischen Spielen teil. Dabei geht es in insgesamt 329 Bewerben um Medaillen aus Gold, Silber und Bronze. Solche Medaillen gibt es seit den Olympischen Spielen 1904. Sie sind Symbol des Sieges, aber auch des schier unvorstellbaren Trainingsaufwandes für Sportlerinnen und Sportler.
Medaillen sind aber nicht nur Symbole in Sportbewerben, sie werden auch für Verdienste und außergewöhnliche Leistungen in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens vergeben. Wem würde ich für ihren bzw. Einsatz für eine Sache oder für eine Person eine Medaille vergeben? Wofür würde vielleicht auch mir selbst eine Medaille gebühren? Fragen, die man sich möglicherweise mitnehmen kann, wenn man die eine oder andere Sieger:innen-Ehrung im Zuge der Olympischen Spiele mitverfolgt.
„Du Göttergabe, Du Lebenselixier!“ „ Du bist die Gerechtigkeit!“ „ Du bist der Friede!“ So beschrieb der Initiator der Olympischen Spiele der Neuzeit, Pierre de Coubertin, den Sport. Ein Text, der ihm bei den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm die Goldmedaille einbrachte. Tatsächlich wurde die olympische Bewegung – auch aus ihren Wurzeln in der Antike – immer wieder als Friedensbewegung dargestellt, ein Anspruch, der im Laufe der Zeit immer wieder politisch konterkariert wurde.
Man denke etwa an die grauslichen Propagandaspiele 1936 in Berlin, die Phase des Kalten Krieges, der auch in den Olympiastadien dieser Welt Ausdruck fand oder die Geiselnahme bei den Olympischen Spielen in München, bei der 1972 neun Sportler:innen, fünf Geiselnehmer und ein Polizeibeamter den Tod fanden. Und dennoch gibt es da – olympisch gesprochen – auch die Kehrseite der Medaille: Sportler:innen und Zuschauer:innen unterschiedlicher Herkunft, die friedlich das Miteinander feiern. Rival:innen, die sich nach einem sportlichen Misserfolg trösten oder Gewinner, die solange im Zielareal stehen bleiben, bis auch der letztplatzierte Sportler im Ziel ist und sich seinen olympischen Traum erfüllt hat. Es wäre wohl übertrieben, den olympischen Sport als Frieden zu bezeichnen, wie Pierre de Coubertin das eingangs tat. Doch können Olympische Spiele mit ihrer Idee der Vielfalt und des Miteinanders im Kleinen aufzeigen, was im Großen der Gesellschaft möglich ist.
Anton Tauschmann, Theologe in der Katholischen Kirche Steiermark