Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Und hier ist der Text zum Nachlesen:
In vielen Pfarren finden zurzeit die Firmungen statt. Wer hautnah dabei sein kann, und in die Gesichter der jungen Leute schaut, erlebt, wie oft die Unscheinbaren stark und mutig werden, und die größten Aufsager leise und mit geschlossenen Augen ganz nachdenklich sind. So denke ich mir, dass der Heilige Geist doch spürbar und der Glaube sichtbar wird. Nur frage ich mich, wie lange hält das an? Und die Antwort bekomme ich oft in der Berufsschule, in der ich Religion unterrichte, serviert. Der Großteil meiner Schülerinnen und Schüler ist gefirmt. Je tiefer ich grabe, umso mehr kommt von diesem Geist zum Vorschein. Mir fallen dabei die medial so stark forcierten 3 G‘s ein: „geimpft - genesen - getestet.“ Aber können wir diese 3 G‘s nicht auch ein wenig christlich interpretieren:
G wie geliebt. Gemeint ist die Ursehnsucht eines jeden Menschen.
G wie gestärkt. So wie junge Menschen in der Firmung Stärkung empfangen.
G wie gesegnet. Das Vertrauen auf die segnende Kraft des Himmels.
Geliebt sein gegen den Virus der Einsamkeit.
Gestärkt sein gegen den Virus der Mutlosigkeit.
Gesegnet sein gegen den Virus der Hoffnungslosigkeit.
Ja, das wär’s…
Wir sind in der letzten Woche dieses Schuljahres angekommen. Für die meisten ist es wahrscheinlich eine riesige Freude, stehen doch die Ferien vor der Tür. Für einige ist aber auch ein Quäntchen Wehmut dabei – ich denke da an die Abschlussklassen – wo für die Schülerinnen und Schüler ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Ich habe z.B. in einer Schulklasse meine jungen Leute gefragt, was ihnen so zum Schulschluss in den Sinn kommt. Samuel Kalcher etwa fiel dazu folgendes ein:
„Der Abschluss ist nicht das Ende, das hatte mir meine Mutter immer gesagt. Er ist der Anfang von etwas Neuem. So wie der Abschluss der Pflichtschule nicht das Ende war. Dieser Abschluss hat uns die Türen zu etwas Neuem, der Lehre, geöffnet. Ebenso ist der Abschluss dieses Lehrgangs in der Berufsschule nicht das Ende. Manche kommen im Herbst wieder, manche haben nur noch die LAP vor sich. Und nichts davon wird das Ende sein, sondern immer wieder der Beginn von etwas Neuem.“
Danke, lieber Samuel, für deine fast schon philosophisch anmutenden Worte. Und du hast vollkommen Recht. Es gibt kein Ende, keinen Abschluss, ohne dass ihm nicht doch der Zauber des Anfangs inne wohne.
Ich möchte Ihnen heute von einigen, für mich ganz besonderen Religionsstunden, erzählen. Wer es noch nicht weiß, ich unterrichte an einer Berufsschule in Mitterdorf im schönen Mürztal. Mit Erlaubnis der Schulleitung darf ich mit den jeweiligen Klassen einzeln die Kirche besuchen, und wenn es die Zeit und Corona erlaubt auch ein gemeinsames Mittagsmahl einnehmen. Sie können es sich nicht vorstellen, wie meine Schülerinnen und Schüler sich andächtig und ruhig in der Kirche verhalten, ohne dass ich vorher nur ein einziges Wort der Belehrung sagen muss. Anscheinend haben sie instinktiv das Gefühl, dass es sich um ein besonderes Haus, um das Haus Gottes handelt. Da gibt es von mir eine kleine Kirchenführung, wir beten miteinander, die Jugendlichen lesen Texte vor und manchmal wird sogar gemeinsam gesungen. Da kam z. B. vor kurzem ein Schüler, namens Ludwig, zu mir und meinte, er habe ein Lied für diesen Anlass geschrieben. Und er wolle es vorsingen. Wie seine Mitschüler ließ auch ich mich überraschen. Es war eine Art Pop-Punk. - Ludwig, präsentiere hier einen kurzen Auszug daraus:
„Hey Leute
Hey 2x
Hört zu was jetzt kommt
Ihr seid die größten
Ihr seid die besten
Ihre seid 2x
Die besten
Yeah 2x
Ihr seid die größten
Ihr seid die besten
Yeah 2x
Ihr seid 2x
Die besten
und die größten
Yeah 2x“
Ich war echt überrascht, dass Ludwig, der es bestimmt nicht immer leicht gehabt hat, seine Mitschüler als die Größten und die Besten bezeichnet hat. Und mir kam in der Kirche der Gedanke, ist das nicht auch ein Ansinnen Gottes, uns als seine geliebten Kinder, als die Besten und Größten anzusehen.
Zurzeit hält mich die Fußball Europameisterschaft ganz in ihrem Bann. Und wahrscheinlich nicht nur mich. Wie oft verwenden wir im Sport Begriffe wie Drama, Tragödie, tragischer Held? Dabei ist in Wahrheit nichts passiert, außer dass jemand einen Elfmeter verschossen hat, oder mit einer roten Karte seine Mannschaft geschwächt hat, oder ein mehr als knappes Abseits gegeben oder nicht gegeben wurde.
Die Welt des Sports ist eine künstliche Welt, wie die Welt des Theaters. Aber manchmal lässt sich das echte Leben nicht verdrängen. Wenn ein Spieler auf dem Feld bewusstlos zusammenbricht und reanimiert werden muss, sind Tore, knappe Abseitsentscheidungen oder nicht gegebene Elfmeter völlig egal. Weil nur eines zählt: Dass Christian Eriksen, aus dem Team Dänemarks, lebt und bei Bewusstsein ist.
Sie erinnern sich? Ein Taumeln, der Fall, und im nächsten Augenblick zerfließt die Partystimmung in die allgemeine Beklemmung. Das richtige Leben – im konkreten Fall die nackte Angst vor dem Tod – mischt sich in die große Show. Hochbezahlte Fußballprofis haben Tränen in den Augen, haben ihre Hände zum Gebet gefaltet, bilden einen Kreis, um ihren Mannschaftskollegen vor den Blicken eines Millionenpublikums zu schützen. Die Freundin und Mutter seiner beiden Kinder aufgelöst am Spielfeldrand – getröstet von einigen Mitspielern. Die Fans beider Mannschaften skandieren abwechselnd seinen Namen. Alles Zeichen von gemeinsam erlebter Betroffenheit.
Inzwischen habe ich Eriksen wieder aus den Zeitungen herauslächeln gesehen. Und der Euro 2020 blieb der Tod live im Fernsehen erspart. Gott sei Dank. Der Sport hat sein menschliches Gesicht zurückbekommen. Wer weiß, wie lange?
Ihr Theologe Walter Drexler.