Was mir die Arbeit bedeutet

Auf mich warten kein Chef und keine Aufgabe

Ich meine einen Blick bekommen zu haben für Menschen, die schon längere Zeit ohne Arbeit sind. Ihren Schritten fehlt das Entschlossene, Feste und Zielgerichtete. Ihr Blick ist eher nach unten, zur Seite oder nach oben als nach vorne gerichtet. Und ohne Worte lassen sie die Mitwelt wissen: ‚Ich habe Zeit. Macht nur, hastet zu euren Arbeitsplätzen, ihr werdet gebraucht. Auf mich wartet kein Chef und keine Aufgabe, die es zu erledigen gilt.‘ Noch vor zwei Jahren war ich einer von ihnen. Ob man es mir damals auch angesehen hat, dass ich „im Moment“ nicht gebraucht werde?

Bezahlung, Arbeitsinhalt und Betriebsklima müssen passen

Heute stehe ich, wie man so sagt, wieder in Beschäftigung. Tag für Tag mache ich mich frühzeitig auf den Weg, um als Pendler vom Land nach Graz zu kommen. Ich bin zwar insgesamt zwölf Stunden von zu Hause weg, doch jeden Tag auf’s Neue gehe ich gerne zur Arbeit, und nach einem erfüllten Arbeitstag trete ich zufrieden den Heimweg an. Ich habe einen Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen, und die Zusammenarbeit mit allen ist sehr angenehm und kollegial, ja wertschätzend. Immer wieder gibt es auch heitere und fröhliche Momente; das hebt die Stimmung im Team und lässt die Arbeit leichter von der Hand gehen. Bezahlung, Arbeitsinhalt und Betriebsklima sind für mich die drei Basiskriterien, ob eine Arbeitsstelle für mich passt oder nicht; und fast immer in meinem Berufsleben hat es für mich gepasst.

Das Blatt hat sich zum Guten gewendet

Jetzt, als Angehöriger der Generation 50plus, gebe ich mich etwas bescheidener. Ich weiß noch gut, wie ich – nach längerer Arbeitsuche – die überraschend positive Zusage auf meine Bewerbung freudig, ja fast euphorisch, aufgenommen habe. Und mitten in die Euphorie ist ein Selbstzweifel aufgekommen. ‚Werde ich es packen? Wird man mir die erforderliche Zeit geben, mich gut einzuarbeiten? Oder habe ich gar den Geschmack an guter, ehrlicher Erwerbsarbeit verloren?‘ Schon Wochen vor meinem ersten Arbeitstag hat die gute Nachricht in meinem Freundes- und Bekanntenkreis die Runde gemacht. Ich konnte und wollte es nicht zurück halten. Und alle haben sich mit mir und für mich gefreut. Das Blatt hat sich sozusagen für mich zum Guten gewendet.

Bereit, die Zukunft neu in die Hand zu nehmen

Meine Gedanken kreisten nun um die neue Aufgabe, die auf mich wartete. Ich überlegte: ‚Wie arbeite ich mich schnell ein, was brauche ich dazu, welche Informationen kann ich im Vorfeld schon sammeln?‘; ich war wieder voll motiviert. Die Schicksalsergebenheit, die mich früher manchmal befallen hatte, war wie weggeblasen. Um im Bild zu bleiben: starker Ostwind hat die grauen Wolken im Nu vertrieben und ich war bereit, meine Zukunft neu in die Hand zu nehmen.

Eine Arbeit finden, das kann einen wieder aufrichten

Ich begann mit dem Aufbau regionaler Beratungsbüros für arbeitsuchende Menschen. Zu mir kamen vor allem jene, denen die Arbeitsuche als beinahe unlösbares Problem im Wege stand, so dass sie nicht mehr im Blick hatten, mit welchen realistischen Maßnahmen sie Schritt für Schritt ihre Chancen am Arbeitsmarkt verbessern konnten. Als vor kurzem noch selber Betroffener, konnte ich gut nachempfinden, wie lähmend eine längere Zeit der Arbeitslosigkeit mit wiederholten Rückschlägen und Absagen sich auf das Selbstwertgefühl und das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit auswirken kann. Und was es für einen bedeutet, mit verständiger Beratung und zielgerichteter Unterstützung nun doch eine Arbeitsstelle gefunden zu haben. Allein jemanden vor sich zu haben, der sich die Zeit nimmt, einfach einmal nur zuzuhören und Verständnis zu zeigen, ließ bei meinen Klienten ein Gefühl der Erleichterung aufkommen. Es wurde mir nie so deutlich, wie in dieser Zeit, was Arbeit zu finden und zu haben einem Menschen bedeuten kann und wie sie einen buchstäblich wieder aufrichtet. Und manchmal blicke ich nach oben und sage einfach „Danke“.

Georg Schatz