Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Es begann vor einem Jahr. Ich habe meinen sicheren Job gekündigt. Gründe für diese Entscheidung gab es einige, neben wachsender Unzufriedenheit in der Arbeit hat sicher auch die Corona-Pandemie dazu beigetragen, dass ich begonnen habe, einige Dinge zu hinterfragen. Außerdem war ich 45 Jahre alt, höchst an der Zeit also, in die Midlife-Crisis zu schlittern. Ich würde mir wünschen, es gäbe ein positiveres Wort für diese Lebensphase, aber wenn man rund das halbe Arbeitsleben hinter sich gebracht hat und ein selbst-reflektierender Mensch ist, beginnt man meiner Meinung nach in diesem Alter unweigerlich damit, über das Leben nachzudenken. Ich würde diesen Prozess aber nicht als Krise bezeichnen wollen. Ich war ja auch nicht unglücklich.
Im September 2020 habe ich bei einem Vortrag zur Klimakrise die Aussage gehört, dass man lernen müsse, zwischen Lebensqualität und Lebensstandard zu unterscheiden. Das hat es für mich auf den Punkt gebracht. Was brauche ich wirklich, um glücklich zu sein? Ein hohes Einkommen? Eine große Wohnung? Ein teures Auto? Es fiel mir nicht schwer, diese Fragen für mich zu beantworten.
Ich beschloss, mir eine Auszeit zu nehmen. Da traf es sich gut, dass der Mietvertrag auslief und meine Nichte in ihre erste Wohnung zog und deshalb viele meiner Sachen brauchen konnte. Die wenigen Dinge, die übrig blieben, passten in eine Handvoll Schachteln, die ich bei meinen Eltern untergestellt habe. Meine monatlichen Fixkosten haben sich auf 17 Euro für das Handy reduziert. Das bedeutete für mich maximale Freiheit, zu tun und zu lassen, was ich wollte.
Womit wollte ich meine Auszeit verbringen? Mit Nichtstun? Da wäre es mir wohl schnell langweilig geworden. Also beschloss ich, einen Sommer lang auf einer Almhütte zu verbringen. Ein Freund erzählte mir von der Eisenerzer Reichensteinhütte. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Pächter war es ausgemacht, dass ich von Mai bis Oktober als Hüttenhelfer am Eisenerzer Reichenstein arbeiten würde.
Am 8. Mai ging es schließlich los. Im Schnee stiegen wir zur Hütte auf. Das Wasser, in das ich sprang, war sehr kalt. Ich würde die nächsten sechs Monate auf einer Hütte verbringen, die ich noch nie betreten hatte, mit Leuten unter einem Dach wohnen, die mir völlig fremd waren und in einem Job arbeiten, von dem ich keine Ahnung hatte.
Für mich war es ein Glück, dass die Hütte wegen Corona erst am 19. Mai aussperren durfte. Dadurch hatte ich genügend Zeit, das neue Leben kennenzulernen. Und da der Winter den Reichenstein bis Anfang Juni fest im Griff hatte, musste ich auch in die Arbeit nicht von 0 auf 100 einsteigen.
Arbeit gibt es hier sehr viel, Essen servieren, Zimmer und Toiletten putzen, Getränke zubereiten, Diesel pumpen, Holz hacken usw. Zu Beginn habe ich außerdem jeden Tag stundenlang Schnee geschaufelt, damit wir genug Trinkwasser hatten. Mit der sozialromantischen Vorstellung vom Leben in den Bergen hat die Realität wenig zu tun. Dennoch bleibt genug Zeit für Müßiggang und kitschige Sonnenuntergänge.
Man ist hier auf der Hütte nicht nur geografisch von der „normalen“ Welt weit entfernt, sondern auch gedanklich. Das macht sehr frei. Viele Fragen stellen sich einfach nicht, da es schlicht und ergreifend nicht möglich ist, ins Kino zu gehen oder Freunde zu treffen.
Allerdings haben über 100 Freundinnen und Freunde sowie Familienmitglieder bereits den steilen Anstieg auf sich genommen, um mich zu besuchen. Es tut mehr als gut zu sehen, dass man so vielen lieben Menschen etwas bedeutet. Nicht nur einmal musste ich mir die Freudentränen aus den Augen wischen.
Langsam aber sicher läuft meine Zeit hier ab, spätestens Ende Oktober wird mich die Zivilisation wiederhaben. Werde ich es bereut haben, diese Auszeit genommen zu haben? Definitiv nicht! Allein die vielen schönen und tiefsinnigen Gespräche, die ich geführt sowie die vielen lieben Leute, die ich getroffen habe und zu denen zum Teil auch nach dem Abstieg eine Freundschaft bestehen bleiben wird, waren es mehr als wert! Aber ich freue mich auch wieder auf abwechslungsreicheres Essen, ausgiebigere Duschen und auf viele andere „Kleinigkeiten". Und zum Friseur muss ich auch schon dringend.
Wie wird mein Leben nach der Bergzeit aussehen? Definitiv anders als mein vorheriges. Ich möchte gemeinsam mit meinem Ziehsohn Arian ein Kaffeehaus in Wien eröffnen und vor allem werde ich mein Leben so ausrichten, dass ich möglichst viele Dinge tun kann, die mir Spaß bereiten. Das Leben ist einfach zu schön, als dass man es mit Sachen, die man tun muss, vergeuden sollte.
Diese Kolumne steht Ihnen offen, um Themen des täglichen Lebens aus Ihrer ganz persönlichen Sicht als ChristIn in einem kurzen Text zu kommentieren.
Wir freuen uns über Ihren Beitrag an webred@graz-seckau.at!
Markus Leben auf der Almhütte kann man auch auf Instagram unter @vonnunangehtsbergauf mitverfolgen.