Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Sind die moralischen Wetterdeuter der Vergangenheit Vorläufer der Klimaaktivisten? Mit dieser „provokanten, aber produktiven Frage“, so KULTUM-Diskurskurator Florian Traussnig, eröffnete der Umwelthistoriker und Byzanzforscher Johannes Preiser-Kapeller seine Neu-Lesung über mittelalterliche „Extremereignisse“ und Naturkatastrophen in der Steiermark und andernorts. Vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung und eines wahrlich „heißen“ Sommers voller Wetterextreme handelt es sich dabei um alles andere als ein schöngeistiges Blättern in alten Chroniken, sondern um brennende Themen.
Doch ist es legitim, die mittelalterliche Deutung von Naturkatastrophen als Strafgericht oder „Gottesplagen“ mit Greta Thunbergs Empörung über den halbherzigen Kampf gegen die heutigen Klimabedrohungen und Wetterextreme zu vergleichen? Differenziert, leidenschaftlich sowie bild- und kenntnisreich arbeitete Preiser-Kapeller in seinem fulminanten Vortrag heraus, wie etwa ein anonymer Chronist aus Leoben im 14. Jahrhundert, einer Zeit des nicht menschengemachten Klimawandels und häufiger Naturkatastrophen, „nie dagewesene Überschwemmungen“, „ungewöhnliche Lichtblitze und schreckliche Donner“ als Spiegel für die menschengemachten „Wirrnisse“ auf Erden interpretierte. Ein Zeitdeuter aus Neuberg an der Mürz, so Preiser-Kapeller, bemerkte wiederum, dass nach einer „großen Heuschreckenplage keine Wohltätigkeit“ unter den Menschen herrschte.
„Gottesplagen“ wie sie beim Grazer Dom zu sehen sind, deuteten die Zeitgenossen oft als Folge derartigen Fehlverhaltens. Neben der Sündenbocksuche – hier traf es speziell die jüdische Bevölkerungsgruppe – habe man im Mittelalter daher mit „moralischer Meteorologie“ und religiösen Bußritualen versucht, den Wettergott zu besänftigen und „symbolische Heilung“ (Hartmut Böhme) zu ermöglichen: „Voller Angst machte das Volk Litaneien und Bittprozessionen und streckte die Hände zum Himmel“ (Johannes von Viktring, 1338).
Man mag über derartig unwissenschaftliche, heute nur mehr von fundamentalistischen Kreisen hochgehaltene, „Gottesplagen“-Interpretationen den Kopf schütteln. Doch die Moral ist keineswegs aus dem Katastrophen- und Klimadiskurs verschwunden: Deuteten die Menschen des Mittelalters, so der Historiker, „Witterungsextreme als Anzeichen von Missständen im Reich oder [...] des Schwindens des himmlischen Mandats für den Kaiser“ so weisen heutige Naturwissenschaftlerinnen und forsche Klimaaktivisten auch auf einen direkten Zusammenhang von politisch-menschlichem Fehlverhalten und planetarer Katastrophe hin. Dabei geht es ebenfalls stark um Schuld, Sühne und Gerechtigkeit, so Preiser-Kapeller. Die Klimaaktivisten von „Extinction Rebellion“ würden etwa „liturgieähnliche Performances“ machen und eigene Dreh- und „Liturgiehandbücher“ verwenden, die sehr stark die „Schuld“ anzeigen.
„Die Debatten über die Deutung von dem was am Himmel geschieht, sind bis heute keine rein naturwissenschaftlichen Debatten, sondern sie haben diesen moralisierenden Rahmen.“ Es gehe letztlich darum, wie wir grundsätzlich leben wollen. Mit Blick auf den nachweisbar menschengemachten und bedrohlichen Klimawandel der letzten 150 Jahre sowie die gar nicht so radikalen Hauptforderungen der „Letzten Generation“ (Empfehlungen des Klimarats umsetzen; keine neuen Öl- und Gasprojekte in Österreich; Tempo 100 auf Autobahnen) ergänzt Johannes Preiser-Kapeller: „Wissenschaftlich sind die Forderungen der Klimaaktivisten berechtigt.“
Florian Traussnig
Auf kultum.at wird in Kürze auch ein Videobeitrag zum Vortag zu sehen sein.