Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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„Die Herausforderungen sind groß in dieser Zeit – Gesundheit, Wirtschaft, Arbeitsplätze, Annehmlichkeiten des Lebens und Alltags sind in Frage gestellt“, eröffnet Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl am 2. Oktober 2020 den „Steiermark-Dialog“ auf Schloss Seggau. Trotz allem gelte es zuerst, nicht die Hoffnung zu verlieren, obwohl sich die Frage des „Warum?“ aufgrund der Pandemie geradezu aufdränge. Bischof Wilhelm betonte die Sorge eines Auseinanderbrechens der Gesellschaft – dem steigenden Individualismus geschuldet – obwohl gerade jetzt Gemeinschaft so wichtig sei. „Unsere Aufgabe als Kirche ist, Vertrauen in das Dunkle hineinzusagen und darauf zu schauen, dass niemand zurück bleibt“, so der Bischof.
Den Geist des Vertrauens und Zuversicht beschwor auch Prof. Leopold Neuhold, Ethiker an der Universität Graz. Man müsse zuerst einmal den „kleinen Hunger“ im Auge haben – das Überleben der Menschen – und gleichzeitig für den großen Hunger nach dem guten Leben Perspektiven aufmachen; etwa durch wirtschaftliche Gerechtigkeit – zukunftsgerecht, umweltgerecht, menschengerecht. Vor allem dürfe man nicht alles auf Erwerbsarbeit reduzieren, denn Arbeit sei mehr als Produktion, sondern auch soziales Element. „Es ist schlimm, wenn der Mensch nur über Arbeit wahrgenommen wird“, so der Ethiker, und verweist angesichts der Probleme auf dem Arbeitsmarkt auf ein Grundeinkommen mit Arbeit als Kombinationsprodukt. Das Ziel müsse ein gelungenes Leben für alle sein.
„Was machen wir, damit aus der Krise keine Not wird?“, stellte Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer in den Raum. Es gelte zu verhindern, dass es zu einer Massenarbeitslosigkeit komme. „Die eigentliche Herausforderung für die Politik wird erst kommen, wenn das Virus eingedämmt ist, weil die Unzufriedenheit der Menschen steigen wird“, vermutet der Landeshauptmann. Die Politik habe entschieden, mehr Schulden zu machen, um die Schwächeren durchzutragen. Schützenhöfer: „Kurzarbeit ist verschleppte Arbeitslosigkeit und die Frage ist, wie lange wir uns das leisten können.“
Der Landeshauptmann ortet auch ein Gesinnungsproblem. Europa sei ein saturierter Kontinent mit einem hohen Wachstum geworden. In Gesellschaft habe sich Beliebigkeit eingeschlichen und die eignen Bedürfnisse seien das Maß alles Dinge. „Der Werteverlust der Gesellschaft macht uns Sorgen. Corona können wir in den Griff bekommen, aber das?“, fragt der Landeshauptmann.
Hellmut Samonigg, Rektor der Medizinischen Universität Graz, ortet viel Wissen und Nichtwissen rund um das Corona-Virus. „Wann es einen Impfstoff geben wird, ist noch nicht klar“, so der Mediziner, „wir müssen Geduld haben“. Neben dem virologischen Problem ortet er ein weiteres: Es gebe einen massiven Zuwachs an Angststörungen. „Instabile Menschen sind hoch verunsichert und psychische Schwierigkeiten betreffen eine viel größere Zahl von Menschen, als wir derzeit sehen. Wenn dann noch Arbeitslosigkeit dazukommt, kann das zu großen sozialen Problemen führen“, so Samonigg.
Karl-Heinz Snobe, Geschäftsführer des AMS Steiermark und Josef Herk, Präsident der Wirtschaftkammer Steiermark, berichten von viel Ungewissheit. „Wir wissen nicht, wie die nun beginnende Kurzarbeitsphase 3 aufgenommen wird, wie sich Reisewarnungen auf den Tourismus auswirken, wie die Arbeitslosigkeit 2021 sein wird“, sagt Snobe. Man müsse mit einer erhöhten Arbeitslosigkeit bis 2024 rechnen. Herk ergänzt, dass die Wirtschaft das Jahr 2021 schon jetzt abgeschrieben habe. Allerdings sei das Miteinander zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern bisher mustergültig.
Arbeiterkammer-Präsident Josef Pesserl verweist auf dramatische Situationen: „Wir müssen die Existenzsorgen der Menschen sehen und deren Gesundheit. Und wir müssen miteinander agieren.“ Er betont die tolle Zusammenarbeit zwischen Politik und Sozialpartnerschaft und meint wie der Landeshauptmann, dass man die Krise nur meistern könne, „wenn wir in Arbeit und Beschäftigung investieren sowie in Forschung, um Arbeit für die Zukunft zu sichern“. Denn wir werden diese Krise noch lange nicht überstanden haben und werden lernen müssen, mit dem Virus zu leben. „Wir müssen überlegen, wie wir in Zukunft Arbeit vernünftig verteilen, damit Arbeit Sinn für das Leben bringt und die Existenz sichern kann“, so Pesserl.
Der Präsident der Industriellenvereinigung Stefan Stolitzka betont die Wichtigkeit dieser Form des Dialogs und Meinungsaustausches und ebenso die unsichere Situation: „Das vermeintlich Beständige ist in Frage gestellt und die Planbarkeit ist nicht mehr da. Die Unsicherheit in der Planbarkeit bringt die größte Herausforderung für die Zukunft.“ Zum Glück sei die Industrie und Wirtschaft in der Steiermark sehr gut aufgestellt. Corona habe Prozesse beschleunigt: Die Geschäftsmodelle für 2030 sind heute schon gefragt, was sich als nicht tragfähig erwiesen habe, müsse nun beendet werden. Er sieht die Bereitschaft hoher Investitionen – vom Staat durch Prämien angeschoben. Jedenfalls gelte es, Optimismus zu geben und den Menschen Halt zu vermitteln.
Horst Schachner, Landesvorsitzender des ÖGB, macht sich Sorgen um den sozialen Frieden: „Wenn nach dem Winter 700.000 Menschen arbeitslos werden, dann haben wir eine Situation, die es in der 2. Republik nie gab.“ Wenn weniger Arbeit da sei, müsse man überlegen, wie diese zu verteilen ist. Auch er spricht ein Grundeinkommen an, das durch Arbeit aufgebessert wird. Das müsse diskutiert werden.
Franz Titschenbacher, Präsident der Landwirtschaftskammer, ortet, dass die Globalisierung an ihre Grenzen gestoßen sei. Corona habe mit sich gebracht, dass die regionale Versorgung und Ernährungssouveränität wieder einen Wert gewonnen hat. Land- und Forstwirtschaft seien als systemrelevant erkannt worden.
Caritas-Direktor Herbert Beiglböck spricht ebenso von Extremsituationen und Existenzproblemen. Er ortet mehrere Herausforderungen: Den Verlust an sozialen Kontakten und Einsamkeit statt Gemeinschaft, dass nicht alle Menschen auf erstem Arbeitsmarkt unterzubringen sind wegen deren Belastungen und Einschränkungen, dass es eine Gruppe von Menschen gebt, deren Leben „am letzten Zacken“ laufe und die nun aus der Bahn geworfen sind, dass in der Pflege viel zurückgefahren worden sei – auch in der Phase des Sterbens –, dass Bildungskarrieren nach wie vor von den Familiensituation abhängen, dass UnternehmensgründerInnen und Selbstständige, die sich das nie vorstellen konnten, nun zur Caritas kommen. „Wir sehen eine neue Gruppe von Menschen, die mit Not konfrontiert ist“, so Beiglböck, „wir müssen uns verabschieden von der Vorstellung, dass es ein voll versichertes Leben gibt, wo klar ist, dass wir alles in der Hand haben. Das Leben ist verwundbar und verletzlich. Wir müssen trotzdem Lebenssicherheit bieten und Unterstützung, damit diese schwierigen Situationen zu bewältigen sind“.
Bischof Wilhelm verweist am Schluss auf die Wichtigkeit des Teilens: „Solange wir teilen, kann mehr entstehen. Ich sehe hier, dass die Bereitschaft da ist, zu teilen und mehr entstehen zu lassen. Wir müssen miteinander durch dieses Auge des Orkans.“ Das Miteinander-Wollen war beim Steiermark Dialog erkennbar.
Der Steiermark-Dialog wurde vom Fonds für Arbeit und Bildung der Katholischen Kirche Steiermark organisiert. Die Schwerpunkte der Vortragenden sind in diesem Positionspapier zu finden.
Auf Einladung von Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl diskutieren:
Moderation:
Peter Hochegger, Fonds für Arbeit und Bildung