Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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„Am meisten erstaunt und überrascht hat mich, wie viele unrealistische Ängste und Sorgen ich am Anfang gespürt habe, wie sehr mir ,die unsichtbare Bedrohung‘ zu schaffen machte, die sich über die ganze Welt ausbreitete“, erzählt Rosa Hojas, Krankenhaus- und Pflegeheimseelsorgerin der Katholischen Kirche Steiermark. In Spannung dazu stünde der innere Anspruch: Ich bin ja Christin, ich muss ja hoffnungsvoll sein. Dabei am meisten geholfen hat ihr ein Akzeptieren, dass das jetzt so ist und liebevolle, „ganz normale“ Begegnungen (Grüßen beim Einkaufen, zuwinken, ein freundliches Lächeln …) oder der Satz der Leiterin eines Lebensmittelgeschäftes ihre Unsicherheit mit dem Mund-Nasen-Schutz ansprechend: „Hallo Rosa, heute haben wir Maskenball!“
Eine große Hilfe waren ihr die Struktur gebenden, regelmäßigen Essens- und damit Gemeinschaftszeiten mit den „WG-KollegInnen“. „Hier bin ich dem Geheimnis der Eucharistie auf eine tiefe Art nahe gekommen“, meint die Seelsorgerin. Ihre morgendliche Meditationszeit, das betende Lesen der Tageslesungen, die Mitfeier der Heiligen Messen mit Papst/Bischöfen/Pfarrer auf den sozialen Medien haben ihr geholfen, einen Ort der tiefen Ruhe zu finden und daraus zu leben.
Die Gespräche in dieser Zeit habe sie intensiver, offener und ehrlicher erlebt, wohl auch, weil wir Menschen – die anderen und sie - einfach insgesamt weniger Kontakte hatten und „ausgehungert“ nach dem Austausch mit anderen Menschen waren. Besonders Freude hat ihr eine Kartengrußaktion in ihrer Pfarre gemacht, wo man zu fünft ca. 120 Menschen per Karte kontaktiert, Hilfe angeboten und Grüße geschickt habe. Die positive Resonanz darauf hat ihr sehr gut getan.
Was können wir aus der Krise lernen? „Ich möchte nicht vergessen, aus der Ruhe des Gebets heraus zu leben - in aller Offenheit für das, was mir begegnet. Ich möchte achtsamer bei der Auswahl der Termine sein, die ich annehme, weil ich auch gemerkt habe, wie sehr mir Ruhe und Stille daheim gut tun. Und ich möchte weiterhin die Menschen in meiner Nachbarschaft besser wahrnehmen und manchmal nachfragen, wie es ihnen geht, ob sie etwas brauchen“, sagt die Seelsorgerin, „vielleicht gelten diese Botschaften auch für andere Menschen?“
Die wichtigste Grundbotschaft, die sie in Zukunft in Begegnungen vermitteln möchte, sei, Menschen mit ihren Ängsten und Sorgen ernst zu nehmen, diese weder zu bagatellisieren noch zu dramatisieren, sondern sie zu würdigen, sie anzunehmen und zu wissen, dass sie sich wandeln werden.
Die Gespräche in ihren seelsorglichen Begegnungen waren allesamt länger, persönlicher, intensiver. Es ging gar nicht so um die Ängste in der Corona-Krise, sondern alle lebensrelevanten Themen kamen zur Sprache. Eine große Herausforderung war für mich der Umgang mit Verschwörungstheorien. „Als Seelsorgerin empfinde ich mich da in der Spannung, einerseits Menschen mit ihren Ängsten und Sorgen ernst nehmen zu wollen und auf der anderen Seite auch zu vermitteln, dass ich anders denke“, erklärt sie. Schmerzhaft sei die Situation in den Pflegewohnhäusern gewesen – für die BewohnerInnen, die Angehörigen und das Personal. Die Hilflosigkeit, wenn man „außen vor steht“, tue ihr weh und beschäftige sie mit der Frage: Wie könnte man da unterstützen?
Ihre Arbeit als Seelsorgerin habe sich weiterentwickelt. Das Leid würdigen und nicht weg reden, um die Verletzbarkeit der Menschen aus eigener Erfahrung wissen, eine inneren Tiefe spüren und aus dieser Haltung Zeit und Raum für das „Reden über das Leben“ geben – die Krisenzeit habe neue Sichtweisen und Zugänge eröffnet. „Für meine eigene Psychohygiene ist mir wichtig geworden, täglich an die frische Luft zu gehen und einen ordentlichen Spaziergang zu machen, ausreichend zu schlafen, gut zu kochen und essen und mit Menschen Kontakt zu haben, die mich annehmen, so wie ich bin“, sagt Rosa Hojas.
Was beschäftigte die Menschen, die sie begleitet, am meisten? Jene im Krankenhaus macht ihre Krankheit die größten Sorgen. Das sei nicht viel anders geworden, denn dabei sind immer schon alle existentiellen Lebensthemen zu Tage getreten. Zu schaffen machte vielen, dass sie keinen Besuch bekommen durften, dass sie Masken tragen müssen… In den Pflegewohnhäusern hätten die LeiterInnen erzählt, wie schwierig es sei, alle Verordnungen einhalten zu müssen und dem Druck der Angehörigen verstehend zu begegnen. Dazu komme noch die Angst vor einer Infektion; und vor Klagen von Angehörigen. Austräger von „Essen auf Räder“ erzählen ihr von weinenden Menschen, die allein leben – für die sei der Erhalt des Essens oft der einzige Kontakt. Eine Schuldirektorin berichtet von der fordernden Zeit: Zuerst home-schooling einführen und jetzt neben home-schooling den Schulbetrieb wieder hochfahren zu müssen.
Es gebe auch Menschen, die erzählen, für sie sei nichts anders geworden, sie seien ja schon lange allein. Und dann gebe es auch noch viele, die meinen, sie hätte noch nie eine so schöne, ruhige Zeit, sie hätten sich gut erholt. Die Spannung zwischen geforderten und gut erholten Menschen sei gewaltig.
Welche Auswirkungen die derzeitige Situation auf Kirche hat und wie wir Kirche leben? „Das frage ich mich jeden Tag und habe mehr Fragen als Antworten“, so die Seelsorgerin. Es sei, als ob am 13. März 2020 der Kirchenentwicklungsprozess intensiviert worden wäre. Vielleicht helfe die Empfehlung von Rainer Maria Rilke, jetzt mehr die Fragen zu leben. Eine Idee sei vielleicht, das zu leben, was Menschen in dieser Zeit gebraucht haben: Einen zuhörenden, wahr-nehmenden, sie ernst nehmenden Menschen, Zeit und Ruhe, die Bedeutung des „Wir“, des Lebens und Feierns in Gemeinschaft. Sehr hoffe sie, dass das „Leben der Fragen“ uns den Weg weisen wird für die Weiterentwicklung unserer katholischen Kirche.
Rosa Hojas...
... ist Krankenhausseelsorgerin, Regionalreferentin für Pflegeheimseelsorge und Regionalkoordinatorin.
...begleitet Menschen seelsorglich.
... kümmert sich als Regionalreferentin für Pflegeheimseelsorge um die Unterstützung und Förderung von Seelsorge in den Pflegewohnhäusern.
... arbeitet als Regionalkoordinatorin in der Kirchenentwicklung und unterstützt die AkteurInnen vor Ort.