Im Jahr 2023 jährt sich der hundertste Todestag des evangelischen Theologen und Philosophen Ernst Troeltsch, der in Berlin gelehrt hatte. Der Münchener Kirchenhistoriker Friedrich Wilhelm Graf geht in einer umfassenden Biographie den geistigen Entwicklungen des Theologen nach. Denn dieser öffnete die Theologie für Fragen der Kulturwissenschaften und der kritischen Philosophie. Christlicher Glaube konzentriert sich auf ein tiefes Gottvertrauen und auf ein intensives Ringen um soziale Gerechtigkeit. Daher stand der Theologe der Sozialdemokratischen Partei sehr nahe. Er betonte, die Kirchen müssen sich öffnen für die neue Demokratie und für persönliche Verantwortung der Glaubenden. Die Frauen müssen im Staat die gleichen Rechte wie die Männer bekommen. Doch zum Beginn des großen Krieges 1914 rief auch dieser liberale Theologe zum harten Kampf der Deutschen gegen die moralische “Dekadenz” der Engländer und der Franzosen auf. Nach dem verlorenen Krieg 1918 engagierte sich der Theologe für die Versöhnung der verfeindeten Völker. Er ging für eine demokratische Partei in das neue Parlament, doch große Erfolge blieben ihm versagt. Für ihn war klar, dass nur ein liberales Christentum eine starke Säule im neuen Staat sein könne. Das Buch bietet eine umfassende Kulturgeschichte der späten Kaiserzeit und der frühen Weimarer Republik. Doch es zeigt auch, warum das liberale Denken zu schwach war, um die Vordenker des totalitären Staates aufzuhalten. Das Buch hat heute eine starke Aktualität, weil wiederum in ganz Europa das autoritäre Denken starken Zuspruch erfährt.

ZIELGRUPPE: Seelsorger, Theologen, Religionslehrer, Erzieher, Lehrer, Journalisten Politiker, Sozialarbeiter, engagierte Laienchristen. 

Prof. Anton Grabner-Haider