Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
Wir feiern die "Jahre der Bibel"! Mehr Lesen
Es gibt viele Möglichkeiten, sich in der Kirche zu engagieren! Mehr Infos
Schulen, Kindergärten, Bildungshäuser und vieles mehr: Kirche ist ein wesentlicher Bildungsanbieter. mehr Infos
Von Anfang an wurde der Autor dieser Zeilen beim Lesen der Untersuchungen Sellmanns an einen bewegenden Satz des verstorbenen Bischofs von Aachen Klaus Hemmerle erinnert. In einem Aufsatz "Was fängt die Jugend mit der Kirche an? Was fängt die Kirche mit der Jugend an?" schreibt er Anfang der 80iger-Jahre des vergangenen Jahrhunderts unter anderem: "Lass mich dich lernen, dein Denken und Sprechen, dein Fragen und Dasein, damit ich daran die Botschaft neu lernen kann, die ich dir zu überliefern habe". Damit machte er deutlich, dass alle Menschen und all ihre Lebenssituationen den Verkündigern der Kirche von Bedeutung zu sein haben, weil sie darin das ihnen Anvertraute "neu" buchstabieren lernen.
Wer schon mal die "Kartoffelgrafik" der Sinus-Milieu-Studien gelesen hat, hat auch erfahren, dass kirchliche Botschaft nur in einigen der dort ausgewiesenen Milieus Heimat findet. Der erste Eindruck, den diese Studien zunächst auf den Autor dieser Zeilen machten, ist leicht umschrieben: "Es braucht also viel Arbeit, um - wenn wir es überhaupt noch wollen - an die anderen heranzukommen ..." Matthias Sellmann, Juniorprofessor für Pastoraltheologie an der Universität Bochum, selbst an der Wiege der "kirchlichen Milieustudien" in Deutschland, schlägt aber - ausgehend von "Gaudium et spes" 44 den umgekehrten Weg ein: Menschen lernen uns in und durch ihr Leben einen vielleicht neuen Blick auf das uns anvertraute Glaubensgut. Werden in einem ersten Teil dieser Monographie "Grundlinien einer theologisch inspirierten Ethnologie" geboten - spannend, so widmet sich der 2. Teil den Entdeckungen, dass die Lebenslogik sozialer Milieus Lesehilfen für den Glauben sind. Sellmann führt dies anhand verschiedener Milieus und den dazu passenden Studien mit immer gleichen Schritten durch - interessant auch für einen, der die Soziologie und ihre Daten bislang nicht recht beachtet hat, wenn auch nicht so spannend.
Klar ist Sellmann: wenn Jesus als Gottes Sohn ganz Mensch war, Sohn eines Zimmermanns und einer Hausfrau, dann ist Gott selbst den Weg der Entäußerung gegangen und hat sich in dieser Welt offenbar gemacht, wie sie sich eben darbietet. Oder anders: wer sind wir, es nicht Gott gleich zu tun und zu meinen, dass die Welt "unsere" Inhalte nur aufzunehmen und zu "schlucken" hätte, wenn Er selbst, die Wahrheit schlechthin, sich riskierte und nicht daran festhielt, wie Gott zu sein (vgl. Phil 2)? Gerade deswegen führt Sellmann den bekannten Dreischritt "sehen - urteilen - handeln" in einen neuen weiter, der im Heute unserer komplexen Gesellschaft wohl angebrachter scheint: "zuhören - austauschen - vorschlagen" werden auch in seinem "grundlegenden" Text aus GS 44 benannt.
Um es den soziologisch ungeübten Lesern oder aber jenen, die Philosophie und Theologie nicht als das "ihre" betrachten zu erleichtern, lädt Sellmann unter anderem ein, einige Kapitel in einer von ihm selbst dargelegten Auswahl je nach Interesse zu lesen und zu bedenken - auch etwas, was den Menschen von heute ernst nimmt.
Auf alle Fälle ein Buch, das manchen in der Seelsorge Stehende offen werden lässt für das, was Gott vor uns wirkt und daher anleitet, Ihn zu ent-decken, der längst schon da ist, noch bevor Seelsorge "greift".
Wilhelm Krautwaschl