Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Das Zeitalter der Inquisition zählt zu den dunklen und bis heute sehr umstrittenen Epochen der europäischen Rechtsgeschichte. Studien wie die vorliegende sind allein schon deshalb sehr sinnvoll, weil sie in vielem ganz neue Erkenntnisse erschließen und so zu einem besseren Verstehen der historischen und rechtlichen Zusammenhänge beitragen.
Der aus Spanien stammende Franciscus Peña (gest. 1612), der in verschiedenen Funktionen an der päpstlichen Kurie tätig war und viele Jahre lang das Amt eines Richters an der Römischen Rota bekleidete, befasste sich in zahlreichen schriftlichen Arbeiten mit dem kirchlichen Prozesswesen. Am bedeutendsten ist das Buch „Introductio seu Praxis Inquisitorum“, das Peña 1605 fertigstellte und das als eine Art Handbuch den Gerichten bei der Durchführung der Inquisitionsverfahren dienen sollte.
Entsprechend den zu seiner Zeit geltenden rechtlichen Vorschriften geht Peña davon aus, dass Häresie ein sehr schweres Verbrechen ist, Häretiker aufzuspüren sind und die Gerichte nach Feststellung der Schuld die vorgesehenen Strafen verhängen müssen. Das römische Inquisitionsverfahren gliedert sich in das Vorverfahren, in dem die Entgegennahme der Anzeigen geschieht, und das Hauptverfahren, dessen Zweck die Ermittlung der Schuld und die Bestrafung des Häretikers ist. Der Inquisitor spielt die zentrale Rolle im Prozess. Hilfskräfte stehen ihm zur Seite. Großen Einfluss auf Verlauf und Ausgang der Verfahren hat der Procurator fiscalis bzw. Promotor fiscalis, der die Anklagepunkte festlegt. Amtlich beteiligt sind weiters die Parteibeistände Prokurator, Advokat und Armenanwalt, Berater (Konsultoren) und Sachverständige, weitere Bedienstete wie Gerichtsdiener, Schreiber, Vollstrecker, bewaffnetes Gesinde und schließlich die Gefängniswärter. Als Beweismittel gelten die Aussagen bzw. das Geständnis der Beschuldigten, Zeugenaussagen, Urkunden, Augenschein und Indizien. Dem Gericht stehen auch Haft, Beschlagnahme des Vermögens und Folter als Mittel zur Findung der Wahrheit zur Verfügung. Sie dürfen jedoch nicht willkürlich angewendet werden, sondern unter genauer Beachtung der einschlägigen Vorschriften. „Die Folter ist nur das äußerste Mittel, wenn der […] Beweis auf andere Weise nicht geführt werden kann“ (S. 252). Der Angeklagte ist keineswegs schutzlos, sondern besitzt wirkungsvolle Verteidigungsmöglichkeiten. Die Studie nennt in diesem Zusammenhang das eigene Aussageverhalten, durch das sich der Beschuldigte selbst schützen kann. Er hat das Recht auf Bekanntgabe der Beweisergebnisse und Akteneinsicht, kann eigene Zeugen benennen und den Fragenkatalog für deren Einvernahme vorlegen, hat die Möglichkeit, sich zur Sach- und Rechtslage zu äußern und wird von den Parteibeiständen umfassend unterstützt. Eigene Vorschriften gelten für Verfahren gegen besondere Personen wie Vornehme, Kleriker und Ordensleute, Frauen und Jugendliche. Genau geregelt sind Prozessende und Urteil, das der Inquisitor nach Beratung mit den Konsultoren fällt. Als Rechtsmittel gegen das Urteil sind Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Appellation vorgesehen.
Besonders wertvoll ist, dass der Autor im Anschluss an die minutiösen, die verschiedenen Facetten des Verfahrens ausleuchtenden Darlegungen die Verfahrens- und Beweisgrundsätze in eigenen Punkten prägnant zusammenfasst und so zeigen kann, dass im Inquisitionsprozess in vielem bereits Prinzipien und Grundsätze zum Vorschein kommen, die für den modernen Strafprozess kennzeichnend werden sollten wie z. B. die Ermittlung von Amts wegen, Verpflichtung zur Findung der Wahrheit und nicht bloß zur formal korrekten Durchführung des Prozesses, Recht des Angeklagten auf Gehör, Beschleunigung der Verfahren, faires Verfahren und Fürsorgepflicht des Richters, Unschuldsvermutung, Verhältnismäßigkeit und die Gleichheit vor dem Gesetz. Bei den Beweisgrundsätzen nennt der Autor die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, die freie Beweiswürdigung, den Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“, den Ausschluss von Suggestivfragen und das Verbot, unzulässige Fragen zu stellen und zu verwerten.
Das II. Vatikanische Konzil formulierte die Lehre von der Religionsfreiheit und stellte klar, dass es mit der Würde des Menschen nicht vereinbar ist und der Lehre Jesu widerspricht, jemand mit Zwangsmaßnahmen zur Annahme des katholischen Glaubens bzw. zur Aufgabe häretischer Ansichten zu bewegen. Diese Lehre wurde ohne Abstriche in die kirchliche Rechtsordnung übernommen und hat Eingang in den CIC von 1983 und den CCEO gefunden. Franciscus Peñas lebte in seiner Zeit und teilte die damals vertretenen Ansichten, die Irrtümer eingeschlossen. Dennoch kommt ihm das Verdienst zu, die Grundsätze des Inquisitionsverfahrens in beachtlicher Weise weiterentwickelt und verbessert zu haben. In der Forschung wird die Auffassung vertreten, dass das römische Inquisitionsverfahren einen bedeutenden Beitrag zur Ausbildung des modernen Strafverfahrens geleistet hat. Wer die vorliegende Studie liest, versteht diese These besser und kann sie leichter nachvollziehen.
Zielgruppe: alle, die sich für Fragen im Zusammenhang mit dem Inquisitionsverfahren interessieren.
Johann Hirnsperger