Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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„Krieg den Bildern! Stürzt die Götzen!“ Mit diesem Schlachtruf zogen im 8. Jahrhundert byzantinische Kaiser und ihre Hoftheologen gegen die im Volk und unter den Mönchen beliebten Christus- und Heiligenbilder zu Felde. Anlass soll ein durch einen Vulkanausbruch ausgelöstes Seebeben gewesen sein, das damals die Ägäis erschütterte. Zeigte Gott in einem Strafgericht, dass er sein Donnerwort vom Sinai - „Du sollst dir kein Kultbild machen!“ – wortwörtlich verstanden wissen wollte? Sicher gab es Theologen, die die Naturkatastrophe so deuteten. Stimmen wurden laut, wieder zum bildlosen Gottesdienst zurückzukehren, wie ihn das Judentum seit der Exilszeit im 6. Jahrhundert v. Chr. mit wachsender Überzeugung praktizierte und wie ihn auch der neu entstandene Islam, in dieser Hinsicht noch konsequenter als Judentum und frühes Christentum, unter seinen Gläubigen durchzusetzen vermochte.
Im Jahre 726 ließ Kaiser Leon III. (680–741) jedenfalls das berühmte Christusbild, das die große Bronzetür seines Palastes schmückte, demonstrativ entfernen und durch das einfache Zeichen des Kreuzes ersetzen. In der Folge wurden nicht nur theologische Pamphlete geschrieben, sondern auch unzählige religiöse Bilder zerstört. Die Zeit des Ikonoklasmus (von altgriech. ε?κ?ν, „Bild“ und κλ?σις, „Zerbrechen“) begann. Über hundert Jahre lang tobte in Byzanz der Kampf um das Bild. Die Streitparteien argumentierten meist aneinander vorbei. Menschen wurden getötet. Wertvolles Kulturgut ging verloren. Ähnliches ereignete sich im christlichen Bereich erst wieder in den protestantischen Bilderstürmen der Reformationszeit, allerdings gegen den Willen Martin Luthers. (Für den islamischen Bereich sei an die Zerstörung der Buddha-Statuen im afghanischen Tal von Bamiyan durch die Taliban im März 2001 erinnert.)
Inhumane Militanz und Kulturvandalismus des historischen Ikonoklasmus sind verwerflich. Und doch kann man auch als ikonophiler katholischer Christ das Nein zum religiösen Bild verstehen und wirdVerfechtern eines bildlosen Kultes den Respekt nicht versagen. Steckt in ihrem Denken und Tun doch die berechtigte Sorge, Bildnisse könnten dazu verführen, hinter einen wesentlichen Meilenstein religiöser Erkenntnis zurückzufallen, hinter die monotheistische Erkenntnis, die Judentum, Christentum und Islam zuinnerst verbindet: Gott ist einmalig, nicht einer unter vielen! Er ist kein Teil der Welt und es gibt in der Welt nichts ihm Vergleichbares! Er ist unendlich groß, unbegreifbar und damit auch undarstellbar! So rufen die Propheten Israels, so kündet der Koran. So betet der mittelalterliche Bischof, Philosoph und Theologe Anselm von Canterbury (1033-1109): „Du bist nicht nur das, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, sondern du bist größer als das, was gedacht werden kann!“ Offiziell erklärt die katholische Kirche auf dem Vierten Laterankonzil (1215): „Zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf kann man keine so große Ähnlichkeit feststellen, dass zwischen ihnen nicht eine noch größere Unähnlichkeit festzustellen wäre.“ In diesem Sinne bleibt die theologische (nicht die militant destruktive) Ambition des Ikonoklasmus ein wichtiges Korrektiv für die Spiritualität, das theologische Denken und das religiöse Kunstschaffen aller Zeiten. Jedes religiöse Bild (auch jedes bildhafte Reden) muss sich die kritische Frage gefallen lassen, ob es Gott einfangen und verdinglichen, handhabbar und manipulierbar machen will. Die Abwehr dieser Versuchung zur „Gottesbemächtigung“ und zum magischen „Gottesgebrauch“ scheint neben der Abwehr der Verehrung „fremder Götter“ in ihren Kultbildern zentrale Intention des Bilderverbotes in der Thora Israels (Exodus 20,5; Deuteronomium 5,8) zu sein.
Aber gibt es nicht auch die andere Versuchung, Gott so weit weggerückt vom Menschen zu denken, dass er absolut unerreichbar scheint? „Man kann von Gott eigentlich nichts wissen“, sagen Agnostiker und manche von ihnen sind ein wenig stolz darauf, weil sie sich über jeden konfessionellen Glauben erhaben wähnen. Man kann sich damit die Wirklichkeit Gottes auch vom Leibe halten. Denn wo eine sinnvolle Kommunikation mit Gott nicht möglich ist, braucht man sich von Gott auch nichts mehr sagen zu lassen. Andere Menschen wieder leiden am scheinbar unerreichbaren Gott. „Ich weiß nicht, ob der Himmel niederkniet, wenn man zu schwach ist, um hinauf zu kommen?“, fragt Christine Lavant (1915-1973) in einem ihrer Gedichte.
Überzeugte Christinnen und Christen glauben (wie Gläubige keiner Religion sonst) an diesen „Kniefall des Himmels“: Der große unendliche und undarstellbare Gott hat sich aus Liebe zur Welt freiwillig klein gemacht und ist in Jesus von Nazaret ein konkreter Mensch geworden, hat ein wirkliches Menschenleben durchlebt, ja bis zum bitteren Tod „durchliebt“. Er, der von Gott kommt und Gott ist, teilt unser zerbrechliches Leben, damit wir teilhaben können an seinem unzerstörbaren göttlichen Leben. „Das [göttliche] Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen.“ (Johannes 1,14) Gott kommuniziert in Christus als hörbarer, sichtbarer, angreifbarer Mensch mit uns. Das ist die Pointe des Christentums. „Wer mich sieht, sieht den Vater“, spricht Christus im Johannesevangelium. Neben dem Aufruf zum Hören auf Gottes Wort, gibt es auch die Einladung: „Kommt und seht!“ (Johannes 1,39), weil man an Jesus sehen kann, wer Gott ist und wie Gott ist. „Er ist das Bild (altgriech. ε?κ?ν – „Ikone“!) des unsichtbaren Gottes.“ (Kolosser 1,15). Diese aus dem Christusgeschehen gewonnene Erkenntnis, dass sich der unsichtbare Gott in Jesus von Nazaret selbst ein sichtbares menschliches Antlitz gegeben hat, ermutigte bilderfreundliche Christenmenschen schon seit der Katakombenzeit Jesus Christus, den Mensch gewordenen Gottessohn, die Ereignisse aus seinem Leben, seinen Tod und seine Auferstehung, aber auch seine Freunde, die Heiligen, bildlich „darzustellen“, um durch das sichtbar Dargestellte Beziehung zum Unsichtbaren aufzunehmen: „Kommt und seht!“ (Johannes 1,39)
Es war eine Frau, Irene von Athen (752-803), Witwe des byzantinischen Kaisers Leon IV., die 787 eine Synode einberief, die der Bilderfreundlichkeit in der orthodoxen und katholischen Kirche entscheidende Schützenhilfe gab. Dass es auf Grund unglücklicher lateinischer Übersetzungen derKonzilstexte im Abendland vorerst auch zu Irritationen kam, muss hier nicht ausgeführt werden. Die heute von katholischer und orthodoxer Kirche als Zweites Ökumenisches Konzil von Nicäaanerkannte Synode fordert die Gläubigen jedenfalls hochoffiziell auf, „in den heiligen Kirchen Gottes,auf den heiligen Geräten und Gewändern, auf Wänden und Tafeln, Häusern und Wegen […] ehrwürdige und heilige Bilder – seien sie aus Farben, Stein oder sonst einem geeigneten Material – anzubringen; dies gilt für das Bild des Herrn und Gottes und Erlösers Jesus Christus, [..] der heiligen Gottesmutter, der ehrwürdigen Engel und aller heiligen und frommen Menschen.“ Diesen Bildern soll mit Ehrerbietung – die Ehre gilt ja stets der dargestellten Peson – begegnet werden, aber keineswegs mit „Anbetung, die allein der göttlichen Natur zukommt“! Die Unterscheidung von Verehrung (veneratio) und Anbetung (adoratio) ist bis heute für die Theologie der Heiligen- und Bilderverehrungwesentlich. Denn noch immer verstummt der „protestantische“ Vorwurf (siehe moderne Internetseiten!) nicht, Katholiken und Orthodoxe würden Heilige und Bilder anbeten. Die so Kritisierten empfinden das als theologisch plump, ungerecht und antiökumenisch, wirft man ihnen doch nichts Geringeres als Götzendienst vor!
Die abendländische christliche Kunst hat in verschiedenen Epochen eine Vielfalt von Christusbildernhervorgebracht. Auch in der Steiermark. Nicht alles ist von gleicher künstlerischer Qualität, nicht alles wird dem theologischen Anspruch, Beziehung zur Wirklichkeit Gottes zu ermöglichen, in gleicherWeise gerecht. Und freilich erschließt sich auch nicht jedes Bild jedem und jeder. Zu verschieden sindLebenssituationen und Lebensfragen. Aber gilt Ähnliches nicht auch für die Begegnung mit dem Gotteswort in der Heiligen Schrift, das uns auch nur in der Vielstimmigkeit biblischer Autoren und Schriften und in unterschiedlichen Situationen des Hörens gegeben ist? Begegnung mit Gott kann verstören und beglücken. Wenn es mir hin und wieder gelingt, durch ein Christusbild der Demut und Schönheit („Herrlichkeit“) Gottes zu begegnen, erfüllt mich das mit Dankbarkeit. Wenn ich mich durch ein Christusbild aufgefordert sehe, auch in Christi Geschwistern, also in mir und meinen Mitmenschen, das „Bild Gottes“ (Genesis 1,26) zu sehen und zu ehren, verstört mich das nicht selten – freilich meist heilsam. Christusbilder können provokant sein. „Kommt und seht!“ (Johannes 1,39)
Karl Veitschegger
Aus: Heimo Kaindl (Hg.), Christusbilder in der Steiermark, Verlag Diözesanmuseum Graz 2010, 11-14