Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Jesus von Nazaret hat wirklich gelebt. Das bezweifelt heute kein ernst zu nehmender Historiker mehr. Zu den sicheren Fakten gehören: Jesus wird irgendwann zwischen 7 und 4 vor unserer Zeitrechnung geboren, wächst in einer jüdischen Familie in Galiläa auf, arbeitet vermutlich als Zimmermann, tritt mit ca. 30 Jahren an die Öffentlichkeit, sammelt eine Jüngerschaft aus Männern und Frauen um sich und gerät durch unkonventionelle Worte und Taten in Konflikt mit der religiösen Obrigkeit seines Volkes. Er wird vom römischen Gouverneur Pontius Pilatus wegen Rebellion zum Tod verurteilt und stirbt - vermutlich am 15. Nisan (7. April) 30 n. Chr. - vor den Mauern Jerusalems den Verbrechertod am Kreuz. Mit diesem Schicksal ist Jesus nicht allein. Auch andere mussten damals Ähnliches erleiden. Rom kreuzigte viele.
Dass Jesus psychisch Zerrüttete („Besessene") und körperlich Kranke geheilt hat, gilt als historisch sicher. Auch andere „Wunderzeichen" werden von ihm überliefert, vor allem in den christlichen Evangelien. Indirekt bestätigt das aber auch die jüdische Tradition. So steht im Babylonischen Talmud über Jesus: „Er hat Zauberei getrieben." (Sanhedrin, 43a)
Aber gibt es nicht viele Wundertäter? Heilige aller Religionen, Schamanen und Fakire, ja auch Sektierer aller Art wirken Unerklärliches. Man kann sie nicht alle als Betrüger abtun. Wir müssen damit rechnen, dass es sonderbare Phänomene gibt. Interessant ist, dass Jesus selbst seinen Wundern keine übergroße Bedeutung beimisst. „Schauwunder" lehnt er überhaupt ab (vgl. Markus 8,11-13; Lukas 23,8-11). Er weiß: Wunder sind keine Beweise für die Wahrheit (vgl. Matthäus 7,22f). Es gibt ihrer zu viele.
Nicht seine Wunder, seine Botschaft hält Jesus für besonders wichtig und entscheidend. Dafür weiß er sich von Gott gesandt, dafür lebt er und dafür ist er auch bereit zu sterben. Die Wunder können sein Anliegen „nur" verdeutlichen und bis in das Körperliche hinein spürbar machen. Die Botschaft, um die es Jesus dabei geht, lässt sich kurz so wiedergeben:
„Das Reich Gottes ist nahe! (Markus 1,15) Das heißt: Gott setzt sich gegen alle Mächte des Bösen durch, auch wenn der Augenschein anderes vermuten lässt! Keine Schuld ist ihm zu groß und keine Krankheit zu mächtig. Schließlich wird er sogar den Tod entmachten. Gott ist „Abba" (= zärtlich liebender Vater). Bei ihm ist jeder Mensch gefragt, auch der letzte und schäbigste. Gott sucht ihn und will sich mit ihm verbünden - jetzt, durch mich! Nützt die Chance! Wenn ich Prostituierte und Zöllner an meinen Tisch rufe, lädt Gott selbst ein. Wenn ich heile, heilt Gott. Wenn ich Sünden vergebe, verzeiht Gott. Wenn ich zur Feindesliebe aufrufe, dann ist das Gottes Wille."
Prägnant wird im Johannes-Evangelium der hohe Anspruch Jesu zusammengefasst: „Ich und der Vater sind eins!" (10,30)
„Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig." (Matthäus 10,37) Ein provokantes Wort. Ein hartes Wort. Kein Prophet darf so reden. Wer außer Gott selbst hätte das Recht zu sagen, die Beziehung zu ihm sei wichtiger als jede noch so fundamentale menschliche Liebe? Soll sich ausgerechnet an Jesus entscheiden, wie man es mit Gott hält? Wenn Jesus tatsächlich so oder so ähnlich gesprochen hat, dann...
Kein Wunder, dass man ihn für einen Gotteslästerer hält und schließlich seinen Tod will (vgl. Markus 2,7; Johannes 10,33: „Du bist nur ein Mensch und machst dich selbst zu Gott!"). Doch Jesus bleibt seinem Auftrag treu. Und seine Jünger? Als sie sehen, dass ihm der Prozess gemacht wird, werden sie feige und laufen davon. Zu gut kennen sie die damals geltende Überzeugung: Wer am Kreuz endet, ist ein von Gott Verfluchter! Ihr Meister kann demnach nur ein Betrüger sein, bestenfalls ein frommer Narr.
Aber dann geschieht etwas Überraschendes. Sehr bald nach dem Tod Jesu machen die verängstigten Jünger/innen eine umstürzende Erfahrung. Anfangs wagen sie gar nicht, mit Fremden darüber zu reden. Zu verrückt klingt die Sache. Nach 50 Tagen - so erzählt Lukas in seiner Apostelgeschichte - sagen sie es doch: „Dieser Jesus, der gekreuzigt worden ist, lebt! Er ist auferstanden!" Sein Tod war also nicht sinnlos. Gott hat Jesus nicht verflucht oder aufgegeben, sondern ist mit dem Gekreuzigten in die letzten Abgründe des Menschseins hinab gestiegen: in die Verworfenheit, die Ohnmacht, die Angst, das menschliche Versagen, das Leid, den Tod. Gott durchleidet und durchliebt in Jesus alle Dunkelheiten seiner Geschöpfe, um ihnen Licht und Leben zu bringen.
Den Jünger/innen wird immer klarer: Im Gekreuzigten und Auferstandenen treffen die Menschen auf die Liebe Gottes, die auch die Dunkelheiten ihres Lebens mitleidet und sie eines Tages in Osterfreude verwandeln kann. Als Juden und Jüdinnen nennen sie Jesus deshalb Messias (= griechisch Christus) - das ist der jüdische Name für den erwarteten Bringer des Heiles - , aber auch Sohn Gottes, Wort Gottes, Bild Gottes, Kraft und Weisheit Gottes. Ja noch kühner, sie sagen zu ihm: „Mein Herr und mein Gott!" (Johannes 20,28). So rufen fromme Juden nur Jahwe-Gott an. Die Jüngerinnen und Jünger sind überzeugt: Jesus gehört untrennbar zu Jahwe-Gott; er ist aus Gott nicht mehr wegzudenken; er gehört zum Wesen Gottes. Von Gott ist er gekommen, zu Gott ist er zurückgekehrt. In Jesus zeigt Gott sein wahres Gesicht, öffnet er sein Herz - für alle Menschen.
Seit den Tagen der Apostel ist die Rede von diesem Jesus nicht mehr verstummt. Bis heute ist sein Geist, der kein anderer als der Geist Gottes ist, vielfältig am Werk, in den christlichen Kirchen, aber auch außerhalb ihrer sichtbaren Grenzen. So wird Jesus z. B. von über einer Milliarde Muslime für einen wichtigen Propheten gehalten. Auch manche Ungläubige - wie z. B. Umberto Eco - schätzten ihn als Ideal der Humanität, als "Modell der universalen Liebe, der Vergebung für die Feinde und des zur Rettung der anderen geopferten Lebens"1. Und unzählige gläubige Menschen finden in ihm all das, was sie brauchen, um sinnvoll leben, lieben und sterben zu können.
Karl Veitschegger
1 C. M. Martini/U. Eco, Woran glaubt, wer nicht glaubt?, Wien 1998, 92