Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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„Du sollst nicht ehebrechen!“, lautet das sechste der Zehn Gebote in der Bibel. Als ich vor einigen Jahrzehnten die Volksschule besuchte, lernten wir im Religionsunterricht das sechste Gebot noch so: „Du sollst nicht Unkeuschheit treiben!“ Als unkeusch galt damals eigentlich alles, was mit dem Geschlechtlichen zu tun hatte. Religion und Sexualität empfanden wir als scharfe Gegensätze. Das eine gehörte zu Gott, das andere zum Teufel. So einfach war das. Und so falsch.
Wir Kinder übernahmen, ohne es zu wissen, sexualfeindliche Vorstellungen und Gefühle, die vor vielen Jahrhunderten ins Christentum eingedrungen waren und die kirchliche Moral stark beeinflusst hatten. Der Dogmatikprofessor Joseph Ratzinger (und heutige Papst Benedikt XVI.) nannte das „ein besonders tragisches und dunkles Kapitel in der Geschichte des christlichen Denkens“. (Krems / Mumm [Hrsg],
Theologie der Ehe, Regensburg 1969, S. 93) Das letzte Konzil leitete eine neue Entwicklung ein. Sexualität wurde in der Kirche zunehmend positiver gesehen.
Heute ist der Großteil der Christinnen und Christen überzeugt: Sexualität ist nichts Düsteres, Dunkles oder Schlechtes, sondern ein wunderbares Geschenk Gottes. Mit Recht beruft man sich dabei auf die Heilige Schrift, in der es zum Beispiel ein Lied gibt, das unbefangen und in poetischen Bildern die erotische Liebe preist: „Mit Küssen seines Mundes bedecke er mich. Süßer als Wein ist deine Liebe …“ (Das Hohelied) Mehrmals wird die Liebe zwischen Mann und Frau in der Bibel positiv gewürdigt. Die Propheten nehmen sie als Gleichnis für die leidenschaftliche Liebe
Gottes zu den Menschen. Durch Christus, so lehrt die Kirche, wird sie sogar zum Sakrament erhoben. Gott ist kein Gegner unserer Lebenslust und Vitalität; ganz im Gegenteil: Gott will, dass wir in der Liebe glücklich werden. Auch hierfür gilt das Christuswort: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ (Joh 10,10)
Wer Gott von ganzem Herzen dankbar ist für das Geschenk der Sexualität, der wird mit diesem Geschenk auch verantwortungsvoll umgehen. Er wird sich immer wieder fragen: Wohin ist meine Sexualität unterwegs? Läuft sie irgendwo in dunklen Kanälen neben mir her oder ist sie in mein Leben integriert? Bin ich in geschlechtlichen Dingen ehrlich zu mir selber und zu meinem Partner? Nütze ich die Gefühle und den Körper eines anderen aus? Habe ich die nötige Selbstachtung? Ergehe ich mich in Illusionen oder bin ich bereit, realistisch die Konsequenzen meines sexuellen
Wünschens und Handelns zu sehen und gegebenenfalls auch zu tragen? Ist für mich Sexualität ein Konsumartikel oder ist es ein ehrlicher Ausdruck meiner Liebe zu einer Person, die ich immer besser verstehen will? (In der Bibel wird für die sexuelle Vereinigung das Wort „erkennen“ gebraucht!)
Es stimmt, wenn manche darauf hinweisen, dass die Kirche zu Einzelfragen der Sexualmoral nie Dogmen im strengen Sinn erlassen hat. Es galt aber in der christlichen Tradition immer der Grundsatz, dass sexuelle Intimität einen Raum gegenseitiger Liebe und verlässlichen Vertrauens braucht. Der ehemalige Bischof von Hildesheim,
Josef Homeyer († 2010), gab einmal in einer Jugendzeitschrift die klassische Lehre der Kirche so wieder: „Erst wo zwei Menschen einander ein absolutes Ja-Wort gegeben haben und ihre Zuneigung und Vertrautheit vor Gott und ihren Mitmenschen besiegelt haben, ist der rechte Ort, sich einander auch leiblich ganz hinzugeben.“
Viele, vor allem junge Menschen folgen dem Lehramt der Kirche in diesem Punkt nicht mehr. Kirchliche Sexuallehre und Leben der Menschen klaffen aber auch in anderen Punkten oft weit auseinander. Soll man diese Tatsache schweigend hinnehmen? – Ich persönlich wünsche mir, dass darüber geduldig und ehrlich Gespräche geführt werden, in denen sowohl die Lebenssituation der Menschen heute als auch die Anliegen, die in den traditionellen Normen zum Ausdruck kommen, ernst genommen
werden.
Es wäre sicher eine Engführung, in der Ehe vorrangig die „Erlaubnis zum Geschlechtsverkehr“ zu sehen. Ehe ist eine umfassende Liebes- und Lebensgemeinschaft. Und wenn Gott sagt: „Du sollst nicht ehebrechen!“, dann sagt er damit auch: „Ich will, dass Ehen gelingen. Zerstöre weder in dir noch in anderen die Kraft der Liebe, sondern kultiviere und erneuere immer wieder alles, was dich und andere zu einer dauerhaften Liebes- und Lebensgemeinschaft befähigt!“ Im Anschluss an Jesus Christus glaubt die Kirche daran, dass Eheleute dazu berufen sind, durch alle Krisen
hindurch einander zu achten und in Treue zu lieben, „bis der Tod euch scheidet“.
Sie weiß aber auch, dass in einer Ehe ein „unheilbarer Bruch“ (Johannes Paul II.) eintreten kann. Was dann? – Es ist die Aufgabe der Seelsorger und Mitchristen, Menschen auch in dieser Situation beizustehen, ganz im Sinne Jesu, der gesagt hat: „Richtet nicht!“ und: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!" (Lk 6,36–37)
aus: Karl Veitschegger: Gern katholisch, Verlag Diözesanmuseum Graz 2012