Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Liebe hier versammelte Christen, Brüder und Schwestern, und in Ihrer Mitte, lieber Herr Pfarrer, lieber Diakon, und Sie, liebe Frauen, Männer und junge Leute, die der Pfarre auf viele Weisen besonders hilfreich sind!
Mehrmals bin ich in den vergangenen Jahren in die unter den heutigen Bedingungen außergewöhnlich lebendige Pfarre Hausmannstätten gekommen. Das erste Mal war es, um den neuen Altar zu weihen, der für viele Menschen zunächst sehr befremdlich gewesen, aber inzwischen weithin akzeptiert ist. Später habe ich schon als emeritierter Diözesanbischof den Herrn Pfarrer beim Sonntagsgottesdienst vertreten. Und heute bin ich gekommen, um mit Ihnen den Sonntagsgottesdienst zu feiern und am Schluss der Heiligen Messe draußen vor der Kirche einen neuen und in seiner Gestaltung sehr ungewöhnlichen Kreuzweg zu segnen. Mit dem Künstler, Herrn Joachim Baur, und dem Herrn Pfarrer habe ich zur Vorbereitung der heutigen Feier ausführlich gesprochen. In der Pfarre Hausmannstätten hat man bei der Gestaltung des neuen Altars in der Kirche und nun bei der Gestaltung des Kreuzweges außerhalb der Kirche versucht, unverzichtbare Traditionen mit Neuem zu verbinden. Das Neue darf nicht das zentrale und kostbare Alte verdecken oder gar verdrängen. In der Pfarrkirche Hausmannstätten und ringsum hat aber dieses kostbare und schöne Alte seinen unbestrittenen Platz und sein unbestreitbares Gewicht.
Die Segnung des Kreuzweges in Hausmannstätten geschieht in zeitlicher Nähe zum Fest der Kreuzerhöhung. Es wird von der Weltkirche am 14. September gefeiert. Die zweite Lesung der heutigen Sonntagsmesse und das Evangelium nehmen wir daher aus der Liturgie vom Fest der Kreuzerhöhung, die erste Lesung entspricht der Leseordnung zum 24. Sonntag im Jahreskreis. Alle drei Texte sprechen über das Leiden Jesu Christi, aber auch schon über die Überwindung dieses Leidens im Osterereignis. Am dritten Tag nach dem Karfreitag Christi war ja Ostern und die Millionen von Kreuzbildern und Kreuzwege, die es weltweit gibt, sollen nicht nur im Blick auf den Karfreitag betrachtet werden, sondern darüber hinaus auch im Blick auf die Osterbotschaft. Der Tod Christi war nicht sein Ende und auch der Tod und das Leiden von Menschen, wie wir es sind, wird nicht ein definitives Ende sein.
Liebe Christen, Brüder und Schwestern!
Der heutige Sonntag ist für die Gottesdienstgemeinde in Hausmannstätten ein Anlass, über das Kreuz Christi als Zentralsymbol unseres christlichen Glaubens nachzudenken. Dies hat seinen Grund einerseits darin, dass nach der Heiligen Messe draußen vor der Kirche ein Kreuzweg gesegnet werden wird, der freilich nicht vor allem das erzählt, was fast alle katholischen Kreuzwegbilder über das Leiden Christi erzählen. Andererseits ist das Kreuz gerade jetzt ein Thema, mit dem sich auch die Zivilgesellschaft und ihre Medien intensiv, wenn auch oft nur oberflächlich, befassen. Vor allem in deutschsprachigen Ländern gibt es immer wieder Initiativen, die versuchen, das Kreuzsymbol aus der Öffentlichkeit und besonders auch aus Schulzimmern zu verdrängen. Andererseits wurde vor kurzem von politisch Verantwortlichen im Freistaat Bayern angeordnet, dass das Kreuz in öffentlichen Räumen auch dort angebracht wird, wo dies bisher nicht der Fall war. Die christlichen Kirchen und deren Leitungen sind in diesen Disput klarerweise einbezogen, haben darauf aber unterschiedlich reagiert. Direkt oder indirekt ist jeder bewusste Christ dadurch aufgefordert, über dieses Thema tiefer nachzudenken und dabei auf schreckliche Vereinfachungen zu verzichten. Wir dürfen uns als Christen und zumal als katholische Christen gerade auch heute nicht verstecken trotz aller Gleichgewichtsstörungen in der Kirche und trotz aller Fehler in Vergangenheit und Gegenwart. Und wir brauchen uns als Kirche im Ganzen auch nicht verstecken, denn wir tragen und beseelen als weltweit größte Gemeinschaft die ganze Menschheit in hohem Maße mit. Dabei dürfen wir aber vor allem Christus und sein Kreuz nicht verstecken. Wofür steht aber dieses Kreuz inmitten der Kirche und inmitten einer immer pluraler werdenden Zivilgesellschaft in Österreich, in Europa und weltweit?
Ein Mensch, der sich in voller Lebenskraft aufrichtet und die Arme ausbreitet, bildet in dieser Gestalt ein Kreuz, ein Zeichen kosmischer Harmonie. Er wird zu einer Mitte zwischen Nord und Süd, Ost und West und auch zu einer Mitte zwischen Himmel und Erde. Das Kreuz Jesu Christi aber, das vor den Toren der Stadt Jerusalem aufgerichtet wurde, war zunächst ein Zeichen äußerster Entzweiung zwischen Mensch und Mensch wie zwischen Menschen und Gott. Nichts von dem Glanz, der später in christlicher Kunst und Dichtung damit verbunden wurde, war am ersten Karfreitag der Kirchengeschichte erfahrbar. Jesus litt und starb unter einem schweigenden Himmel, und von den Menschen ringsum war nur hasserfüllter Spott zu hören. Die wenigen Getreuen, die dem Herrn bis Golgota gefolgt waren, standen nun stumm oder weinend zu Füßen des Gekreuzigten.
Auf Golgota schien das Kreuz nichts weiter zu sein als ein Instrument zur Folter und zur Hinrichtung eines Menschen. Am dritten Tag aber zeigte sich der Gekreuzigte als Auferstandener. Er kehrte über die von ihm überschrittene Todesgrenze hinweg in einer neuen Existenzweise zu den Jüngern zurück. Die Todeswunden an seinem Leib waren noch sichtbar, aber verklärt. Für die Jünger und für alle späteren Christen wurde das Kreuz Christi nun aus einem Zeichen der Schande und des Todes zu einem Symbol des Sieges über Sünde und Tod. Aus einem Galgenholz wurde ein Lebensbaum. In der frühen christlichen Kunst stellte man die Kreuze daher oft ohne den Leib des Herrn dar. Seit dem vierten Jahrhundert sind dies meist strahlende, kostbare Kreuze. Sie verweisen dann weniger auf den Karfreitag als auf den österlichen Triumph Christi. Auf einem riesigen Mosaik in einer Kirche in Ravenna leuchtet das Kreuz wie eine Sonne inmitten eines mit Sternen übersäten Firmamentes. In späteren Epochen wurde das Kreuz wieder eher nur als ein Zeichen des Leidens Christi und nicht auch als Zeichen seines Sieges verstanden. Dies gilt besonders für die Zeit der Gotik. Menschen, die von Pest, Krieg und anderen Katastrophen geplagt waren, suchten und fanden im Aufblick zum gekreuzigten Christus Trost und Zuversicht in ihrem eigenen Leiden. Vom Trostbild wandelte sich das Kreuz schließlich zum Feindbild für jene Gegner des Christentums, die in der christlichen Kreuzverehrung nichts als einen Triumph der Lebensverneinung sehen konnten. Friedrich Nietzsche verherrlichte den antiken Dionysos als berauschtes und berauschendes Gegenbild zum Gekreuzigten. Ohne den Glauben an einen Gekreuzigten, der von den Toten auferstanden ist, wird aber dem Leiden in der Welt die kühnste Perspektive auf seinen Sinn und auf seine Fruchtbarkeit genommen.
Das endgültige Bild Christi zeigt ihn daher nicht als Toten am Kreuz, sondern als Auferstandenen mit verklärten Wunden. Darum ist auch das Kreuz Christi in seiner endgültigen Gestalt nicht mehr ein Marterholz, sondern ein Lebensbaum wie das Mosaikkreuz der Kirche San Clemente in Rom aus dem zwölften Jahrhundert mit blühenden Ranken und darin nistenden Vögeln. „Geheimnisvoll erstrahlt das Kreuz“, singt der Hymnus aus dem sechsten Jahrhundert. „Geheimnisvoll erblüht das Kreuz“, sagt darüber hinaus das Kreuzbild von San Clemente.
Liebe Christen, Schwestern und Brüder! All das Gesagte kann und soll uns helfen, in einer Zeit großer Umbrüche und Abbrüche, aber auch neuer Aufbrüche im Leben der Menschheit und der Christenheit, wetterfestere Christen zu sein und ein stärkeres, weil legitimes katholisches Selbstbewusstsein zu entwickeln. Unser Glaube bleibt nicht beim Karfreitag, beim Kreuz aus Marterholz stehen. Er ist darüber hinaus ein österlicher Glaube. Am dritten Tag nach dem Karfreitag Christi war Ostern und wir dürfen hoffen, dass es nach allen Karfreitagen in unserem Leben und im Leben der Menschheit immer wieder ein Ostern geben wird und am Schluss ein universales Ostern für den ganzen Kosmos. Davon hat der halbvergessene und neuerlich wieder entdeckte Jesuitenpater und Paläontologe Pierre Teilhard de Chardin geträumt und gesprochen, konnte aber zunächst aus Gründen, die nicht nur beim kirchlichen Lehramt lagen, nicht in das Glaubensgefüge der katholischen Kirche integriert werden. Der neue schwer verstehbare Kreuzweg rings um die Kirche von Hausmannstätten nimmt einige dieser Ideen auf. Diese Ideen sind aber nur dann hilfreich, wenn sie deutlich auf die Mitte des Glaubens auf den gekreuzigten und auferstandenen Christus hinzeigen.
Am Schluss dieser Gedanken weise ich auf das Wappen und den Leitspruch eines im Mittelalter entstandenen und auch heute als kleine meist verborgene Frischzelle inmitten der Weltkirche wirkenden geistlichen Ordens hin. Es ist der Orden der Kartäuser. Eines seiner auch heute aktiven Klöster befindet sich ungefähr 150 Kilometer von hier entfernt in Slowenien mit dem Namen Pleterje, auf Deutsch Pletriach. Das Hauptkloster, die große Kartause, steht im französischen Bergland oberhalb von Grenoble. Der deutsche Meisterregisseur Philipp Gröning hat darüber einen vielbeachteten Film mit dem Titel „Die große Stille“ gedreht, der auch in Graz ein elitäres Publikum gefunden hat. Aber nun endlich zurück zum Wappen und zum Leitspruch der Kartäuser: Das Wappen zeigt die Weltkugel und über ihr ein damit verbundenes Kreuz, umgeben von sieben Sternen. Der Wappenspruch lautet: „Fest steht das Kreuz, während die Welt sich dreht.“ – „Firmiter stat crux dum volvitur orbis.“ Die kontemplativen Kartäuser beten stellvertretend auch für uns, die nur selten kontemplativ sein können, aber manchmal still werden sollen im Hinschaun auf das Kreuz in seinen gegensätzlichen und einander ergänzenden Ausdrucksformen.