Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Wir sind heute in Seggau zusammengekommen, um im Advent über das Thema Frieden und Menschrechte nachzudenken. Ein Blick in die Nachrichten und in unsere gemarterte Welt zeigt uns, dass wir beides mehr denn je nötig haben; Frieden und Menschenrechte. Millionen, ja Milliarden Menschen sehnen sich nach Frieden und erfahren Tag für Tag Not, Tod und Elend, den der Unfriede in ihren Regionen mit sich bringt. Millionen Menschen hoffen auf Recht und Gerechtigkeit und erfahren Tag für Tag, wie ihre Rechte auf Freiheit, Meinungsäußerung und politische Mitbestimmung missbraucht werden, weil sie den Machthabenden nicht zu Gesicht stehen. Millionen Menschen erfahren in ihren persönlichen Beziehungen und Lebensumgebungen seelische Verletzung, Gewalt und Tod. Seit Menschen in Gemeinschaften zusammenleben, machen sie die Erfahrung von Unrecht und Unfrieden. Scheinbar kann die Menschheit nicht anders. Doch muss es wirklich so sein?
Die Geschichte von Kain und Abel zeigt uns im biblischen Kontext exemplarisch, wie sehr dem Menschen ein Verhalten innewohnt, das Zwietracht fördert - vor allem, wenn der Bezug zu Gott abhanden kommt. Überall dort, wo Neid, Misstrauen, Angst, Gier, ein sich zurückgesetzt Fühlen regieren, entstehen Unfriede und Gewalt – im Kleinen wie im Großen. Überall dort also, wo ich mich höher einschätze als andere, mich selbst also mehr und mehr zu "Gott" hochstilisiere. Die Weltgeschichte zeigt uns bis heute, wie sich diese Kreisläufe wiederholen Sie zeigt auch, wie neues Unrecht mit altem gerechtfertigt wird. Als ob Unrecht mir Unrecht gesühnt werden könnte.
Doch die meisten Menschen haben sich mit diesem Zustand niemals abgefunden. Immer schon haben sie darum gerungen, ein besseres Miteinander zu schaffen, und sich die Frage gestellt: Wie kann der Kreislauf von Gewalt und Unfrieden durchbrochen werden? Im kleinen Leben des Alltags und im großen Leben der Welt?
Eine besonders radikale, also bis an die Wurzel, bis ins Innerste unseres Seins gehende Antwort wurde uns vor 2000 Jahren im vorderen Orient gegeben. Ein Kind wurde geboren, das Geschichte geschrieben hat. Ein besonderes Kind. Ein „Immanuel“, ein „Gott-mit-uns“, der mit seinem ganzen Leben zeigte, wie ein friedvolles und gerechtes Miteinander gelingen kann – zum Preis des eigenen Todes. Dieses Kind hat, so berichtet es uns die Weihnachtsgeschichte, die Menschen verwandelt und in Staunen versetzt. Es hat die Menschen dazu gebracht, ihre gewohnten Bahnen zu verlassen und neu aufzubrechen; Maria und Josef, die Hirten, die Weisen aus dem Morgenland. Und danach viele Millionen Menschen über all die Jahrhunderte bis heute. Um es nicht zu romantisch werden zu lassen: die Hirten waren damals die Kleinkriminellen und die Krippe, in die dieses Kind gelegt wurde, ist auch nicht ein Himmelbett, sondern machen deutlich, wie weit Gott in seiner Liebe uns Menschen gegenüber zu gehen bereit ist.
Dieses Kind wuchs heran und überraschte als erwachsener Mann, als Jesus von Nazareth, die Menschen mit seinen für damalige Verhältnisse radikal neuen Ideen. Viele waren nach der Begegnung mit ihm wie verwandelt, denn er hat ihnen mit seinem Leben gezeigt, wie sie die Kreisläufe von kleiner und großer Gewalt durchbrechen können und sich Frieden und Gerechtigkeit durchsetzen. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst; reiche deine Hand zur Versöhnung und sei der, der damit beginnt; Liebe deine Feinde und beantworte Gewalt nicht mit Gewalt; sei da für den, der in Not geraten ist; setze dich für andere ein, wenn ihnen Unrecht widerfährt; teile von dem, was du nicht unbedingt zum Leben brauchst, mit denen, die unbedingt etwas zum Leben brauchen; sei da, wenn Menschen Trost brauchen; hole die Ausgestoßenen und Kranken in die Gemeinschaft herein; lass niemanden allein – alles Regeln und Weisheiten für ein gelungenes Leben und damit eines im Miteinander, das deutlich macht: nicht Abgrenzung voneinander, sondern das Zugehen aufeinander, Liebe also, ist von Bedeutung.
Ein besonderes Zeichen setzte Jesus mit seinem Tod am Kreuz, wo sichtbar wurde, wozu man im Extremfall bereit sein muss, wenn man Gewalt nicht wieder mit Gewalt beantworten möchte: Bevor ich andere töte, um meine Haut zu retten, lasse ich mich selbst töten.
Dieses Gewaltverbot Jesus stellt seine Jünger – und auch uns – vor gewaltige Herausforderungen. Lange können die Jünger und Freunde Jesu nicht verstehen, wie sich jemand, der solche Macht hat, wie ein Lamm zur Schlachtbank führen lässt. Dies ist ja auch noch am Vorabend seines Todes so: im Garten Gethsemane auf dem Ölberg zieht Petrus das Schwert, um seine Vorstellungen zum Durchbruch zu verhelfen.
Nach dem „Erfolg“ des Palmsonntags – die Menschen jubelten Jesus beim Einzug in Jerusalem zu – und der „Tempelaustreibung“ deutete ja alles darauf hin, dass sich Jesus nun als der Messias – gemäß den damaligen Vorstellungen – offenbaren und "politisch" aktiv werden würde. Als Messias erwartete man einen von Gott gesandten, politisch-religiösen Führer, der mit den Missständen, insbesondere der Besatzung der Römer, aufräumen würde, bei Bedarf auch mit Waffengewalt. Groß muss also die Enttäuschung gewesen sein, als die Jünger zunehmend einsehen mussten, dass Jesus keinerlei Interesse an Politik im herkömmlichen Sinn hatte ("Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört und Gott, was Gott gehört"), sich gegen jegliche politische Instrumentalisierung wehrte ("Mein Reich ist nicht von dieser Welt"), schließlich vor der Staatsmacht kapitulierte und sich töten ließ.
Gott, dessen Bote im Buch Jesaja als der kommende Friedensfürst angekündigt wird, zeigt in Jesu von Nazareth seinen absoluten Friedenswillen, indem er in der Unschuld eines neugeborenen Kindes Mensch wird und sich am Ende als erwachsener Mann unschuldig am Kreuz töten lässt. Gott erweist sich damit als völlig ideologiefrei und gibt somit der Politik ihren wahren Sinn wieder, alle im Blick zu haben, das Gemeinwohl zu fördern und nicht bloß Eigeninterssen in den Vordergrund zu rücken. Er setzt ein überdeutliches Zeichen, dass es ihm vorrangig nicht um die Veränderung von Gesellschaften und politischen Systemen geht, sondern um die Veränderung der Herzen von uns allen.
Er möchte durch sein Beispiel, dass er uns im Leben des Jesus von Nazareth gegeben hat und dessen Geburt wir in drei Wochen feiern, unser Herz berühren, damit es uns gelingt, unser begrenztes Leben anders zu sehen. Wir brauchen also nicht die ganze Welt zu retten. Es reicht, wenn wir in der Umgebung, in der wir leben, arbeiten, unsere Freizeit verbringen, es ernst meinen mit dem Frieden, mit den Menschenrechten, mit der Schöpfungsverantwortung. Denn letztendlich geht es immer um die Schöpfung, die uns von Gott zur Bewahrung übergeben wurde. Mit anderen Worten: wenn wir so leben, entdecken wir, wie alles in unserer Welt zusammenhängt.
Wir können also den Krieg in der Ukraine nicht beenden, aber wir können denen, die darunter leiden, helfen und sie so gut es geht unterstützen. Dazu gehört etwa, von dem zu teilen, was wir existentiell nicht brauchen – für die Hilfe vor Ort und um den zu uns Geflüchteten zu helfen. Dazu gehört, für eine positive Stimmung den Flüchtenden gegenüber zu sorgen, damit Menschen, die in Not zu uns kommen, sich angenommen, geschützt und sicher wissen. Dazu gehört, den Geflüchteten, denen ich im Alltag begegne, mit Freundlichkeit, Wohlwollen und Respekt gegenüberzutreten. Dazu gehört, die Ungerechtigkeit dieses Krieges beim Namen zu nennen. Was für die Ukraine gilt, gilt natürlich für alle anderen Kriegs- und Krisengebiete der Welt.
Wir können auch den Streit in der Nachbarwohnung nicht verhindern. Aber wir können in unserer eigenen Familie oder in der Gemeinschaft, in der wir leben, unseren Beitrag leisten, damit die Menschen gerne mit uns zusammen sind, dass sie Freude haben an der Begegnung mit uns, dass sie Geborgenheit erfahren. Und wir können die von einem Streit in der Nachbarschaft Betroffenen in der persönlichen Begegnung stärken, sie trösten, sie aufrichten, mit ihnen überlegen, welche Auswege aus der Gewalt es geben könnte und sie gegebenenfalls bei diesen Wegen unterstützen.
Wir können auch den Chef in der Firma nicht auswechseln, wenn dieser sich danebenbenimmt und eine Kollegin oder einen Kollegen fertigmacht. Aber wir können in unserem Einflussbereich für ein gutes Arbeitsklima sorgen, die Betroffenen stärken und in einem Zwei-Augen-Gespräch oder in anderer angemessener Weise den Chef darauf aufmerksam machen, was er mit seinem Verhalten anrichtet und was er besser machen könnte.
Immer wieder ist Zivilcourage gefragt und Mut, um für andere und für unsere christlichen Werte einzustehen. Werte, die über die Jahrhunderte hinauf unsere Gesellschaft geprägt haben. Ich bin überzeugt, dass sie trotz immer wieder auftauchender Übel die Gesellschaft zu einer besseren gemacht haben. Klar festzuhalten ist freilich: Werte gründen in einer inneren Haltung, christliche Werte daher im Vertrauen auf Gott, von dem wir sagen, er sei wie ein Vater und wir daher alle Schwestern und Brüder.
Wir österreichischen Bischöfe haben in unserem Wort zum heurigen Advent, „Werft eure Zuversicht nicht weg!“, darauf verwiesen, wie wichtig es ist, dass wir als Gesellschaft gerade wegen der großen, aktuellen Herausforderungen mehr denn je auf ein gutes Miteinander angewiesen sind und auf dieses achten müssen. Dieses gute Miteinander zeigt sich in einem Einfühlungsvermögen in die Nöte und Sorgen anderer, das mich öffnet für solidarisches Handeln, das andere aufrichtet.
Christen beziehen Kraft, Ermutigung und Zuversicht zu einem solchen Verhalten aus Ihrer Beziehung zu Gott, aus ihrem Gottvertrauen. Wir Christen sind angehalten, uns immer wieder vor Augen zu führen, dass wir alle von Gott geliebte Geschöpf sind und dass auch alle anderen Geschöpfe dieser Welt von Gott geliebte Wesen sind. Deshalb sind alle Menschen auf Augenhöhe, keiner ist wichtiger oder unwichtiger. Alle sind gleich an Würde, Rechten und natürlich auch Pflichten.
Wenn wir so zu leben versuchen, wie Jesus von Nazareth es uns gezeigt und vorgelebt hat, tragen wir zu einem guten Miteinander in unserer Gesellschaft und in der ganzen Welt bei. Wir verhelfen damit dem Frieden, der Gerechtigkeit, der Schöpfung zu mehr Entfaltung, ohne dabei dem Anspruch zu erliegen, die ganze Welt retten zu müssen.
Alles, was außerhalb unserer persönlichen Reichweite liegt, können, sollen und dürfen wir getrost im Gebet in Gottes Hände legen.
In diesem Sinne – fühlen Sie sich von Gott begleitet. Ich wünsche Ihnen SEINEN Segen bei allem, was Sie im nächsten Jahr anpacken.