Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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1. Heute hörten wir von der rechten Einschätzung von sich selbst. Wenn wir in unsere Gesellschaft blicken, glaube ich wahrzunehmen zu können - ja sogar "zu müssen"? - dass dem nicht immer der Fall ist. Was sich in diversen Foren im Internet abspielt, was sich da und dort in einer Art "Empörungskultur" entlädt, wie über andere mitunter hergezogen wird - all das ist eher der Selbstüberhöhung geschuldet, die auch dadurch entsteht, dass ich mich mit meiner Überzeugung über andere erhöhe. Obwohl ich doch wie jeder und jede mich als Ebenbild Gottes verstehen kann und darf. Erst recht, wenn wir um Christus wissen. Wir alle sind Schwestern und Brüder in IHM. (Und das sage ich, wohl wissend, dass das Leben unter Geschwistern keineswegs immer ideal verläuft. Aber das muss es auch nicht, solange es getragen ist von zuhören und Verständnis.) - Wie dieser Überhöhung zu entkommen ist? Nun, wenn wir um Gott wissen - und wir Christen leben das ja vor - dann wissen wir, dass niemand von uns der Nabel der Welt ist, sondern Gott es ist, der das Schicksal der Menschen und der Welt in Seinen Händen hält. Wir wissen uns also IHM zugeordnet und darum an den rechten Fleck im Universum gestellt. Alle einmalig und einzigartig und dementsprechend wertvoll, aber dennoch eben "nur" Mensch.
2. Das, was für Einzelne gilt, gilt auch für Gesellschaften und damit Gruppen von Menschen. Auch hier erleben wir - praktisch vor unserer Haustür - in einem Krieg eine Selbsterhöhung, die sich darin zeigt, dass einem anderen Staat das Selbstbestimmungsrecht aberkannt werden soll bzw. muss. Alles andere denn etwas Christliches wird uns da vorgelebt, wiewohl es im konkreten Fall des Krieges in der Ukraine sogar Christen sind, die gegen Christen kämpfen und dies dann da und dort dann auch noch mit "Religion" gerechtfertigt wird. - Schrecklich.
3. Schauen wir aber nicht zu weit weg. Das Gebot der Nächstenliebe, das uns allen mitgegeben ist für unser Dasein, das uns heilsam vor Selbsterhöhung und Selbstüberschätzung schützt, wenn es meint, dass wir die Nächsten lieben sollen wie uns selbst, wird ja unter vielen, die sich zu einer christlichen Kirche bekennen, nicht immer gelebt. - Wenn wir heute den Start in Ihren Seelsorgeraum feiern, dann können einige Gründe benannt werden, die zu dieser Maßnahme für unser Leben von Kirche in unserer Diözese geführt haben und die ich ihnen, weil sie uns sowieso sofort einfallen, gar nicht benennen muss. Aber zu selten wird für mich der inhaltliche Teil wahrgenommen und ausgesprochen, der genau darin liegt: Gerade in einer Zeit, in der wir auf uns selbst mehr denn je zurückverworfen sind - die Pandemie hat uns da einen zusätzlichen, leidvollen "Schubser" gegeben - gilt es für uns, die wir uns als eine gemeinsame Kirche wissen, vorzuleben, dass wir nicht dann leben, wenn wir nur auf uns schauen, sondern dann, wenn wir die Nächste und den Nächsten so lieben wie uns selbst, also auch die Pfarre unserer Nächsten wie die eigene; als eine große Gemeinschaft. Um Deinetwillen also - weil ich Dich liebe - bin ich bereit, mich hintan zu stellen; weil ich Dich im Blick habe, kann ich alles von mir geben, weil Du mein ein und alles bist. [Wer hier mit "Du" gemeint ist, ist für mich beinahe auswechselbar: meine Nachbarin oder auch Gott ...]
4. Ich bin dankbar, dass Sie diesen Inhalt unseres Zukunftsbildes nunmehr auch in konkretes Leben hier vor Ort gießen wollen. Das will zum Beispiel heißen, die vielen Möglichkeiten, Kirche hier zu leben gemeinsam im Blick zu haben und zu stärken - und das ist weit mehr als die Feier der Eucharistie. Die gemeinsame Kirche hier vor Ort ist ein großes Geschenk, gerade auch, weil Sie ein Stift haben, in dem Menschen sich um nichts anderes mühen als IHN im Blick zu haben - im Beten und Arbeiten und Studieren. Seelsorgeraum zu leben heißt auch, das, was Du kannst und gut machst, muss ich nicht gleich machen - wir sind ja als Kirche ein Leib und können uns ergänzen, ohne dass mit den Unterschieden einem gleich die Rechtgläubigkeit abgesprochen wird. Das Miteinander zu fördern heißt mehr und mehr einzutauchen darin, dass wir alle berufen sind, den Glauben miteinander zu teilen. Wenn wir uns nur den Pfarrer teilen, wird alles weniger, wenn wir den Glauben teilen wird es mehr. Gemeinsam einen größeren Raum im Blick haben, sich selbst und seine Interessen ins größere Ganze zu stellen, bedeutet auch, sich selbst als unendlich wertvoll zu wissen, aber das nicht "großmütig" vor sich her zu tragen, sondern die eigenen Begabungen ins Miteinander einzubringen. Wenn wir wirklich "katholisch" - "allumfassend" leben, dann geht es uns um alle und nicht bloß um "Auserwählte" oder solche, die mir nach dem Mund reden. - Ich muss gestehen, dass ich all diese Aspekte, die ich eben benannt habe, mitunter bei mir als Gefahren entdecke und da und dort auch in Gemeinschaften zu entdecken meine. Dabei sollen wir doch "wie Kinder" werden und das, was uns geschenkt wurde, voll Freude anderen zeigen und "zur Verfügung" stellen.
5. Auch wenn Sie sich zunächst vielleicht gewundert haben, was denn dieses Evangelium mit dem Start in den Seelsorgeraum zu tun hat - der Punkt ist genau der: In allem und jedem zunächst alles IHM - Gott - anvertrauen und damit immer sich selbst am rechten Fleck wissend füreinander und für Gott zu leben. Unaufdringlich, weil liebend, unaufgeregt, weil es unser Innerstes ist, die Nächsten so zu verstehen, aber auch konsequent im Glauben, weil wir nur so mehr und mehr authentisch werden. In Ihrem Seelsorgeraum, für Ihre Gemeinschaft wünsche ich Ihnen alles Gute und dass Gottes Segen Sie begleite bei allem Guten, das hier passiert und sich dank Ihres Tuns noch ereignen wird.