Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Vor 25 Jahren habe ich hier in Gleisdorf Primiz gefeiert. Ein Fest, das mir heute noch in Erinnerung ist. Viel hat sich seit damals getan - jede/r kann sich da wohl auch einiges davon in Erinnerung rufen. Ich möchte das heutige Miteinander und das Fest hier daher als Gelegenheit sehen, in Erinnerung zu rufen, was denn nun ein Priester in unserer Kirche ist. Wir alle tun gut daran, denn in den letzten Jahrhunderten hat sich an den Dienst und das Amt des Priesters in unserer Kirche viel angelegt, was uns derzeit wohl auch behindert, mit der Erneuerung der Kirche entsprechend voranzukommen. Und das ist weit mehr als das, was ich immer wieder höre und beinahe in jedem Interview zu beantworten habe, wenn es um den Priesterberuf geht. Als ob Erneuerung der Kirche mit der Heirat der Priester oder der Frauenfrage so einfach beantwortet wäre.
Das Zweite Vatikanische Konzil stellt die Überlegungen zum Priestertum mitten hinein in die zum "Volk Gottes". Allein das hat, meines Erachtens, noch auszulegende Bedeutung: Der Priester ist nicht "mehr" als andere Getaufte. Er ist nicht "heiliger", näher bei Gott als alle übrigen, die zur Kirche gehören. Mitunter ist mir in den vergangenen 25 Jahren, zumindest scheinbar, diese Fehlmeinung begegnet, als ob ein Priester daher immer Recht hätte; mir begegnet auch immer wieder, dass Priester selbst meinen, ob sie sich – nach üblichen Kategorien – fortschrittlich oder konservativ geben, oder auch dazu gemacht werden, dass sie was "Besseres" seien. In der Kirchenkonstitution heißt es (vgl. LG 10) einfach: "Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen [..] und das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum, unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach. Dennoch sind sie einander zugeordnet: das eine wie das andere nämlich nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christi teil." Es geht also um einen Unterschied - und "anders" zu sein heißt eben nicht "besser" oder auch nicht "schlechter" sein. Innerhalb des Volkes Gottes, das berufen ist, Gott zu dienen, braucht es eben unterschiedliche Dienste und Ämter, damit der Leib Christi entsprechend und gut leben kann.
Priester sind so verstanden jene, die den Menschen ihre Unmittelbarkeit zu Gott in Erinnerung rufen; sie stehen nicht zwischen Gott und Mensch. Irgendwie tun sich Menschen aber mit dieser Nähe zu Gott schwer, die das Christentum von Anfang an unter den Religionen auszeichnet, wohl auch deswegen, weil es alles andere als einfach ist, sich Gott gegenüber zu wissen, denn Er ist ja allmächtig - und das kann einem ja auch Angst und Schrecken einjagen. Deshalb scheint es zunächst weitaus "besser" zu sein, sich Gott eher vom "Leib zu halten". Und tatsächlich: auch heutzutage wird mit Kirche vielfach nur "Priester" und "Bischof" verbunden, also jene, die wir dann "stellvertretend" in diesen Zwischenraum hineinstellen und die damit, von uns aus betrachtet, näher bei ihm wären. Je nachdem, wie ein Pfarrer dreinschaut oder der Bischof ist, ist Kirche "lässig" oder nicht ... das sind dann Auswirkungen dieses (Miss-)Verständnisses.
Betrachten wir es als Brüder und Schwestern: Ich habe mich am Auferstandenen und seiner Botschaft zu orientieren. Der Amtsträger in der Kirche macht das zeichenhaft deutlich: der Auferstandene hat ein Wort in meinem ganz persönlichen Leben mitzureden. Und genau dies gilt nicht nur mir, sondern auch dir und dir und dir, meinem Nächsten und meiner Nächsten - so leben wir Kirche.
Gehen wir einen Schritt weiter: was macht also Kirche aus, und von daher gesehen, wie kommt eine Reform der Kirche voran? Schauen wir auf die ersten Jünger Jesu. Sie waren mit ihm unterwegs. Sie gingen durch den Karfreitag und waren nicht mehr so sicher, mit IHM unterwegs zu sein. Dann kam Pfingsten, das Geburtsfest der Kirche und kraft des Hl. Geistes konnten die Jünger nicht mehr aufhören über seine lebendige Nähe zu sprechen. Er, der Herr inmitten der Seinen ist jene Wirklichkeit, die uns am Ende der Zeiten erwartet - unser aller Ziel. Bei alledem, was sich rund um uns herum verändert: diese Wirklichkeit von Kirche wird bleiben[1]. Setzen wir also alles daran, möglichst viele solche Geburtserfahrungen von Kirche zu machen, wo also Menschen mit IHM in ihrer Mitte leben, sie sich - wie Jesus es getan hat - aufeinander einlassen. Bilden wir solche Erfahrungsräume! Lassen wir nicht voneinander, lieben wir einander! In den großen und den kleinen Ereignissen unseres Alltags. Dann entdecken wir automatisch: Kirche ist nicht etwas, das sich hinter sicheren Mauern, in Gebäuden oder in den Sakristeien abspielt: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen". Das zu leben ist überall möglich. Kirche sind dann nicht mehr nur "die in Rom" oder "der Bischof in Graz", Kirche wird dann nicht mehr enggeführt auf "Amtskirche", sondern: In den Familien, am Arbeitsplatz, in Beruf und Freizeit, mit wem auch immer: Kirche wird gelebt. Maß hierfür ist einzig und allein, dass Menschen in Jesu Namen miteinander umgehen - und nebenbei: im Wort des Evangeliums ist nicht davon die Rede, dass Jesus nur dann anwesend ist, wenn ein Priester und jemand anderer da ist, dort heißt es auch nicht, dass er nur da sei, wenn 2 oder 3 Katholiken oder 2 oder 3 Christen da sind. - Dass dieses lebendige Miteinander immer wieder sich dessen bewusst werden muss, was der tragende Grund ist, ist klar - dazu (und nur dazu!) braucht es dann den Dienst des Amtes in der Kirche, das unsere unterschiedlichen Erfahrungen von Kirche je neu auf den verweist, der unserem Dasein Orientierung gibt.
Hier hat meines Erachtens jede Frage von "Entwicklung von Kirche" anzusetzen, sofern man davon überhaupt sprechen kann, geht es uns als Kirche doch nicht um unsere Entwicklung, sondern um das Sichtbarmachen des Auferstandenen als Realität mitten unter uns. Strukturen, die diesem Leben zu dienen haben, sind demnach immer und immer wieder auf ihre Entsprechung im Evangelium hin zu überprüfen. Wenn sie nämlich nicht aus sich heraus evangelisierend sind, dann sind sie zu eliminieren. Und tatsächlich: die Form von Kirche und damit auch ihre Strukturen haben sich in der Geschichte der Kirche immer wieder radikal verändert. Und dies wird uns auch in Hinkunft nicht erspart bleiben. Strukturen aber sind nicht das Leben: so etwa ist eine "aktive Pfarre" wohl hoffentlich nicht eine, in dessen Kirchengebäude, Pfarrhof oder Pfarrheim viel veranstaltet wird, sondern wohl eine, in der die Getauften und mitten unter ihnen die Priester einander helfen, den Weg aus und im Glauben zu meistern. Dass es hierfür gut und richtig ist, auch die eine oder andere Feier, die eine oder andere Gruppe und Begegnung zu initiieren ist damit nicht ausgeschlossen. Ich bitte dennoch darum, die Gewichtungen auch schon in unserem Hirnkastl richtig zu setzen.
So Kirche zu verstehen und zu leben, würde m. E. die zunächst drängenden Fragen nach der Personalbesetzung in den Pfarren weiten. Ich bin davon überzeugt: wenn wir so Kirche leben, dann werden Menschen sich auch wieder vermehrt fragen, wie sie sich in dieser Kirche engagieren und auch, ob nicht ihr Leben und ihre Eigenschaften in einem kirchlichen Dienst entsprechend gelebt werden können. Noch einmal: Kirche ist nicht nur Pfarre. Viele leben hier, die um Jesus Christus wissen. Was hindert uns denn, jede/n von uns, einzeln und miteinander, uns in Seiner Liebe zusammen zu tun und damit den Auferstandenen als einen zu erfahren, der mit uns geht? Denn: die Ernte ist groß! Und es geht um die Ernte und nicht darum, dass wir erst säen müssen, alle möglichen Anstrengungen tätigen müssen etc. - Und fürs Ernten fehlen Arbeiter, nicht für das Säen!
Schwestern und Brüder!
Lassen wir uns aufeinander ein! Lassen wir nicht voneinander! Stärken wir einander in der uns je eigenen Berufung, die uns in Taufe und Firmung geschenkt ist! Spielen wir einander die Bälle des Lebens zu und nicht untereinander aus! Seien wir lebendige Zeugen und leben wir mit einem, der unter uns lebt!
[1] Vgl. Hemmerle, Klaus: Vorwort, in: Lubich, Chiara: Mitten unter ihnen. Der auferstandene Christus in der Gemeinschaft, München-Zürich-Wien: Neue Stadt 4. Aufl. 1989, 6.