Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Wenn ich in diesen Saal blicke, dann steht mir durch Sie und Euch unsere Kirche von Graz-Seckau vor Augen – mit Schönem und mit Schmerzen. Die mehr als 800.000 Katholiken sind hier mit ihrer je eigenen Lebens- und damit Glaubensgeschichte präsent. Mir wird aber auch die Geschichte unserer Diözese, deren Heute wir mitgestalten, deutlich, die uns bis hierher gebracht hat; die gestalten wir im Heute mit. Daher kann ich am Beginn dieses Arbeitsjahres und der Zeit meines Dienstes nicht anders als jedem und jeder "Vergelt's Gott!" zu sagen für das persönliche Mitgehen und Begleiten, für jeden Augen-Blick in dem wir jenen Menschen beistehen und auf ihrem Weg der Nachfolge Christi. Besonders aber sei an dieser Stelle meinem Vorgänger im bischöflichen Dienst gedankt, der sich selbst nicht schonend, immer und immer wieder Christus als die Mitte schlechthin von Kirche und Zeit in Erinnerung gerufen hat. "Vergelt's Gott, lieber Bischof Egon!"
Ich lade ein, - auf einige Themenbereiche zu hören, die mir im Heute wichtig scheinen,
- sich im Anschluss in kleinen Gruppen darüber auszutauschen, um für sich und die
persönliche Sendung in unserer Kirche Vorschläge zu erarbeiten, und schließlich
- sich in einem zweiten Teil des heutigen Nachmittags über manche Fragen klarer zu
werden, die einer Lösung bedürfen.
Im Übrigen: in der schriftlichen Ausfertigung des Referates, das am Ende der Woche mitgegeben wird, finden sich ausführlichere Überlegungen sowie Verweise und Hintergrundtexte, die mich zu diesen Ausführungen angeregt haben.
1. Vorbemerkungen: Werte und Haltungen im Miteinander
1.1 Vertrauen
Im vergangenen Jahr saß ich beim Herbstreferat gleichsam "auf der anderen Seite" – dass ich diese wechseln würde, hätte ich damals nicht gedacht. Ich weiß – auch aus der Erfahrung der ersten Wochen meines Dienstes als 58. Bischof unserer Diözese –, dass viele Erwartungen an mich gestellt und in mich gesetzt werden. Diese sind vielleicht die Kehrseite der vielen tausenden Glückwünsche, die ich erhalten habe. Ich weiß: ich werde und ich kann nicht alle erfüllen.
Ich gehe mit Zuversicht hinein in diesen Dienst für die Kirche in unserer Steiermark. Diese ist alles andere als blindes Vertrauen – in meinen seelsorglichen Aufgaben, in die ich bislang gesendet war, und in den Verantwortungsbereichen, die mir in den vergangenen 25 Jahren als Priester zugemutet waren, war ich zu einigem herausgefordert. Diese Zuversicht ist deswegen voller Hoffnung, weil ich mich auf Seine Nähe, Sein Mit-Uns-Sein verlasse, auch jetzt und gerade heute in den unterschiedlichen Anforderungen, die wir benennen können und wohl auch im Kopf haben.
Gerade darum bitte ich um Euer/Ihr Vertrauen. Es kann nicht gefordert, sondern nur geschenkt werden; ich werde meinen Beitrag dazu zu leisten versuchen, dass ich es auch verdiene. Bringen wir einander jenes Grundvertrauen entgegen, ohne das keine wirkliche Begegnung möglich ist. Schalten wir nach Möglichkeit nicht gleich ab, wenn da ein Gedanke vorgebracht wird, der in meiner Welt so nicht vorkommt. Nehmen wir uns als Brüder und Schwestern ernst, nicht als "die da in der Zentrale" und "die da an der Basis", nicht als "die im rechten" oder auch "die im linken" Lager. Wir wissen uns alle im Dienst an den Menschen, weil wir im Diesnt Jesu Christi stehen - und geben wir uns dieses Vor-Vertrauen, dass es dem/der Andere/n auch um genau dasselbe geht. Nehmen wir also einmal prinzipiell an, dass der/die neben mir meine eigene Ansicht ergänzt und erweitert und mich daher einlädt, dem Ganzen der Sachlage vertiefter zu begegnen, als wenn ich es allein tun würde.
Daher: Auch wenn es den ersten Schritt zu einem solchen Lebensstil von mir auf den anderen/die andere zu braucht, machen wir ihn! Es ist im Übrigen der Lebensstil Gottes, der in Jesus Christus den ersten Schritt auf uns zu gemacht hat. Und diese Art des Umgehens lebt uns im Übrigen Papst Franziskus eindrucksvoll vor[1].
1.2 Sich aufeinander einlassen[2]
Wie schon angedeutet: ich bringe aus meiner Sicht Dinge in den Weg unserer Diözese ein, über die nachzudenken ich bitte. Ich tue das in meiner Verantwortung. Ich tue das aus meiner Erfahrung und in der Art und Weise, wie ich eben gestrickt bin. Ich bitte daher, mit diesen Gedanken umzugehen, vielleicht als Erweiterung der bisherigen Ansicht, als Ergänzung, als Korrektur, als Überlegung, die bislang nicht da war, als Frucht dessen eben, was Begegnung ausmacht. Dies ist nämlich weit mehr als "Anhören des Bischofs" oder anderer Verantwortungsträger, um danach wieder zur gewohnten Tagesodnung überzugehen.
Ich glaube, dass wir ein solches Zu- und Miteinander zum Wohl der Menschen in unserer Kirche noch deutlich zu lernen haben – im Alltag und auch bei Fortbildungen, aber auch im Umgang mit Richtlinien bzw. Ordnungen. Eine permanente "Hermeneutik des Verdachts" dient niemandem, entfernt uns aber voneinander.
Wenn wir uns wirklich aufeinander einlassen, also auch in entsprechender Art und Weise Rückmeldungen geben, einander wirklich helfen auf dem gemeinsamen Weg in den Fußstapfen Christi, indem wir nicht voneinander lassen auf der Suche nach dem Willen Gottes im Heute und Hier, dann wird Kirche zu jenem Leib, der uns die je eigene Berufung, in der wir leben, zum Segen füreinander und die Welt werden lässt. Und dieses Zeugnis ist auch heute gefragt, vielleicht mehr als wir zunächst meinen wahrzunehmen. Ich werde daher viel im Land bei Euch unterwegs sein, um den Raum für ein solches Miteinander auch der Kritik zu eröffnen, damit wir Lernende sind, Seinen Willen zu suchen und zu erfüllen.
Um all das bitte ich - und wir haben diese Woche und darüber hinaus Zeit, es so zu leben und damit auch für den Auferstandenen Zeugnis zu geben, der Haupt und Herr der Kirche ist.
2. Zuhören - Wahrnehmen[3]
Im Folgenden will ich nun zu einem Dreischritt anregen, der hier nicht zur Gänze geleistet werden kann. "Zuhören - Austauschen - Vorschlagen" nennt Matthias Sellmann, Pastoraltheologe in Bochum, seine 2012 erschienene Monographie, die mir einen ans Herz gewachsenen Satz des verstorbenen Bischofs von Aachen, Klaus Hemmerle, auszudeuten scheint: "Lass mich dich lernen, dein Denken und Sprechen, dein Fragen und Dasein, damit ich daran die Botschaft neu lernen kann, die ich dir zu überliefern habe."[4] Der Dreischritt erinnert an den von Kardinal Cardijn geprägten von Sehen - Urteilen - Handeln, geht aber, auch angesichts der geänderten gesellschaftlichen und kirchlichen Rahmenbedingungen einen Schritt weiter und nimmt die heutige plurale Situation ernst, in der es alles andere als leicht ist, eine bestimmte Handlung als den richtigen Weg zu bestimmen. Darüber hinaus macht der von Sellmann eingeführte Dreischritt auch deutlich, dass in komplexer werdenden Situationen das Sehen wohl nicht immer so eindeutig ist, wie angenommen, weswegen ein intensives Zuhören Motivationen "dahinter" aufdecken hilft, über die es sich auszutauschen gilt, um für den nächsten zu setzenden Schritt etwas vorzuschlagen. Heute und hier werden wohl nur die ersten beiden Schritte angegangen werden können, den dritten, etwas konkret vorzuschlagen, lade ich ein, dort zu setzen, wohin wir gesendet sind.
Was also nehme ich wahr? Was "höre" ich derzeit in der Welt an Vorgängen? Und was "höre" ich angesichts auch all dessen, was wir uns hin auf das Diözesanjubiläum vorgenommen haben?[5] Einiges möchte ich in Übereinstimmung mit den Leitzielen des "Weg2018" unserer Diözese benennen. Ich meine, dass in diesen Vorgängen Gott selbst zu uns spricht und mahnt, uns aufeinander einzulassen und seinem Willen für diese Situationen auf die Spur zu kommen, indem wir uns darüber austauschen und danach Wege zu deren Umsetzung andenken.
2.1. Welt und Schöpfung[6]
Kurz nach meiner Weihe hat Papst Franziskus mit seiner Enzyklika „Laudato si“ einen flammenden Appell für das "gemeinsame Haus Welt" an alle Menschen gerichtet. Wir sind als Menschen in diese unsere Welt hinein gestellt und daher auch gerufen, sie nach seinem Bild und Willen zu gestalten. Wir merken auch im Eigenen unserer Erfahrungen, wie notwendig das Wahrnehmen, ja das "Hören" auf die vielen Stimmen in diesem unserem gemeinsamen Haus ist (oikos). Wir können uns nicht abschotten und bloß sezierend die eine oder andere Fragestellung analytisch behandeln: Es geht um die Welt und in ihr, um das Zueinander und Miteinander der Geschöpfe, zu denen auch wir als Menschen und Christen gehören. Vielfach macht Papst Franziskus deutlich: wenn uns die Freude des Evangeliums antreibt, dann gilt es die Menschheit im Blick zu haben und damit die Welt.[7] Für mich äußerst interessant war bei der Lektüre der Enzyklika auch die Tatsache, dass sie nicht nur eine "Öko-Enzyklika" ist, sondern durch die Zusammenschau der verschiedenen Ebenen deutlich macht, dass ökologische Fragen direkt mit sozialen und anthropologischen (Humanökologie) Fragen zusammenhängen. Diese genuine Weltsicht aus dem Evangelium heraus tut not; mehr noch: Welche Fragen kommen in uns hoch angesichts der dort zahlreich angerissenen Themenstellungen? Welche Fragen sind bei uns vordringlich und dem entsprechend in die Debatte unter uns und mit den Verantwortungsträgern vor Ort einzubringen?
"Vergelt's Gott!" all jenen in unserer Diözese, die sich in Pfarren, Gemeinschaften und auf der diözesanen Ebene mitunter auch lästig deutlich machen, was unsere Verantwortung für diese unsere Welt bedeutet. Zugleich ermuntere ich, die Zumutung unseres Papstes ernst zu nehmen und ins Bedenken für unser Kirche-Sein auf allen Ebenen deutlich mit hinein zu nehmen.
2.2. "eine" - sich verändernde - Welt
In den letzten Monaten wird uns unter anderem durch das, was Papst Franziskus "3. Weltkrieg auf Raten" nennt von der schmerzlichen Seite deutlich, dass wir uns nicht von dieser unserer Welt dispensieren können. Etwa 80.000 Asylwerbende werden heuer in Österreich erwartet. Weltweit sind etwa 60.000.000 Menschen auf der Flucht, von denen 90% in ihrer Region bleiben; rund 1.000.000 Menschen werden wohl nach Europa aufbrechen, um zu rund 500.000.000 hier Wohnenden hinzu zu kommen.[8] Ich weiß um die Emotionen, die in unserer Gesellschaft diesbezüglich hochgehen, auch weil die nötigen Differenzierungen zwischen den Frage- und Problemstellungen "Asyl" – "Zuwanderung" – "Ermöglichung von Lebensmöglichkeiten vor Ort" nur selten artikuliert werden. Auf alle Fälle aber danke ich allen, die sich hier engagieren – ob in Gesellschaft oder in unserer Kirche, weil es zunächst Menschen sind, die hilfesuchend anklopfen.[9] Zugleich bitte ich mit aller Ernsthaftigkeit darum, sich all den damit in Zusammenhang stehenden Fragen des Miteinanders und des Aufeinander-Zuzugehens zu widmen. Immer wieder.
Gott hat seine eigene Sprache und mit ihr schafft er es immer wieder, unsere Planungen und wohldurchdachten Überlegungen gehörig durcheinander zu bringen. Dies kann auch durch Herausforderungen wie der Flüchtlingsproblematik der Fall sein. Gerade hier aber braucht es Antworten, die Leid und Elend hintanhalten können.
Als Kirche in der Steiermark haben wir in guter Zusammenarbeit zwischen Caritas, Ordinariat und Pfarren einiges an Notlinderung durch Quartiersuche und Quartiergabe geleistet[10], auch das bischöfliche Spendenkonto "refugio" mit seinen dort derzeit ca. 85.700 Euro eingegangenen Euro leistet da einen Beitrag. Da wurde und wird darüber hinaus auch Geld in die Hand genommen – vor Ort und vor allem aus dem diözesanen Budget. Auch dafür ein großes "Vergelt's Gott!" Es ist hier aber auch Meinungsbildung zu betreiben – es geht um Menschen! – mit den Verantwortlichen in den Gemeinden, mit unseren Engagierten, mit der Bevölkerung. Denk-, Sprach- und Meinungszäune sind niederzureißen. Wir sind als jene gefordert, für die jeder Mensch eine unteilbare Würde hat, wenn wir uns selbst und erst recht den zu uns Menschen "heruntergekommenen Gott" ernst nehmen, und dieser ging hierfür bekanntlich bis zum Kreuz.
Ich glaube, dass wir uns den Herausforderungen, Kirche inmitten einer sich immer wieder ändernden Gesellschaft zu leben und zu erfahren wohl die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zu stellen haben. Das, was sich vor unseren Augen derzeit abspielt, ist eine Wegweisung, die es ernst zu nehmen gilt, um unsere Glaubwürdigkeit zu leben. Und das sei deutlich gemacht auch und gerade angesichts aller nur Angst benennenden und ihr entsprechend zu handelnden einladenden Appelle, die mitunter auch aus unseren eigenen Reihen kommen. Da werden wir zuweilen erneut von Menschen in anderen Verantwortungen "evangelisiert", wenn ich etwa an eine der jüngsten Stellungnahmen der deutschen Bundeskanzlerin denke.[11]
„Habt Mut!“ ruft der Prophet Jesaja (35,4), „Sagt es den Verzagten – hier ist euer Gott!“
Fürchten wir uns also nicht vor der Herausforderung, die uns zu überfordern scheint. Seien wir mutige Christen, gerufen vom Herrn, hier und jetzt das kommende Reich zeichenhaft in uns und um uns zu verwirklichen. Fürchten wir uns nicht, sondern legen wir Hand an. Legen wir den Finger in die Wunde. Christus ruft uns.
2.3. Die Frage nach dem "Ich"
Wir leben aus dem, was uns auch geistesgeschichtlich über Jahrhunderte begleitet. Dankbar atmen wir die Luft der Freiheit des Individuums, die uns schon in der Heiligen Schrift begegnet. Jeder und jede ist persönlich angesprochen von Gott, wir sind einander geschenkt und dazu berufen, dies den Menschen um uns erfahrbar zu machen.[12] Derzeit erfahren wir aber auch - wohl auch aufgrund der sich immer komplexer gestaltenden Welt - einen Schub mitunter krankhaften Individualismus', der das Heil und die Welt nur mehr bei und in sich sucht, und daher sich von den anderen abschottet[13]. Die Frage nach dem "Ich", eingebettet in das Wir, stellt sich mit Vehemenz neu.[14] Der Rückzug auf sich selbst - und davon sind nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Institutionen betroffen - scheint der einzige Ausweg zu sein.[15] Auch wenn ich nicht weiß, wer ich wirklich bin: mich abzugrenzen ist zunächst einmal das Logischste. Durch das Internet und die neuen Kommunikationsmittel und -techniken sowie die sogenannten "sozialen Medien" verstärkt sich dieses Fragen. Ich behaupte sogar, dass Unverständnis anderen gegenüber wächst – sichtbar unter anderem in den härter werdenden Tönen im Miteinander, und da meine ich nicht nur Fremdenfeindlichkeit, sondern auch den normalen Umgangston etwa unter uns. All das sage ich im Wissen um die vielen, vor allem junge Menschen, die sich engagieren und Hand anlegen, die nicht fragen, sondern einfach helfen wollen.
An dieser Stelle sage ich all jenen ein Danke, die sich in unserer Steiermark aufmachen, um Sinn und Wert zu verbreiten, um damit jenes "Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter, unendlich viel wert!" hautnah erfahrbar werden zu lassen inmitten einer Welt, die im Kleinen der Familien etc. oft schon mehr als zerrissen und uneins erscheint.
Zugleich gilt es, dem Evangelium der Liebe, die Gott ist, noch deutlicher zum Durchbruch in unserer Gesellschaft zu verhelfen, damit Identität nicht weiterhin aus Abgrenzung, sondern aus der vorangehenden Bejahung durch Gott als Hingabe erfahren wird. Was heißt dies für uns als Amtsträger in der Kirche, geweiht oder nicht, was für uns als Pfarre und Gemeinschaft, für uns als Kirche in der Steiermark?
2.4. Familie
Ein weiterer Grundton, den ich höre, ist jener der Familie. Dieser ist freilich nicht neu – in ganzheitlicher Blick auf die Botschaft der Bibel macht auch – heilsam für die heutige Debatte – deutlich, dass im Zusammenleben der Menschen in Familien Gott Heil in unterschiedlichsten Konstellationen geschaffen hat, allein der Blick auf den Stammbaum Jesu sei dazu in Erinnerung gerufen. Gelingen, Brüchigkeit und Scheitern der Keimzelle von Gesellschaft und Kirche begleiten uns die Jahrhunderte herauf.[16] An der Schwelle zur kommenden Bischofssynode, die vor allem in unseren Breiten mit vielen Erwartungen zu einigen wenigen Fragestellungen verbunden ist, wird das gesamte Feld von Ehe und Familie neu vor uns aufgebreitet.
Ein Danke hier an jene, die sich in unserer Diözese über Jahrzehnte herauf mühen, Gelingen und auch Herausforderungen in diesem sensiblen Bereich menschlichen Daseins zu begleiten; und mitunter auch feststellen (müssen): "Vielfach werden wir mit der frohmachenden Botschaft, die uns anvertraut ist, nicht gehört." Daher erwachsen mir auch hier aus dem Hinhören einige Fragen: "Ist die Rede von 'Ehe' und 'Familie' für uns als Diener und Dienerinnen der Kirche Evangelium? Oder sind wir Menschen, die nur das Scheitern im Blick haben und sich in der Meinung förmlich mitreißen lassen, sodass zunächst mal scheinbar 'alles den Bach hinuntergegangen' zu sein scheint?" Diese Frage zu stellen bedeutet für mich nicht, all den Herausforderungen auszuweichen, die sich auf dem Gebiet des Miteinanders stellen; wer meine Familie kennt und meinen Dienst, den ich die Jahre herauf so gut es geht auszuüben versuchte, der weiß auch darum, dass diese Dauerthemen für mich waren. Und gerade deswegen: Lassen wir uns wirklich auf die Vielfalt ein, die uns in den Fragen des Miteinanders von Menschen begegnet, oder meinen wir, dass Regeln, egal ob lax oder rigoristisch, angewendet und verkündet, ausreichend für ein tragfähiges Lebensfundament sind? Nehmen wir als positive Herausforderung für unser Denken und unsere Seelsorge wahr, wie viele Menschen sich nach einer stabilen Beziehung in Familie und Werten wie Treue etc. sehnen? Was bieten wir all jenen an, die das Miteinander in Liebe wagen – trotz allem, was im Umfeld des eigenen Daseins auch danebengegangen sein mag? Wo – um es provokant zu formulieren – schätzen wir, dass jene, die etwa auch bewusst "ja" sagen zu Kindern, eigentlich uns evangelisieren?
Ich habe vier Mal hingehört und Themenblöcke benannt.
Es sind keineswegs alle. Und diese sind auch alles andere als vollständig durchdekliniert.
3. Austauschen
Ich schiebe vor dem Schritt des Austauschs noch eine kurze Ergänzung ein, die mir wichtig und zugleich Erinnerung an eine Vorbemerkung vom Anfang ist.
Wie "hören" wir all das? Klar: mit unseren Erfahrungen, mit unseren Ohren und damit unserem Leben. Auch in diesen spielen sich die benannten Spannungen ab. Auch wir wissen uns mitunter ausgespannt zwischen den Anforderungen der Freude am Evangelium und den Nöten derer, die uns anvertraut sind bzw. unseren eigenen Untiefen. Ich kenne mich selbst und erkenne auch an, dass es alles andere als leicht ist, wirklich zuzuhören und die Fragestellungen, die da sind, auch an sich heran zu lassen. Mitunter passiert es gerade Verantwortungsträgern, da zu schnell zuzumachen, und ehe man es sich versieht, sind Kränkungen und Verletzungen passiert. Zuhören heißt zunächst "sich stellen", auch wenn manches dabei am eigenen Handeln hinterfragt wird.
Wenn es Grundprinzip für das Heute von Kirche ist, Gott ernst und wahr zu nehmen in alledem, was uns begegnet, dann gilt es nunmehr, den zweiten Schritt in unserem Miteinander am heutigen Nachmittag zu tun - als Inspiration, ihn auch zu Hause zu machen. Ich lade ein, sich auszutauschen. Hier ist es ein Beginnen. Es können und sollen viele solche Austauschtreffen in den Pfarren, in den Einrichtungen wo wir tätig sind, folgen. Es ist eigentlich einfach: das, was wir hören und wahrnehmen, wollen wir einander schenken – freilich in einer gewissen Haltung: nicht in der des Besserwissens, sondern im Offensein für das, was Gott in Dir angesichts dessen wirkt, was Du hörst. In der Regel des hl. Benedikt wird – um es beispielhaft anzuführen – der Abt aufgefordert, in wichtigen Entscheidungen auch den Jüngsten ernst zu nehmen und zu hören, da in ihm mitunter Gott selbst spricht.
Ich lade nunmehr also ein, das Gehörte unter einem gewissen Blickwinkel auszutauschen. Dieser wird uns im heurigen Jahr weltweit begleiten, es ist jener der Barmherzigkeit[17]. Morgen wird Pastoralamtsleiter Mag. Karl Veitschegger zu diesem von Papst Franziskus angeregten Jubeljahr sprechen. In der Barmherzigkeit wird Gottes "Ja" überraschend und in voller Freiheit, eben als Ausdruck seiner Größe und Allmacht geschenkt und damit gleichsam eine "neue Art von Gerechtigkeit" begründet, die alles andere als jene ist, die uns üblicher Weise antreibt, ganz und gar aber im Evangelium bezeugt wird.
4. Was könnte uns dienen, dies zu leben? - Vorschläge zur Konkretisierung
Zunächst: Danke für die Auseinandersetzung in den Gruppen. Wie gesagt: wir lassen uns aufeinander ein und darin bzw. dabei leben wir einen Leib – Kirche eben. Die vier Wahrnehmungen
werden uns begleiten, ebenso der Blick auf diese: als Melodie unserer Sendung, deren Grundstimme "Barmherzigkeit" heißt. Die Strukturen, in denen wir Kirche leben, sollen all das ermöglichen.
Im abschließenden Teil dieses Nachmittags möchte ich daher auf diesem Hintergrund Konkretionen vorschlagen, wie diese Art, `Kirche zu sein‘ von mir unterstützt werden kann.
4.1. Glauben – persönliche Vertiefung der Christusbeziehung
Zuallererst muss hier jene unaufgebbare Beziehung in Erinnerung gerufen werden, die uns alle leben und in unserem Dienst arbeiten lässt. Es gilt zu glauben. "No na net", höre ich einige sagen. "Wagen wir aber wirklich den Sprung, der Glauben bedeutet?" Haben wir es uns nicht in so manchem sehr zurechtgerichtet? "Paroichia", wovon sich der Begriff "Pfarre" herleitet, bedeutet wörtlich übersetzt 'Beisasse' und meint in seiner Bedeutung 'Nachbarschaft'. Eine Alternative für die Etymologie von Paroichia ist 'das Wohnen eines Fremden in einem Ort ohne Bürgerrecht'. In dieser Bedeutung (fremd, Fremde, Fremder) kommt der Begriff mehrfach im Neuen Testament vor (z. B. Lk 24,18; Apg 13,17; Eph 2,19; 1 Petr 1,17).Wie leben wir das? Was heißt in diesem Umfeld "sich selbst verlassen", also "fremd sein" und Gott alles anvertrauen? Was heißt "Glauben leben"? Es geht um mehr als Gottesdienste zu ordnen und entsprechend zu gestalten. Mitunter laufen wir meines Erachtens Gefahr, Leben der Kirche auf die Feier von Gottesdiensten zu reduzieren: Zum "Kerngeschäft" gehören wesentlich auch noch andere Standbeine dazu. Glauben bedeutet auch die Wachsamkeit, die Aufmerksamkeit für das Evangelium, ein ständiges "Auf dem Sprung sein". Ich hege den Verdacht, dass wir versucht sind, es uns "einzurichten": wir arbeiten professionell, haben Geld, wir haben großartige Strukturen und viele, die hauptamtlich für uns arbeiten. Und genau damit habe ich selbst schon einen großen Fehler gemacht: nicht "für uns", sondern "für die Menschen" muss es heißen – e s geht nicht um uns, um unseren Selbsterhalt, es geht um Gott und darum, dass Seine Herrschaft durch unser Zutun deutlicher Konturen annimmt inmitten der Menschheit, die uns umgibt. Also ist unser Dienst, uns selbst und unser Leben – ich nehme Anleihe an der Weiheliturgie – "unter das Geheimnis des Kreuzes" zu stellen. Und daraus folgt, es anderen zu ermöglichen, ihr Leben in der Nachfolge Jesu Christi dem entsprechend persönlich und als Kirche gemeinsam zu gestalten.
4.2. Glauben im Leben – Gesellschaft gestalten: Weg2018
Seit 2012 sind wir bewusst auf dem Weg hin auf das Diözesanjubiläum. Nach den ersten Jahren, die der Konzils-Relecture mit den Stichworten "Glaube" – "Hoffnung" – "Liebe" gewidmet waren, machen wir uns nun auf die zweite Hälfte dieses Weges. Zunächst ein aufrichtiges "Danke" an das Team des Weg2018, das gemeinsam mit den Abteilungen im Ordinariat in den vergangenen Jahren einige Hilfsmittel und Überlegungen für "Weg-Markierungen" vorgelegt und angeboten haben. Die Regioteams haben auf einer anderen Ebene wichtige Arbeit geleistet und meist Fragen in den Regiotagen aufs Tapet gebracht, die die Zukunft der Region betreffen. Bischofsvikar Dr. Heinrich Schnuderl ist besonders mit Aufgaben betraut, die dem Ziel, "die Gesellschaft mitgestalten" spezielles Augenmerk schenken. Ihm sei an dieser Stelle ein großes "Vergelt's Gott!" für sein Unterwegssein mit unserer Kirche gesagt.
Ich bitte an dieser Stelle nun Generalsekretär Thomas Bäckenberger uns kurz zu skizzieren, wie dieser Weg in den vor uns liegenden Jahren ausschauen könnte und wie das Team [18]um ihn hierfür der ganzen Diözese zur Seite stehen wird.
_________________________________________
Blick auf Weg2018 im Rahmen des Bischofsreferates bei der Pfarrerwoche
Von Thomas Bäckenberger
Wie der Herr Bischof schon gesagt hat, bleiben die drei Leitziele die Orientierung für unseren gemeinsamen Lern- und Experimentierprozess. Die vier von ihm genannten Themen sind so eingeordnet:
Bis 2018 wollen wir, an den Leitzielen orientiert, konkrete Früchte genießen und feiern können. Ein Beispiel für eine solche Frucht des Ziels „Seelsorge neu ausrichten“ möchte ich nennen: Die Katholische Kirche Steiermark sucht die direkte Begegnung mit den Menschen in verschiedenen Sozialformen und Milieus und geht dazu aus den gewohnten Räumen hinaus. Dazu wird es auf den unterschiedlichen Ebenen unterschiedliche Maßnahmen brauchen. Auf pfarrlicher Ebene etwas anderes als im Dekanat oder in der Region. Wieder etwas anderes auf diözesaner Ebene. All das, was wir da tun und ausprobieren, soll dargestellt und die Lernerfahrungen den anderen zur Verfügung gestellt werden.
So sollen sich die Pfarren und alle anderen pastoralen Orte von sorgsam gehüteten pastoralen Schrebergärten zu offenen Feldern entwickeln, auf denen sowohl die Anbauerfahrungen als auch die Früchte großherzig geteilt werden.
Im Johannesevangelium sagt Jesus: „getrennt von mir könnt ihr keine Frucht bringen“. Joh 15,4
Daher ist es ein wesentliches Anliegen, die Christusbeziehung bewusst zu vertiefen, weil sich daraus letztlich alle kirchliche Praxis speisen muss. Bei allen Sitzungen und Zusammenkünften wollen wir daher auch deutlicher Christus in die Mitte nehmen und nach seinem Willen fragen. Die Ikone von Christus und Abt Menas soll uns dafür ein motivierendes und herausforderndes Bild sein, in das wir uns immer wieder vertiefen. (kurze Pause zur Bildbetrachtung)
Was bedeutet das praktisch?
Die bisherige Übersicht über den Weg2018 wird an einer Stelle deutlich verändert: „Pilgern 800“ wird durch „Frucht bringen“ ersetzt.
Dieser strukturierte Lern- und Experimentierprozess wird gespeist aus:
Die gesammelten Themen werden dann vom Büroteam Weg2018 in größere Cluster zusammengefasst und den Leitzielen zugeordnet.
Danach geht es darum, die Themen zu bewerten um die Vielfalt bewältigen zu können:
Probleme Spannungen Gelungenes
lösen aushalten würdigen/feiern
nicht lösen
und auf die jeweils zuständige Ebene mit einer Definition von Vorgabe und Freiraum (fix – offen) zuzuordnen. Das ist im Jänner 2016 in einer Klausur der Steuergruppe und je einem/r VertreterIn der 8 Regionen geplant.
Manche Themen wird man in den zuständigen Foren und Gremien je nach Zuständigkeit und Betroffenheit auf Pfarr-, Dekanats- bzw. Regions- oder Diözesanebene beraten, entscheiden und umsetzen können. Bei anderen Themen wird man zum Schluss kommen, dass es noch weitere Überlegungen und praktische Experimente oder Lernprozesse braucht.
Eines dieser Themen ist, wie denn eine Pfarre in Zukunft offener, lebendiger und für mehr Menschen lebensrelevant sein kann. Dazu dient der Lernprozess „Pilotpfarren“, der von Pfarrer Hermann Glettler zusammen mit Matthias Keil und anderen initiiert wurde. Der Herbst 2015 dient der gewissenhaften Prozessvorbereitung. Danach wird entschieden ob der Prozess gestartet wird. Wenn ja, wird in den Jahre 2016 – 18 in einem Lern- und Experimentierprozess, der inhaltlich sowohl von Georg Plank und seinen Erfahrungen und Erkenntnissen aus der internationalen Kirchenentwicklung als auch von den Anliegen der teilnehmenden Pfarren (das können maximal 8 sein) gespeist wird, praktische Erkenntnisse gewonnen werden, die auch für andere Pfarren inspirierend und hilfreich sind. Eine entsprechende Basisinformation ist bei Waltraud Salzger, die eine Teilanstellung für die Projektvorbereitung hat, erhältlich.
Wenn es weitere multiplizierbare Ideen gibt, so besteht die Möglichkeit, diese ebenfalls in einem entsprechenden Rahmen auszuprobieren. Bitte einfach bei uns im Büro melden.
Zugleich sind wird am überlegen, wie wir den Schatz an positiven Kirchenerfahrungen, den es bereits gibt, gut heben und darstellen können. Denn es ist auch klar, dass wir auf einer guten Basis weiterbauen und nicht alle Räder neu erfinden müssen.
Das bedeutet also, dass diese Erfahrungen und die Erkenntnisse, die wir auf dem Weg2018 gewinnen, entweder von den jeweils zuständigen Gremien als verbindliche Bestandteile der pastoralen Praxis definiert werden müssen oder als zweite Möglichkeit, vom Bischof verordnet werden können. Die genauen Abläufe und Orte der Entscheidungsfindung werden in den nächsten Monaten festgelegt und laufend veröffentlicht. Da bitte ich auch selber immer wieder nachzuschauen, weil wir euch nicht mit dauernden Mails zuschütten wollen.
Parallel zum Lern- und Experimentierprozess beginnt im Herbst auch intensiver die nähere Vorbereitung des Jubiläumsjahres 2018. Einiges ist da schon am Laufen wie die Vorbereitung eines Kunstprojektes, die Verfassung einer Diözesangeschichte, die etliche Themen längsschnittartig über die 800 Jahre darstellen wird. Wichtig wird auch eine dezentrale Ausstellungslandschaft sein, in der wir in Zusammenarbeit mit den steirischen Museen unterschiedliche Aspekte unserer Geschichte aufzeigen wollen. Ein intensives Pilgerelement im Jubiläumsjahr ist ebenso in Überlegung wie eine Großveranstaltung am 24. Juni 2018. Und natürlich werden wir die Früchte des Weges entsprechend würdigen und feiern und davon gestärkt in eine gute Zukunft als Katholische Kirche Steiermark gehen, die dann ein noch besseres Werkzeug sein soll, die Botschaft und den Auftrag des Evangeliums lebendig werden zu lassen.
Über einige konkrete Aktionen im Herbst werde ich morgen im Rahmen der Informationen aus dem Generalvikariat noch zu sprechen kommen.
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4.3. Der Bischof auf dem Weg ...
Natürlich werde auch ich den Weg offensiv mitgehen. Da wird wohl einiges versucht werden, einiges wird sich – so denke ich – auch nach langem Nachdenken vielleicht als Irrweg herausstellen. Aber: das "heilige Experiment", das Gott mit der Kirche von Graz-Seckau gewagt hat und wagt, kann auch – vielleicht verstärkt? – von uns genutzt werden. Letzte Sicherheit werden wir in einer zutiefst durch das Vergehen dieser Welt verunsicherten Situation nie erreichen, auch deswegen, weil Gott selbst Lebendigkeit und damit wirkvoller Geist ist.
4.3.1 ... mit seinem Team
Seit 1. September ist das Team im Sekretariat und im Haushalt vollständig:
Erreichbar mittels:
4.3.2 ... in teils adaptierten Räumen
Es ist von mir, alles in allem, alles andere als "fishing for compliments", wenn ich an dieser Stelle dem technischen Direktor der Bauabteilung, Dr. Manfred Fuchsbichler, aufrichtig danke, der sich gemeinsam mit dem Hausverwalter Mag. Rolf Spiegel um diese Maßnahmen bemüht haben.
4.3.3 ... in der Diözese
Gemeinsam mit dem neuen Generalvikar, Dr. Erich Linhardt, dem ich an dieser Stelle für seine Bereitschaft, sich diesem Neuland zu stellen, besonders danke, gilt es, die Erfahrungsräume von Kirche in Pfarren, Gruppen, Gemeinden und Gemeinschaften, in kategorialen Seelsorgebereichen und Orden entsprechend den heutigen Anforderungen anzupassen.
Haben wir keine Angst zu sagen, dass etwas neu wird! Haben wir auch keine Angst davor, dass Versuche scheitern können. So etwa wird mit der Neuordnung der Grazer Stadtkirche ein für mich mutiges Experiment gewagt; ebenso sei nochmals an die vorgestellte Initiative in Richtung "missionarische Pfarren" erinnert. Immerhin hat mir genau das auch der Vertreter des Papstes in Österreich bei meiner Weihe mitgegeben.
Wenn ich in den kommenden Monaten mit den Verantwortungsträgern der Regionen in Kontakt trete, dann soll aus diesem Hinhören noch stärker der Weg in die Zukunft geschärft werden. Ich werde mich dabei den Priestern und Diakonen sowie den anderen in der Seelsorge Angestellten besonders zuwenden. Zugleich werden die in unserer Diözese Verantwortung tragenden Gremien mit zugewiesenen Fragestellungen beauftragt werden, den benannten Inhalten entsprechend „Raum“ zu geben. Unter anderem stellen sich da folgende Fragen:
4.3.4 ... mit dem Ordinariat und den Verantwortungsträgern
Das Ordinariat mit seinen Dienststellen ist nicht die "Firmenzentrale" der Diözese, es ist – wie es im Leitbild heißt – u. a. "Inspirations-, Service- und Kompetenzzentrum zum Nutzen der ganzen Diözese"[19], was natürlich mitunter auch heißen kann, an gesetzliche Grundlagen u. ä. m. erinnern zu müssen. Daher gilt es, wie überhaupt im Leben, auch hier inne zu halten, um Nachschau zu halten, wo dieses Ziel, als Amt des Ordinarius für die ganze Diözese zu arbeiten, noch weiter verbessert werden kann. Daher wird es wohl eine der vornehmsten Aufgaben unseres neuen Generalvikars sein, die bereits benannten Fragestellungen für die Diözese auch im Ordinariat entsprechend zu stellen und voranzutreiben, etwa:
4.3.5 ... mit den Pfarrern und Priestern
Als die ersten Mitarbeiter des Bischofs hoffe ich, dass die "Freude am Evangelium" durch Euch auch nach vielleicht entbehrungsreichen Jahren in der Seelsorge erhalten ist. Ich weiß: in der Gesellschaft tut sich so viel, dass es mehr als nur verständlich ist, wenn Priester glauben, wahrnehmen zu müssen, die Botschaft des Evangeliums "greife" nicht mehr. Meine Erfahrung lehrte mich zunehmend, auf das zu blicken, was ist, und gemeinsam ernsthaft nach dem zu suchen, was in dieser Situation, mit diesen Menschen in diesem Sendungsauftrag von Gott gewollt wird. Diese Aufmerksamkeit ist notwendig. Ich weiß auch, dass durch viele Veränderungen im Leben unseres Dienstes, durch die sehr geringe Zahl nachwachsender Berufungen und anderes mehr, die Herausforderungen für die Priester andere geworden sind und vielfach als Be-, wenn nicht Überlastung empfunden werden. Ich bin versucht zu sagen, dass manches in der bislang gewohnten Form, Kirche zu leben und zu gestalten nicht mehr geht. Ich sage sogleich aber auch dazu und bitte darum, eine Umkehr in den Argumenten mitzuvollziehen, damit wir nicht vom Priester her Kirche denken, gestalten und bauen, sondern von Christus her und daher von jenen, die seinen Namen tragen. Ich möchte daher für jeden von uns einige persönliche Überlegungen mitgeben:
An dieser Stelle daher aus vollstem Herzen Danke und "Vergelt's Gott!" für Euren authentisch gelebten Weg der Nachfolge und Euren Dienst, mit dem und durch den in unserer Welt ein deutliches Signal gesetzt wird, dass der Auferstandene unter uns gegenwärtig ist und lebt.
4.3.6 ... mit den anderen, die in der Seelsorge tätig sind
Hierzu nur ein Satz: bei den jeweiligen Herbstreferaten werde ich zu den weiteren Berufsgruppen in der Seelsorge genauer eingehen, die dieses Herbstreferat 2015 letztlich mosaikartig zu einem Ganzen fügen.
Ich weiß: in diesem Abschnitt wurden viele Fragen angerissen. Sie alle stehen unter dem großen Rahmen, im Heute unserer Zeit freudig Zeuge für das Evangelium zu sein. Deswegen sind diese zu stellen. Im Vertrauen darauf, dass ER die Kirche von Graz-Seckau leitet, können wir uns allen Anfragen stellen und aussetzen und müssen keine Angst haben. Denn: ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Botschaft des Evangeliums, die Botschaft der Kirche auch und gerade heute Brot für das Leben ist.[20]
5. Die Freude, heute Kirche zu sein[21]
Nun: Was heißt es, in den vielen Erfahrungsräumen von Kirche "die Freude des Evangeliums" zu leben? Was heißt "Kirche im Kindergarten", was bedeutet "der Auferstandene unter uns im Pfarrgemeinderat", was heißt es, mit dem, der lebt, die Straßen und Dörfer anzuschauen, die in unserer Gegend sind? Wie gehen wir miteinander um, wenn wir von uns sagen, dass wir unterschiedliche Stärken, Charaktere und theologische Sichtweisen haben? Setzen wir unsere Lebens-Karte auf den, der das Haupt der Kirche ist, oder sind uns unsere eigenen Überlegungen und spirituellen Wege Maß, die wir als DienerInnen in der Kirche jede und jeder für sich leben? Leben wir "im" anderen, "in" der anderen, mit der wir von Gott in dieselbe Sendung geschickt sind, und was bedeutet dieses Leben für die Konkretionen in der Pfarre? Nicht der Pfarrer, nicht der Kaplan, auch nicht jemand anderer in der Seelsorge ist der Herr der Pfarre, so wie der Bischof nicht der Herr der Kirche ist ... Sind wir wirklich dankbar dafür, dass wir in der Seelsorge der Steiermark beinahe 900 Religionslehrende, 1.800 Mitarbeitende in der Caritas, 460 Priester, 80 ständuge Diakone, 160 Pastoralassistenten, 185 PfarrsekretärInnen haben? So dicht war das Netz eigentlich selten in der Geschichte zuvor. Wenn ich dann noch die Ordens- und andere Gemeinschaften hinzunehme, die in diesem "Jahr der Orden" in die Mitte unseres Lebens von Kirche gerückt werden: da gibt es und da gilt es sehen zu lernen, wie viel Segen von diesen Gemeinschaften und Orten ausgeht – auch wenn es, was den Nachwuchs anlangt, nicht nur Freude gibt.
Brüder und Schwestern in Glauben! Gehen wir gemeinsam, gehen wir mit IHM voran in der Freude des Evangeliums! Und bitten wir jetzt um Seinen Geist für den Weg, den wir miteinander zurücklegen werden.
[1] Papst Franziskus: Evangelii Gaudium 98-101.
"Nein zum Krieg unter uns!“
98. Wie viele Kriege innerhalb des Gottesvolkes und in den verschiedenen Gemeinschaften! Im Wohnviertel, am Arbeitsplatz – wie viele Kriege aus Neid und Eifersucht, auch unter Christen! Die spirituelle Weltlichkeit führt einige Christen dazu, im Krieg mit anderen Christen zu sein, die sich ihrem Streben nach Macht, Ansehen, Vergnügen oder wirtschaftlicher Sicherheit in den Weg stellen. Außerdem hören einige auf, sich von Herzen zur Kirche gehörig zu fühlen, um einen Geist der Streitbarkeit zu nähren. Mehr als zur gesamten Kirche mit ihrer reichen Vielfalt, gehören sie zu dieser oder jener Gruppe, die sich als etwas Anderes oder etwas Besonderes empfindet.
99. Die Welt wird von Kriegen und von Gewalt heimgesucht oder ist durch einen verbreiteten Individualismus verletzt, der die Menschen trennt und sie gegeneinander stellt, indem jeder dem eigenen Wohlstand nachjagt. In verschiedenen Ländern leben Konflikte und alte Spaltungen wieder auf, die man teilweise für überwunden hielt. Die Christen aller Gemeinschaften der Welt möchte ich besonders um ein Zeugnis brüderlichen Miteinanders bitten, das anziehend und erhellend wird. Damit alle bewundern können, wie ihr euch umeinander kümmert, wie ihr euch gegenseitig ermutigt und wie ihr einander begleitet: »Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt « (Joh 13,35). Das ist es, was Jesus mit intensivem Gebet vom Vater erbeten hat: »Alle sollen eins sein … in uns … damit die Welt glaubt « (Joh 17,21). Achten wir auf die Versuchung des Neids! Wir sind im selben Boot und steuern denselben Hafen an! Erbitten wir die Gnade, uns über die Früchte der anderen zu freuen, die allen gehören.
100. Für diejenigen, die durch alte Spaltungen verletzt sind, ist es schwierig zu akzeptieren, dass wir sie zur Vergebung und zur Versöhnung aufrufen, weil sie meinen, dass wir ihren Schmerz nicht beachten oder uns anmaßen, sie in den Verlust ihrer Erinnerung und ihrer Ideale zu führen. Wenn sie aber das Zeugnis von wirklich brüderlichen und versöhnten Gemeinschaften sehen, ist das immer ein Licht, das anzieht. Darum tut es mir so weh festzustellen, dass in einigen christlichen Gemeinschaften und sogar unter gottgeweihten Personen Platz ist für verschiedene Formen von Hass, Spaltung, Verleumdung, üble Nachrede, Rache, Eifersucht und den Wunsch, die eigenen Vorstellungen um jeden Preis durchzusetzen, bis hin zu Verfolgungen, die eine unversöhnliche Hexenjagd zu sein scheinen. Wen wollen wir mit diesem Verhalten evangelisieren?
101. Bitten wir den Herrn, dass er uns das Gesetz der Liebe verstehen lässt. Wie gut ist es, dieses Gesetz zu besitzen! Wie gut tut es uns, einander zu lieben, über alles hinweg! Ja, über alles hinweg! An jeden von uns ist die Mahnung des heiligen Paulus gerichtet: » Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute! « (Röm 12,21). Und weiter: » Lasst uns nicht müde werden, das Gute zu tun « (Gal 6,9). Alle haben wir Sympathien und Antipathien, und vielleicht sind wir gerade in diesem Moment zornig auf jemanden. Sagen wir wenigstens zum Herrn: „Herr, ich bin zornig auf diesen, auf jene. Ich bitte dich für ihn und für sie.“ Für den Menschen, über den wir ärgerlich sind, zu beten, ist ein schöner Schritt auf die Liebe zu, und es ist eine Tat der Evangelisierung. Tun wir es heute! Lassen wir uns nicht das Ideal der Bruderliebe nehmen!"
[2] Mit großem Gewinn habe ich in den vergangenen Wochen meines Urlaubs Klaus Hemmerle "meditiert", dessen 1991 in St. Georgen/Längsee gehaltenen Vorträge nach seinem Tod, zum Großteil noch von ihm für die Verschriftlichung überarbeitet, herausgebracht wurden (Hemmerle, Klaus: Leben aus der Einheit. Eine theologische Herausforderung, hg. v. Peter Blättler, Freiburg i. Br. u. a.: Herder 1995). Ein Austausch und ein diesen "Visionen" entsprechender Lebensstil wird m.E. das Leben (in) der Kirche der Zukunft bestimmen müssen.
Audio-Mitschnitte der Vorträge und der Buchtext selbst können hier aus dem Internet heruntergeladen werden: http://www.klaus-hemmerle.de/index.php?option=com_content&view=article&id=192&Itemid=32 (2.8.2015)
[3] vgl. zum Dreischritt: Sellmann, Matthias: Zuhören - Austauschen - Vorschlagen: Entdeckungen pastoraltheologischer Milieuforschung, Würzburg: Echter 2012; dieses Buch ist auch als e-book erhältlich.
[4] Hemmerle, Klaus: Was fängt die Jugend mit der Kirche an? Was fängt die Kirche mit der Jugend an?, in: Internationale Katholische Zeitschrift 12 (1983) 306-317, hier: 309).
Dieser Beitrag kann hier aus dem Internet heruntergeladen werden: http://www.klaus-hemmerle.de/index.php?option=com_content&view=article&id=446:was-faengt-die-jugend-mit-der-kirche-an-was-faengt-die-kirche-mit-der-jugend-an&catid=23:aufsaetze-und-abhandlungen&Itemid=33 (2.8.2015)
[5] Hier sei an die drei Leitziele des Weges2018 erinnert, mit denen wir in unserer Diözese verschiedenes (be)wirken wollen und daher Maßnahmen und Schwerpunkte setzen:
[6] Meines Wissens wird auch der Hauptreferent dieser Pfarrerwoche, Prof. Dr. R. Siebenrock ausführlicher auf diese große Enzyklika zu sprechen kommen.
[7] Franziskus: Laudato si 14: "Ich lade dringlich zu einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten. Wir brauchen ein Gespräch, das uns alle zusammenführt, denn die Herausforderung der Umweltsituation, die wir erleben, und ihre menschlichen Wurzeln interessieren und betreffen uns alle. Die weltweite ökologische Bewegung hat bereits einen langen und ereignisreichen Weg zurückgelegt und zahlreiche Bürgerverbände hervorgebracht, die der Sensibilisierung dienen. Leider pflegen viele Anstrengungen, konkrete Lösungen für die Umweltkrise zu suchen, vergeblich zu sein, nicht allein wegen der Ablehnung der Machthaber, sondern auch wegen der Interesselosigkeit der anderen. Die Haltungen, welche – selbst unter den Gläubigen – die Lösungswege blockieren, reichen von der Leugnung des Problems bis zur Gleichgültigkeit, zur bequemen Resignation oder zum blinden Vertrauen auf die technischen Lösungen. Wir brauchen eine neue universale Solidarität. Wie die Bischöfe Südafrikas sagten, 'bedarf es der Talente und des Engagements aller, um den durch den menschlichen Missbrauch der Schöpfung Gottes angerichteten Schaden wieder gutzumachen'. Alle können wir als Werkzeuge Gottes an der Bewahrung der Schöpfung mitarbeiten, ein jeder von seiner Kultur, seiner Erfahrung, seinen Initiativen und seinen Fähigkeiten aus."
[8] So Caritas-Präsident Michael Landau im Ö1-Mittagsjournal am 22.8.2015 (http://www.kathpress.at/site/nachrichten/database/71921.html, 22.8.2015).
Der Staatssekretär des Papstes kritisierte jüngst die Polemik in der Migrationsdebatte: "Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hat zur Mäßigung in der Migrationsdebatte aufgerufen. Statt Polemik brauche Europa den Schulterschluss aller für gemeinsame Lösungen in der Flüchtlingskrise, sagte er am Samstag laut italienischen Medienberichten. Auch die Kirche müsse sich fragen, wo sie zur Verhärtung der Positionen beitrage. Sie habe aber das Recht, sich in die Debatte einzumischen, "vor allem in dem Sinne, alle zu offener Aufnahmebereitschaft zu ermutigen und dazu, keine Angst vor dem anderen zu haben, Unterschiede auszugleichen und eine gerechtere und solidarischere Welt zu bauen", so Parolin am Rande eines Besuchs in der römischen Gemelli-Klinik" (http://www.kathpress.at/site/nachrichten/database/72063.html, 3.9.2015).
[9] Vgl. dazu u. a. auch Patriarch Fouad Twal, der vor den versammelten europäischen Bischöfen im September 2015: "'Europa zeigt sich gespalten und glaubt, sich durch Stacheldrahtzäune vor diesem Phänomen schützen zu können', so das Oberhaupt der lateinischen Katholiken im Heiligen Land. Ein Migrant sei kein Problem, das es zu lösen gelte noch ein zu bekämpfender Feind oder ein Eindringling, sondern zuallererst eine konkrete Person mit einer zu respektierenden Würde, so der Jordanier". (http://www.kathpress.at/site/nachrichten/database/72390.html, 12.9.2015).
[10] Österreichweit waren wir da etwa in der Einsetzung eines "Flüchtlingskoordinators" wegweisend für Diözesen.
[11] Vgl. hierzu die Meldung in der kathpress vom 11. September: "Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Christen in Europa dazu ermutigt, ihren eigenen Gla