Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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"Auf dem Sprung sein" - so könnte eine Umschreibung für die Lebensweise der Christen genannt werden. Sie sind ja bekanntlich "in der Welt, aber nicht von der Welt". Anders ausgedrückt: ein Kennzeichen derer, die im Heute unserer Welt in den Fußspuren Jesu Christi gehen und ihr Leben gestalten wollen, ist es, sich beständig nach dem zu fragen, was jetzt dran ist. Denn: Gott und sein auferstandener Sohn sind alles andere als sparsam mit Neuem, das unser Leben prägen soll. - Hin und wieder kommt mir die Frage, ob wir unser Christsein nicht schon - zu - gut zurecht gerichtet haben.
- Wir leben in einem freien Staat, indem die Religionsausübung möglich ist - in die ganze Welt geschaut, ist zu sagen: das ist bei weitem nicht überall einfach möglich; das 20. Jahrhundert war das mit den größten Christenverfolgungen weltweit.
- Wir leben in einer gesegneten Weltgegend, in der das Christentum schon seit Jahrhunderten gesellschaftsprägend gelebt wird. Zugleich entdecken wir im Heute unserer Tage die Wanderungsbewegungen, und die demographischen Entwicklungen machen uns da einiges deutlich, dass sich diesbezüglich viel ändert, schon seit Jahrzehnten schleichend, jetzt zunehmend deutlicher. - Weltweit betrachtet ist das Christentum keineswegs überall so abgesichert wie bei uns.
- Wir leben in einem Land, in dem die Kirche ein einigermaßen sicheres Einkommen hat. Daher können viele bei uns auch ihrer Beschäftigung nachgehen. Einige tausend Menschen haben, weil es die Kirche in unserem Land gibt, einen Arbeitsplatz. - Weltweit gesehen ist das eine Sonderstellung sondergleichen: wo sonst gibt es in der Seelsorge hauptamtlich Angestellte, sodass wir sagen können: so dicht war das Netz durch Menschen, die in der Seelsorge arbeiten, eigentlich noch nie.
- Wir leben in einer Umgebung, die u. a. durch Bauwerke von christlicher Kultur seit Jahrhunderten geprägt ist. Die Pfarrstruktur macht überdies deutlich, dass wir uns zu allen in der Steiermark gesendet wissen, da es ja auch unsere Mission ist, die Frohe Botschaft allen anzusagen, allen als Möglichkeit der Lebensgestaltung vorzuschlagen.
Wir machen die Entdeckung: Uns geht es auf dem Weg der Nachfolge im Vergleich mit vielen anderen weltweit mehr als gut. Die Fragen, die uns oft bewegen, erscheinen da ggf. mitunter als "Luxus", wiewohl sie wichtige sind. Genau deswegen ist das heutige Evangelium wichtig: Warten wir wirklich auf die Rückkehr des Herrn? Lassen wir uns wirklich mitten in unserer Geschäftigkeit und im Trubel alltäglichen Kirchenlebens ein auf die Frage "Was willst du, Herr, dass ich jetzt tue? Was ist Dein Wille, Herr, für uns als Christen in genau dieser Region, denn Du wirst Dir ja was gedacht haben, wenn Du uns hierher stellst?" Leben wir also "auf dem Sprung" in unseren Pfarren und Gemeinschaften? - Ich selbst wurde noch vor einigen Jahren in einer Begegnung mit Verantwortungsträgern unserer Kirche beinahe mit "bösen Blicken" bestraft als ich es gewagt habe, die Frage zu stellen, ob denn hinter der Anfrage nach der Einsetzung dieser oder jener Institution wirklich der Wille Gottes stehe ... Paul M. Zulehner sprach schon 1989 in einem Artikel über den sogenannten 'ekklesialen Atheismus': "In der 'Versorgungskirche' seien zwar Verwaltung und auch nicht wenige Aktivitäten, dafür aber Gott und die Freude an ihm kaum mehr zu finden und zu erleben."[1] Lassen wir uns wirklich leiten von Ihm, dem lebendigen Gott? Noch einmal: "Sind wir auf dem Sprung?"
Gerade deswegen - und wir haben dies heute Nachmittag eingehend getan - ist das gemeinsame Hinhören und Wahrnehmen all dessen, was sich da vor unseren Augen in der Gesellschaft ereignet, wichtig. Auch wenn da mitunter dann Dinge benannt werden, die keineswegs alles sofort und gleich sehen: Lassen wir uns Zeit, der Realität ins Auge zu blicken. Auch da hat sich so manches getan. Um es an einem kleinen Beispiel zu erläutern: auch ich habe mir als Pfarrer damals alles andere als leicht getan, anerkennen zu müssen, dass die Kirchenzählungen alles andere als ehrlich waren. Und tatsächlich: es ist nicht leicht zu entdecken, dass trotz großem Einsatz und auch dem Einsatz von mehr und mehr Personal in der Seelsorge, der Prozess einer radikalen Veränderung an Kirchenbindung nicht aufzuhalten ist. Statt mir Vorwürfe zu machen, was ich denn alles falsch gemacht hätte oder auch zu fragen, ob denn ich und jene, die an Christus glauben, etwa auf die falsche Lebens-Karte gesetzt haben, wurde mir immer mehr bewusst: da ändert sich ohne mein bzw. unser Zutun, egal welcher Papst, egal welcher Bischof, egal welcher Pfarrer sehr viel in der Sinn-Landschaft der Menschen. Und: Kirche wird anders erlebt werden und in einer Form erscheinen (müssen) als ich sie in meiner Jugend in der Kleinstadt Gleisdorf erlebt habe; ja mehr noch: sie wird wohl nie mehr so erfahrbar sein wie zu den vermeintlich "goldenen Zeiten" nach dem Krieg. Ich machte bei mir die Entdeckung: das hat mich alles andere als beunruhigt, sondern noch mehr - ich formuliere es spirituell - "in Gott hinein" gestellt. Ich kann und darf also in jedem Augenblick meines Daseins mich mit den anderen um mich herum, die Kirche bilden, je neu auf den Weg machen um nach dem zu fragen, wie denn in meiner Sendung hinein, in diese Gegend, mit diesen Menschen Christsein, Kirchesein heute zu leben und zu gestalten ist. Ich mache daher immer mehr die Entdeckung: da ist Leben, nicht Organisation im Vordergrund, da suchen wir gemeinsam - mitunter auch hart und in Auseinandersetzung nach dem unserm Auftrag als Christen entsprechenden Weg ins Morgen. Und ich mache zunehmend die Entdeckung: da wächst manches - und das, was wegfällt, das was abnimmt, das was anders wird, schreckt mich nicht, sondern ist mir und anderen ein Hinweis darauf, dass ich wach bin, um Christus zu begegnen.
"Habt keine Angst!" Denn: "Der Herr kommt!"
[1] Bechina Friedrich: Die Kirche als 'Familie Gottes', Rom 1998, zitiert Zulehner Paul: Kirchenvision, in: StZ 207(1989) 5f.