Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Schon seit Jahrhunderten beteht diese Pfarrkirche. Menschen versammeln sich in ihr und um sie herum: Menschen aus der Gegend, "Lahme und Blinde", "Schwangere und Wöchnerinnen" [vgl. Jer 31,7], manche unter ihnen kommen wohl weinend und gehen begleitet und getröstet von Gott wieder weg. Dafür steht Kirche, nicht als Bau, sondern als Institution. Sie ist zunächst und zuallererst "Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit"[1]. Kirchen wie diese, die nunmehr mit vielen Anstrengungen innen wie außen renoviert wurde, laden mich, laden uns alle ein, unser Leben nicht bloß als eines zu begreifen, das eingepfercht zwischen Geburtsurkunde und Totenschein sein Dasein fristet. Sie laden uns ein, uns nicht "auf die verkürzte Logik der verschlossenen Gegenwart [zu] beschränken, in der wir ohne das Licht jenes Tages [des Tages der Auferstehung, des Sonntags] gefangen bleiben."[2] So hat Papst Franziskus in einer Ansprache an die neu ernannten Bischöfe des vergangenen Jahres vor etwas mehr als einem Monat es festgestellt. Er fragte mich und etwa 120 weitere Bischöfe der Weltkirche bei dieser Gelegenheit auch: "Wie können wir uns der furchtbaren Gegenwart stellen, wenn das Bewusstsein um die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft des Auferstandenen in uns verblasst?"[3]
Das Kirchengebäude ruft demnach, mitten in einer Zeit vielfältigster Herausforderungen, das Kostbarste, das wir zur Verfügung haben, in Erinnerung: den gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Papst Franziskus benannte einige herausragende Herausforderungen unserer Zeit und mir kommt vor, er hat uns heute hier in Lang im Blick, wenn er etwa meint: "Ich denke an dramatische Herausforderungen wie die Globalisierung, die das Ferne annähert und andererseits die Nahen voneinander trennt; ich denke an das epochale Phänomen der Migration, das unsere Tage erschüttert; ich denke an die natürliche Umwelt, den Garten, den Gott geschenkt hat, damit die Menschen und die anderen Geschöpfe darin wohnen, und der von kurzsichtiger und oft räuberischer Ausbeutung bedroht ist; ich denke an die Würde und an die Zukunft der menschlichen Arbeit, derer ganze Generationen, auf Statistiken reduziert, beraubt sind; ich denke an die Wüstenbildung in den Beziehungen, an die immer weiter verbreitete Verantwortungslosigkeit, an das Desinteresse an der Zukunft, an die wachsende, erschreckende Verschlossenheit; an die Verwirrung vieler Jugendlicher und an die Einsamkeit nicht weniger alter Menschen. Ich bin sicher, dass jeder von euch diese Liste der Probleme ergänzen könnte."[4]
Was also vermag der gekreuzigte und auferstandene Herr, dem wir in unserer Kirche begegnen uns heute mitzugeben? Angesichts dessen, was sich buchstäblich vor unseren Augen abspielt? Tausende sind auf dem Weg, Hunderttausende sind aus dem Elend und dem Dreck ihrer Heimat geflohen - nicht aus Jux und Tollerei haben sie sich zu diesem Schritt entschlossen, ihre Heimat mit Krieg und Elend und Not zu verlassen. Mitunter habe ich das Gefühl, dass wir in Kirche und Gesellschaft dem fast ohnmächtig gegenüberstehen, weil es uns überfordert, weil es vielen Angst macht. "Wie wird das weitergehen?", fragt man sich angesichts der Nachrichten, die davon berichten, dass sich nach wie vor Tausende aufmachen auf einen Weg der Sehnsucht nach Leben in Frieden. "Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!" (Mk 10,47.48)? klingt aus vielen der flehentliche Ruf zu Ihm hin. Und der Herr, zu dem wir an Seinem Tag, heute, gekommen sind, antwortet: "Was soll ich dir tun", Mensch (Mk 10,50)? "Ich möchte wieder sehen können", also die Wirklichkeit wahrnehmen in all ihrer Komplexität und nicht nur schwarz/weiß - und das dann glaubend, vertrauend, alles andere als weltabgewandt zu ihm hintragen.
Da gibt es also das Problem, das Krieg heißt und, wenn ich an Afrika denke, auch den Klimawandel. Nicht die Flüchtlinge sind das Problem, sondern, um es für die Kriegsgebiete zu benennen, dass es bislang nicht möglich war, für Frieden zu sorgen. Waffen und Bombardements machen alles nur schlimmer: Das Elend nimmt weiter zu. Frieden heißt den Menschen Leben ermöglichen und nicht Macht und Einfluss zu sichern. Dass dann auch noch mitunter das Religionsbekenntnis als Grund für Verfolgung und Tötung ausreicht, ist meines Erachtens genauso menschenverachtend. Wo also ist um der Menschen willen der Einsatz aller und mit allen Kräften für Frieden und Lebensmöglichkeiten gegeben? "Herr, hilf den Verantwortungsträgern die Schicksale der Menschen vor Augen zu haben und wirklich nichts anderes als diese im Blick zu haben!"
Da gibt es das Problem, das Millionen Menschen in ihrer Heimat auf der Flucht sind, zig Millionen in Flüchtlingslagern schon jahrelang vor Ort ausharren, und die Bedrängnisse in ihrer Heimat finden nach wie vor kein Ende. Schauen wir in unserer Gesellschaft wirklich hin, dass etwa in einem Land wie dem Libanon derzeit etwa 50% der Gesamtbevölkerung Flüchtlinge sind, denen Aufnahme und einigermaßen guten Schutz geboten wird? Weitere Millionen wohnen in Lagern in Jordanien und der Türkei. Und: sind unsere Staaten aktiv genug, um dem Ausharren ein möglichst lebbares Antlitz zu geben?!
Da gibt es das Problem, dass Tausende sich täglich absetzen und sich damit immensen Gefahren und vielen mit Not Geschäfte Machenden aussetzen, nur weil sie Hoffnung leben und Zukunft haben wollen. Und ein Projekt wie Europa, das – um es im Kontext unseres Glaubens zu sagen – auf das Miteinander und die Nächstenliebe baut, wird durch Eigeninteressen aufs Spiel gesetzt. Ich hoffe, dass jene die heute zu einem weiteren Gipfel zusammenkommen, das Miteinander aller ernst nehmen.
Da gibt es das Problem, dass Tausende auf der Flucht sich nunmehr auch durch unsere Heimat begeben. Unendlich viel an Hilfsbereitschaft ist vorhanden, aber auch an Sorge und Angst, wie das denn und wo das dann enden wird bzw. könnte. Und gleichzeitig kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese großen Herausforderungen nicht gemeinsam über die verschiedenen Zuständigkeitsebenen der öffentlichen Hand angegangen werden, wiewohl sich alle mühen. Da gibt es Wortwechsel und Anschuldigungen, da werden von verschiedenen Gruppen Halbwahrheiten, Gerüchte verbreitet, mitunter auch Lügen als Instrument verwendet und in (sozialen) Medien verbreitet. Die Befürchtungen steigen, der gesellschaftliche Zusammenhalt droht zu kippen, doch gemeinsame Antworten über die Grenzen eigener Interessen sind gefragt. Auch ich hab keine einfache und plakative Lösung. Das Miteinander aller (!) ist aber drängend und dringend, weil sonst auch jene wegzubrechen drohen, denen jene ein Anliegen sind, die dringend der Hilfe bedürfen.
Vieles müsste noch benannt und differenziert gesagt werden. Es ist alles andere als einfach. Aber: lassen wir uns gerade ob unseres Glaubens an den Auferstandenen, der uns eben mit seinem Wort beschenkt hat und uns nährt mit dem Brot des Lebens, von der Blindheit heilen, die die Sicht zum Nächsten verdunkelt und eintrübt. Und: nehmen wir die anderen, die "sollten und müssten" nicht zum Anlass, um uns selbst "außen vor" zu halten. Denn: er, der Auferstandene hat uns alle gerufen, ihm zu folgen, indem wir u.a. seine Worte leben: "ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht" (Mt 25,35f.). Tun wir unseren Teil - und bitten wir alle, auch im Gebet, alles Nötige zu tun, damit Frieden und Leben möglich ist.
Diese Kirche leuchtet aufs Neue u.a. deswegen ins Land hinein und sammelt Menschen von den "Enden der Erde" (Jer 31,8), um ihnen die Nähe und Liebe des dreieinen Gottes anzusagen, um uns sehend zu machen für das Leben!
[1] Zweites Vatikanisches Konzil, Lumen Gentium 1.
[2] Franziskus an die im Laufe des Jahres neuernannten Bischöfe, 10.9.2015 [http://w2.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2015/september/documents/papa-francesco_20150910_nuovi-vescovi.html, 24.10.2015]
[3] Ebd.
[4] Ebd.