Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Sehr geehrter Herr Dekan,
geschätzte ProfessorInnen und AssistentInnen der Katholischen Fakultät – allen voran Prof. Bucher mit seinen Mitarbeitenden am Institut für Pastoraltheologie als Veranstalter dieses Symposiums,
sehr geehrte Damen und Herren aus kirchlichen, politischen und gesellschaftlichen Kreisen und Sie alle, die Sie am Symposiums-Thema interessiert sind, und liebe Studierende – Ihnen allen ein herzliches Grüß Gott!
Gaudium et spes verlangt von uns Umkehr. Sie steht in Vielem noch bevor: Ihnen als Theologischer Fakultät ebenso wie mir als Bischof der steirischen Kirche. Dies zu sagen und zu behaupten, wird ohnedies von einem Bischof erwartet, sind es doch auch Worte Jesu am Beginn seines öffentlichen Auftretens. Wie sollte es auch anders sein? Wenn Papst Franziskus eine „Bekehrung des Papsttums“ fordert, dann werden auch wir nicht darum herum kommen, uns zu bekehren.
Um welche „Bekehrung“ geht es?
Papst Franziskus nennt diese in Evangelii gaudium „conversión pastoral“, also pastorale Umkehr. Gemeint ist damit die Bekehrung von der Selbstbezüglichkeit zum selbstlosen Dienst für die anderen. Diese Bekehrung ist weder für das Amt noch für die Theologie leicht, denn beiden ist die Souveränität eigen: also Unberührbarkeit, Distanz, Überlegenheit.
Unsere Stärken sind eben auch unsere Schwächen: das gewohnt selbstischere Auftreten, die gesellschaftliche Anerkennung, die Achtung, die wir aus Können und Einfluss ziehen. Und dass sich kirchliches Lehramt und wissenschaftliche Theologie in den letzten Jahrzehnten eher misstrauisch beäugten, als wirklich füreinander interessierten, das hat es nicht besser gemacht. Es hat auch uns nicht besser gemacht.
Papst Franziskus fragt uns alle, ob wir den ersten Satz von Gaudium et spes ernst nehmen: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi“ [Art 1]. Ist das so? Denken und arbeiten wir von den Sorgen und Ängsten, Freuden und Hoffnungen der Menschen heute her? Und zwar nicht nur jener, die uns irgendwie gefallen und nahe stehen, sondern aller Menschen? Oder verkommt dieser erste Satz von Gaudium et spes im kirchlichen und akademischen Normalbetrieb zu pastoraler Folklore und intellektueller Plattitüde?
„Die guten Theologen riechen, so wie die guten Hirten, nach Volk und nach Straße und salben die Wunden der Menschen mit Öl und Wein.“ Das schreibt Papst Franziskus Ihnen und mir ins Gewissen. Ja, es trifft uns beide: weder Sie als Theologen und Theologinnen, noch ich als Bischof können das guten Gewissens lesen, ohne zuzugeben: wir salben viel zu wenig die Wunden der Menschen mit Öl und Wein; wir denken viel zu viel an uns; wir riechen nicht nach Straße, sondern eben doch manchmal eher nach Weihrauch und akademischem Staub.
Freilich, diese Fakultät greift Themen auf, die „an der Zeit sind“: die neuen Ordnungen der Geschlechter etwa, das, was moderne Kunst und Kultur uns zu sagen haben, die dramatischen Entwicklungen in Südosteuropa oder die aktuellen Herausforderungen der Ethik und der europäischen Religionspluralität. Ich bin froh, eine Theologische Fakultät hier in Graz zu haben, die so ihren ausdrücklichen Anspruch, „Theologie in den Kontrasten der Gegenwart“ betreibt. Und ich bin auch froh, sagen zu können, dass zwischen der Theologischen Fakultät und der Leitung der Diözese Graz-Seckau seit langem wechselseitiger Respekt herrscht, menschlich wie institutionell. Und dennoch: Unter dem Anspruch von Gaudium et spes sollte es mehr geben als wechselseitigen Respekt: nämlich Interesse, Neugier, engen Austausch, denn wir brauchen einander, wenn wir unsere Aufgabe im und für das Volk Gottes erfüllen wollen. Wir brauchen uns, wenn wir eine Kirche hinter uns lassen wollen, „die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist“, wir brauchen uns, wenn wir eine Kirche werden wollen, die „verbeult‘ … verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist“ (vgl. Papst Franziskus).
Was Gaudium et spes will, was unser Papst verlangt, wichtiger aber noch, was das Evangelium von uns allen fordert, ist eine Kirche, die den Glauben nicht nur verkündet, sondern lebt, ganz konkret, hier und heute, als Segen für alle, als Einsatz für die Armen und Leidenden.
Papst Franziskus sagt es ohne Umschweife: „Theologie lehren und studieren bedeutet, in einem Grenzbereich zu leben, dort, wo das Evangelium auf die Nöte der Menschen trifft“.
Lassen Sie es uns angehen
- mit allem, was unser Denken hergibt,
- mit allem, was wir als Personen sind,
- in voller Freiheit, ohne Angst, voller Vertrauen
- und miteinander.