Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Diözesanbischof Dr. Wilhelm Krautwaschl, Graz-Seckau
1. Barmherzigkeit – „das pulsierende Herz des Evangeliums“
Mit dem traditionellen Wort „Barmherzigkeit“ tun sich heute viele schwer. Man denkt rasch an Almosen und milde Gaben, die – mitunter auch herablassend – gewährt werden. Aber das ist nicht die Barmherzigkeit, um die es mir heute hier geht, sondern deren Karikatur. Unter Barmherzigkeit verstehen die Bibel, und mit ihr Papst Franziskus, etwas ganz Fundamentales. Sie ist jene Liebe, die sich niemand verdienen kann, die aber jeder und jede von uns braucht: Eine Liebe, die nicht berechnet und nicht auf Gegenleistung aus ist. Eine Liebe, die aus der Mitte eines großzügigen Herzens kommt. Eine Liebe, die auch dem erwiesen wird, der nichts zurückgeben kann. Eine Liebe, die die Gerechtigkeit überbietet und auch dem, der sich verfehlt hat, ja vielleicht sogar oftmals schwer verfehlt hat, nicht entzogen wird, sondern ihm eine Tür der Hoffnung öffnet. Das meint Barmherzigkeit. Und darum sagt der Papst: „Barmherzigkeit [ist] in der Heiligen Schrift das Schlüsselwort, um Gottes Handeln uns gegenüber zu beschreiben.“ (MV 9)
Die Barmherzigkeit Gottes ist nicht bloß eine göttliche Eigenschaft unter anderen, nicht bloß eine Offenbarungswahrheit neben anderen, vielleicht wichtigeren. Sie ist auch nicht etwas, das im Zweifelsfall einer höheren Wahrheit weichen müsste. Nein, die Barmherzigkeit Gottes – so der Papst wörtlich – ist „das pulsierende Herz des Evangeliums“ (MV 12) und die „Mitte der Offenbarung Jesu Christi“ (MV 25). Sie ist gleichsam eine "Zusammenfassung des ganzen Evangeliums"[1].
Dies nimmt Papst Franziskus ernst, wenn er seine Bulle „Misericordiae vultus“ für das Heilige Jahr mit den Worten beginnt: „Jesus Christus ist das Antlitz der Barmherzigkeit des Vaters. Das Geheimnis des christlichen Glaubens scheint in diesem Satz auf den Punkt gebracht zu sein. In Jesus von Nazareth ist die Barmherzigkeit des Vaters lebendig und sichtbar geworden und hat ihren Höhepunkt gefunden. [...] Jesus von Nazareth ist es, der durch seine Worte und Werke und durch sein ganzes Dasein die Barmherzigkeit Gottes offenbart“ (MV 1).
Bekannt ist das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn (15,11-32), wo der ältere Sohn sich um seine Treue zum Vater betrogen fühlt. Der Vater sagt zum älteren: „Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden“(Lk 15,31). Der Evangelist beschreibt in einer Gleichnisreihe zunächst das verlorene Schaf (15,3-7) und dann die verlorene Drachme (15,8-10): Gottes Barmherzigkeit wird darin den Menschen, mehr noch, jenen zuteil, die als Sünder gelten. Jesus wehrt sich mit diesen Gleichnissen gegenüber Pharisäern, die ihm ankreiden, mit „Sündern und Zöllnern“ zu verkehren. Gottes Gerechtigkeit geht weiter als das Gesetz – ohne dieses aufzuheben. Gott geht es um eine „größere Gerechtigkeit“, die Barmherzigkeit.
Ich bin mir sicher, dass jede und jeder hier in diesem Raum zigmal im Leben bereits diese Art von Gerechtigkeit am eigenen Leib erfahren hat und daher auch sagen kann, ja sagen muss: „Ich lebe daraus.“ Wenn ich in mein eigenes Dasein blicke, hat die Gerechtigkeit Gottes im kleinen und im großen meines Lebens deutliche Spuren hinterlassen. Ich meine nicht die Augenblicke, in denen die eine oder andere Lehrperson mir meine Art Wissen zu Papier zu bringen bei Tests und Schularbeiten gnädigerweise nachgesehen hat. Nein, ich denke an Situationen, in denen mir Vergebung geschenkt wurde, die mir einen Neuanfang ermöglicht hat. Ich denke an so manche Ereignisse, in denen mir Eltern, Freunde oder sonst jemand am Tag nach einer gesetzten, alles andere als guten Tat, wieder erneut so entgegengetreten sind, als ob nichts zwischen uns wäre. Ich denke auch an die eine oder andere Situation, in denen ich Menschen gegenüber aus Überzeugung barmherzig zu handeln versucht habe, damit der gordische Knoten des „Wie du mir, so ich dir“ durchschlagen wurde. Als etwa im Bischöflichen Seminar nach Einzug ins renovierte Haus bei einem Lausbubenstreich in der Dusche eines Zimmers der Unterstufe der Brandmelder anging und sich trotz mehrmaliger Zusammenkunft keiner der Burschen erinnern konnte, die Dusche mit heißem Wasser laufen gelassen und die Badezimmertür fest verschlossen gehalten zu haben, habe ich ihnen gesagt: „Ok, dann werde wohl ich es gewesen sein …“. Ich habe daher die rd. 450,00 € bezahlt, die uns die Berufsfeuerwehr für den unnötigen Einsatz in Rechnung gestellt hat. –Auch nach der Bezahlung hat sich niemand geoutet. Ein ungezwungenes Miteinander wurde unter uns aber dennoch wieder ermöglicht.
So einander zu begegnen, also mit dem Motto „Wie Gott mir, so ich dir“ Menschen an- und ernst zu nehmen, ist in unserer Gesellschaft, wenn ich es recht sehe, alles andere als üblich. Um leben zu können ist aber barmherziges Umgehen miteinander notwendig. Gerade deswegen machen die zahlreichen Heilungen Jesu oder auch seine Gleichnisse, etwa von den anvertrauten Talenten (vgl. Mt 25,14-30) oder den Jungfrauen (vgl. Mt 25,1-13) deutlich, dass ein Leben und Rechnen mit Gott letztlich erst menschliches Dasein menschlich macht.
So gilt: „Barmherzigkeit ist der letzte und endgültige Akt, mit dem Gott uns entgegentritt“ (MV 3).
2. Barmherzigkeit leben – nicht nur einmal, sondern 'immer'
„Wie sehr wünsche ich mir, dass die kommenden Jahre durchtränkt sein mögen von der Barmherzigkeit und dass wir auf alle Menschen zugehen und ihnen die Güte und Zärtlichkeit Gottes bringen! Alle, Glaubende und Fernstehende, mögen das Salböl der Barmherzigkeit erfahren, als Zeichen des Reiches Gottes, das schon unter uns gegenwärtig ist“ (MV 5). „Salböl“ ist hier nicht Ausdruck für salbungsvolles religiöses Pathos, sondern meint das Öl des barmherzigen Samariters, das menschliche Wunden lindern und heilen kann.
Was uns hiermit Papst Franziskus sagt, bedeutet eigentlich nichts anderes als Kirche mitten in dieser Welt zu sein. Es bedeutet, diese Welt mit Barmherzigkeit und dem Zugehen auf alle Menschen zu „durchtränken“. Damit wird auch durch uns ein „Zeichen des Reiches Gottes, das schon unter uns gegenwärtig ist“, gesetzt. Das ist keineswegs ein Programm, das es jetzt für die Kirche einzuschalten gilt, sondern, wenn ich unseren Papst recht verstehe, der Motor unseres Glaubens, der sich seit jenem Pfingsten in Jerusalem durch die Jahrhunderte, durch die Jahrtausende im ständigen Austausch mit der Wirklichkeit wälzt. Es ist ein Prozess, gerichtet auf dieses uns versprochene Reich Gottes, der nicht duldet, sich in Nischen, gesichert durch Strategie und kluger Personalpolitik zurückzuziehen, sondern gerade, weil das Evangelium uns freudig inspiriert, hinaus, und damit auf die Menschen zuzugehen. Dieser Motor, das Evangelium selbst, durchtränkt somit unsere Wirklichkeit, und muss sich im Wechselgeld des Alltags jedes kirchlichen Handelns wiederspiegeln. Barmherzigkeit ist somit keine Motorsoftware, anfällig für Manipulation, sondern die reine liebende kinetische Energie „in die Welt“ hinein, die diese auch nachhaltig verändert – ein Moment, das wir besonders zu Weihnachten mit der Geburt Jesu Christi feiern.
Mit einer solchen Art zu leben wird einerseits nichts von der Schärfe und Kantigkeit des Evangeliums weggenommen, aber der Blick zunächst zur Gänze auf den Menschen gerichtet, um Wahrheit mit Liebe zu verbinden und damit erst dem Evangelium in seiner Fülle gerecht zu werden. Liebe ohne Wahrheit verkümmert und Wahrheit ohne Liebe zu leben ist Pervertierung dessen, was uns die Offenbarung Gottes in Christus Jesus schildert.
3. Primat der Barmherzigkeit
„Die Versuchung, stets und allein die Gerechtigkeit zu fordern, [hat] uns vergessen lassen, dass diese nur der erste Schritt ist. Dieser Schritt ist zwar notwendig und unerlässlich, aber die Kirche muss darüber hinausgehen um eines höheren und bedeutungsvolleren Zieles willen“ (MV 10). Gesetz und Gerechtigkeit sind nicht unwichtig, überflüssig oder falsch, aber sie haben nicht das letzte, alles entscheidende Wort. Darauf legt der Papst wert: Gott überbietet Gesetz und Gerechtigkeit und vollendet sie in der Barmherzigkeit. Es gilt der Primat der Barmherzigkeit. „Jesus betont, dass […] der Primat der Barmherzigkeit die Lebensregel seiner Jünger ist, so wie er es selbst bezeugt hat, als er mit den Sündern zu Tisch saß. […] Dass er Gemeinschaft hat mit denen, die nach dem Gesetz Sünder waren, lässt verstehen, wie weit Barmherzigkeit geht“ (MV 20). – „Barmherzigkeit ist der letzte und endgültige Akt, mit dem Gott uns entgegentritt“ (MV 3).
„In unserer Zeit, in der die Kirche sich der Neuevangelisierung verschrieben hat, gilt es, das Thema der Barmherzigkeit mit neuem Enthusiasmus und einer erneuerten Pastoral vorzutragen. Es ist entscheidend für die Kirche und für die Glaubwürdigkeit ihrer Verkündigung, dass sie in erster Person die Barmherzigkeit lebt und bezeugt! Ihre Sprache und ihre Gesten müssen die Barmherzigkeit vermitteln und so in die Herzen der Menschen eindringen und sie herausfordern, den Weg zurück zum Vater einzuschlagen“ (MV 12).
Wenn wir diese Worte des Papstes hören, so fällt mir als Beispiel der deutsche Sprachzirkel bei der Bischofssynode zu Ehe und Familie im vergangenen Oktober ein. In seinem Bericht ans Plenum wird dort einstimmig von allen Synodalen eine Entschuldigung verabschiedet: „Im falsch verstandenen Bemühen, die kirchliche Lehre hochzuhalten, kam es in der Pastoral immer wieder zu harten und unbarmherzigen Haltungen, die Leid über Menschen gebracht haben, insbesondere über ledige Mütter und außerehelich geborene Kinder, über Menschen in vorehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften, über homosexuell orientierte Menschen und über Geschiedene und Wiederverheiratete. Als Bischöfe unserer Kirche bitten wir diese Menschen um Verzeihung.“[2] Die Bitte um Verzeihung von Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000 ist meines Erachtens ein weiteres Beispiel für ein solches Verständnis von Kirche. Eine Kirche, die zuerst sich selbst an die Brust klopft. Papst Franziskus hebt eben daraus diesen Schatz, der uns um das Verständnis der Barmherzigkeit bereichert und keineswegs mindert.
4. Barmherzigkeit im Alltag leben – „an die Peripherie gehen“
„Wo […] die Kirche gegenwärtig ist, dort muss auch die Barmherzigkeit des Vaters sichtbar werden. In unseren Pfarreien, Gemeinschaften, Vereinigungen und Bewegungen, d. h. überall wo Christen sind, muss ein jeder Oasen der Barmherzigkeit vorfinden können“ (MV 12).
Ich bin zuerst einmal dankbar für diese vielen Oasen der Barmherzigkeit in unserem Land. In den Pfarren, Orden und Gemeinschaften, wo die Liebe kreativ zur Tat schreitet. Vorder-gründig sehen wir derzeit das viele Engagement, nicht nur in der Bereitstellung von Raum, sondern auch in den zahlreichen Gebetsinitiativen für die verfolgten Christen und für den Frieden, angesichts der rasant sich verändernden Welt, die Zustände schafft, wo Verunsicherung und Angst sich breit machen. Oasen der Barmherzigkeit werden sichtbar bei den Initiativen zur Sicherung der Menschenwürde wie durch die Caritas und Vinziwerke oder aber den vielen kirchlichen Einrichtungen, die sich weltweit für Solidarität und gelingendes Leben einsetzen. Ich sehe diese Oasen aber auch in Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern sowie in Alten- und Pflegeheimen. Auch der Religionsunterricht kann als Ort der Seelsorge mitten in einem regulierten Schulbetrieb, eine Oase der Barmherzigkeit sein. Um es mit meinem Vorgänger zu sagen: Kirche ist eine „Großmacht der Barmherzigkeit“. Und: ich will mir keine Gesellschaft ohne diese Kirche, trotz ihrer Schrammen vorstellen wollen.
Papst Franziskus fordert uns jedenfalls immer wieder auf, „an die Peripherie zu gehen“. In einem Interview mit einer Straßenzeitung in Buenos Aires (15. 3. 2015) erklärt er, was er darunter versteht: „Wenn ich von Peripherie spreche, spreche ich von Grenzen. Normaler-weise bewegen wir uns in Räumen, die wir auf gewisse Weise kontrollieren. Das ist das Zentrum. Aber wenn wir uns vom Zentrum weg bewegen, entdecken wir mehr Dinge. Und wenn wir dann von jenen Dingen, die wir entdeckt haben, wieder auf das Zentrum schauen, von unseren neuen Positionen, von dieser Peripherie, sehen wir, dass die Wirklichkeit anders ist. […] Die Wirklichkeit sieht man besser von der Peripherie als vom Zentrum. Auch die Wirklichkeit eines Menschen, [die Wirklichkeit] der existenziellen Peripherien und sogar die Wirklichkeit des Denkens. Du kannst ein sehr scharfes Denken haben, aber wenn du dann jemandem gegenüberstehst, der außerhalb dieses Denkens ist und du irgendwie die Berechtigung deines eigenen Denkens suchen musst, und zu diskutieren beginnst, dann wächst du an der Peripherie des Denkens des anderen.“
„An die Ränder gehen“ ist für Papst Franziskus ein Relationsbegriff und damit ein Begriff, der Beziehung Gestalt gibt. Als Voraussetzung gilt dafür die Mitte, die Verankerung in Jesus Christus, die das „Gehen an die Ränder“ erst möglich macht. Ein Leben, das an die „Ränder der eigenen Existenz“ geht, meint, wie wir aus einer gelebten Mitte, die unsere christliche Identität ist, mit Erfahrungen des Scheiterns, des Ungenügens, der Sünde, dem Verzweifeln – ja an uns selber – umgehen. Barmherzigkeit uns gegenüber beginnt dort, wo wir uns diese Peripherie, diese Ränder eingestehen und den Pfad der Umkehr, der Buße beschreiten. Diese Erfahrung stärkt wieder die Mitte, unsere Beziehung zu Gott, und sie lässt uns darüber sprechen, wie wir „Barmherzigkeit“ erfahren haben. Reden wir darüber, geben wir diese Erfahrung weiter und geben wir so dieser Barmherzigkeit ein Gesicht. Das „Gehen an die Ränder“ meint damit auch, anders denkenden, anders fühlenden und anders glaubenden Menschen gegenüberzustehen. Nicht so, wie gegenüber einem Objekt, das Mission verlangt, sondern das Beziehungsgeschehen ist das eigene „Wachsen an der Peripherie des Denkens des Anderen“ – ein lösendes Wort für einen Tunnelblick allzu binnen konzentrierter kirchlicher Lebenserfahrung.
Barmherzigkeit ist nichts Billiges und Blutleeres, sondern Gottes Barmherzigkeit stiftet uns an, „barmherzig wie der Vater“ zu sein und in unserer Welt zu handeln. Am Ende meiner Ausführungen will ich noch einmal den Papst zu Wort kommen lassen mit einer längeren Passage aus seiner Bulle:
5. Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit
„In diesem Heiligen Jahr können wir die Erfahrung machen, wie es ist, wenn wir unsere Herzen öffnen für alle, die an den unterschiedlichsten existenziellen Peripherien leben […]. Wie viele prekäre Situationen und wie viel Leid gibt es in unserer Welt! Wie viele Wunden sind in das Fleisch so vieler Menschen gerissen, die keine Stimme mehr haben, weil ihr Schrei, aufgrund der Teilnahmslosigkeit der reichen Völker, schwach geworden oder gar ganz verstummt ist. In diesem Jubiläum ist die Kirche noch mehr aufgerufen, diese Wunden zu behandeln, sie mit dem Öl des Trostes zu lindern, sie mit der Barmherzigkeit zu verbinden und sie mit der geschuldeten Solidarität und Achtung zu heilen. Verfallen wir nicht in die Gleichgültigkeit, die erniedrigt, in die Gewohnheit, die das Gemüt betäubt und die verhindert, etwas Neues zu entdecken, in den Zynismus, der zerstört. Öffnen wir unsere Augen, um das Elend dieser Welt zu sehen, die Wunden so vieler Brüder und Schwestern, die ihrer Würde beraubt sind. Fühlen wir uns herausgefordert, ihren Hilfeschrei zu hören. Unsere Hände mögen ihre Hände erfassen und sie an uns heranziehen, damit sie die Wärme unserer Gegenwart, unserer Freundschaft und unserer Brüderlichkeit verspüren. Möge ihr Schrei zu dem unsrigen werden und mögen wir gemeinsam die Barriere der Gleichgültigkeit abtragen […]. Es ist mein aufrichtiger Wunsch, dass die Christen während des Jubiläums über die leiblichen und geistigen Werke der Barmherzigkeit nachdenken. Das wird eine Form sein, unser Gewissen […] wachzurütteln und immer mehr in die Herzmitte des Evangeliums vorzustoßen, in dem die Armen die Bevorzugten der göttlichen Barmherzigkeit sind. Die Verkündigung Jesu nennt uns diese Werke der Barmherzigkeit, damit wir prüfen können, ob wir als seine Jünger leben oder eben nicht. […] In einem jeden dieser „Geringsten“ ist Christus gegenwärtig. Sein Fleisch wird erneut sichtbar in jedem gemarterten, verwundeten, gepeitschten, unterernährten, zur Flucht gezwungenen Leib …, damit wir Ihn erkennen, Ihn berühren, Ihm sorgsam beistehen. Vergessen wir nicht die Worte des heiligen Johannes vom Kreuz: „Am Abend unseres Lebens werden wir nach der Liebe gerichtet werden“ (MV 15). Sie gilt es zu leben (vgl. Mt 25,25ff.).
[1] https://www.kathpress.at/goto/meldung/1325372/tebartz-aeussert-sich-erstmals-wieder-barmherzigkeit-ist-alles (2. 12. 2015).
[2] http://www.dbk.de/presse/details/?presseid=2940&cHash=656e3b12f7740ef0c8c4b60e80bc295f (19. 11. 2015).