Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Papst Franziskus hat ein außerordentliches Heiliges Jahr, ein Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen. Die Heiligen Jahre knüpfen an die alttestamentliche Tradition der "Jubeljahre" an, die alle 50 Jahre begangen wurden und dem Volk des Alten Bundes, den Juden, nahegelegt wurden. Dahinter steckt wohl die Ansicht: Einmal im Leben sollte jeder Mensch die Möglichkeit haben, von neuem beginnen zu können. Deswegen ist es üblich geworden, in diesen "Jubeljahren" die Sklaven aus ihrem Dienst zu entlassen und allen die Schulden zu erlassen. An diese Tradition denkt auch die katholische Kirche, wenn sie ein "Heiliges Jahr" ausruft. Es geht um die Einladung, die Beziehung mit Gott und den Mitmenschen zu erneuern. So ist jedes Heilige Jahr eine Chance zur Vertiefung des eigenen Glaubens.
Dieses von Papst Franziskus ausgerufene Heilige Jahr hat einen besonderen Blickwinkel. Es ist der der Barmherzigkeit Gottes. Diese ist keine abstrakte Idee, die man nur philosophisch betrachten könnte, sondern eine Wirklichkeit, durch die Er Seine Liebe offenbart. Gerade in Jesus Christus begegnet uns daher der barmherzige Gott. Durch Leben, Wirken und Leiden, durch Tod und Auferstehung hat uns Jesus Christus gezeigt, wie Gott ist: barmherzig. Die Barmherzigkeit ist demnach die Mitte und der Schlüssel, das Evangelium und damit Gott zu verstehen. Und das gilt es: uns als Seine Kirche bewusst in Erinnerung zu rufen. Wir haben die Jahrhunderte herauf immer wieder diesen Wesenskern unseres Daseins verdunkelt, auch deswegen, weil wir meinten, der Wahrheit, die Gott ist, damit einen guten Dienst zu erweisen. Seine Wahrheit aber ist Hingabe, wie es uns im Mensch gewordenen Sohn deutlich gezeigt wird. Seine Wahrheit ist demnach eine Art von Gerechtigkeit, die jenseits des Messens und Wägens angesiedelt ist. Seine Wahrheit ist Liebe. Seine Wahrheit ist demnach Barmherzigkeit. Diese Wirklichkeit gilt es, uns in der Kirche des 21. Jahrhunderts bewusst und deutlich in Erinnerung zu rufen. Aber nicht nur das: es gilt, dass wir uns auf allen Ebenen der Herausforderung, die Gott selbst ist, neu stellen und dem entsprechend uns der Welt zeigen.
"Wie also steht es mit Dir und Deiner Barmherzigkeit?" ist zu fragen - jede Christin, jeden Christen. Der Papst bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt, dass die Barmherzigkeit ein Kriterium ist, an dem man erkennt, wer wirklich ein Kind Gottes ist. Das ist eine große Zumutung im tieferen Sinn des Wortes. Noch vor aller Kirchenzugehörigkeit geht es darum, die Barmherzigkeit im Alltag zu leben; es geht darum, jene Barmherzigkeit weiterzuschenken, die wir selbst von Gott empfangen haben. Ja: niemand von uns lebt aus sich allein. Jede und jeder von uns Menschen lebt, weil jemand "ja" gesagt hat zu uns, weil wir geliebt sind - von Menschen, letztlich von Gott. Unsere Berufung als Menschen und erst recht als Christen ist es demnach, Seiner Liebe in dieser Welt Hand und Fuß zu verleihen, Seine Liebe sichtbar werden zu lassen. Es gilt das, was wir Menschen uns selbst selbstverständlich persönlich zugestehen, jedem und jeder Anderen erfahrbar werden zu lassen. Denn, so sagt die Mensch gewordene Barmherzigkeit: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!" (vgl. u. a. Mk 12,31) Und: wer ist mein Nächster? Ich kann jedem, der das Antlitz Gottes als Mensch trägt, zum Nächsten werden, wenn ich jedweder Person so gegenübertrete, dass sie bis ins Letzte ihres Daseins verspürt: "Ich bin geliebt." Wenn ich also mich bis zum Äußersten bemühe, jenen innersten Kern der Personwürde durch mein Leben aufzudecken, der in jedem und in jeder schlummert und der biblisch mit dem Begriff umschrieben wird: "Gott schuf [..] den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie." (Gen 1,27).
Barmherzigkeit ist aber nicht nur ein Lebensprogramm für jede und jeden einzelnen, sondern auch für die Kirche als Ganze. Wo Kirche gegenwärtig ist, da muss die Barmherzigkeit Gottes sichtbar werden. Gerade hier knüpft Papst Franziskus an das Zweite Vatikanische Konzil an, das vor 50 Jahren beschlossen wurde. Eine der großen Fragen dieses Konzils war: "Kirche, was sagst Du von Dir selbst?" Mit dem Jahr der Barmherzigkeit möchte der Papst auf den Kern unseres christlichen Glaubens, auf die Barmherzigkeit Gottes hinweisen. Diese soll auch Kern der kirchlichen Botschaft sein. Denn welche Lehre wäre schon wirklich glaubwürdig, wenn sie nur gelehrt, aber nicht gelebt werden würde? Je konsequenter die Kirche den Kern des Evangeliums lebt, desto authentischer, überzeugender und missionarischer ist ihre Strahlkraft. - Barmherzigkeit ist darüber hinaus aber weit mehr als ein "Allerweltsbegriff", der alles zudeckt oder herablassend gewährt wird. Mit "Barmherzigkeit" wird nicht das Leben des Einzelnen oder aller vereinfacht, sie kann nicht eingemahnt oder gefordert werden, sie ist die Lebensform Gottes, die uns als "neuen Menschen" aufgegeben ist. Daher: Mühen wir uns, zu dieser inneren Einstellung unseres Menschseins und damit auch Kircheseins zu gelangen, mühen wir uns, in uns die eigentliche DNA unseres Seins wieder zu entdecken und bis in die letzten Fasern unseres Daseins durch Taten, Worte und Werke sichtbar zu machen. Leben wir das in der Taufe uns geschenkte neue Leben der Liebe!
"Barmherzig wie der Vater" ist das Motto, das uns Papst Franziskus ans Herz legt. Es ist die Aufforderung, Gott als den Barmherzigen wahrzunehmen und selbst so zu werden, wie er ist. Daran sollen uns auch die "Heiligen Pforten", die "Pforten der Barmherzigkeit" erinnern, die wir in 39 Kirchen unserer Steiermark in diesen Tagen aufmachen. Eine davon haben wir heute hier in Mariazell am Beginn dieser Feier geöffnet. Diese Pforten sind Einladung, sich mit der Barmherzigkeit Gottes, also seiner Liebe beschenken und förmlich bekleiden zu lassen: in der Stille, im Gebet, im Lesen der Heiligen Schrift, in der Mitfeier der Eucharistie und auch im Sakrament der Versöhnung. Diese Pforten sind aber auch eine Erinnerung, die von Gott empfangene Barmherzigkeit anderen Menschen weiterzuschenken. Besonders die Werke der Barmherzigkeit zeigen uns Möglichkeiten, wie wir die Barmherzigkeit im Alltag leben können.
Bitten wir Gott, dass dieses Heilige Jahr eine Zeit der Gnade werde und dass wir selbst – jede und jeder einzelne von uns und auch die Kirche als Ganze – eine "Tür der Barmherzigkeit" werden, durch die Gottesbegegnung möglich wird. Damit wir selbst und unsere Welt wahrhaft menschlich werden. Dazu helfe uns auch die Fürsprache der Gottesmutter Maria, der Magna Mater Austriae, die auch als Mutter der Barmherzigkeit verehrt wird.