Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Zum ersten Mal darf ich mit Ihnen in meinem Dienst für die Diözese Graz-Seckau über die Schwelle eines bürgerlichen Jahres schreiten. Ich danke hier meinem Amtsvorgänger, Bischof Egon Kapellari und Diözesanadministrator Heinrich Schnuderl für ihr Wirken und ihr Engagement in den Jahren herauf. - Was aber ist dieser kleine Schritt hinein in ein neues Jahr angesichts der Jahrhunderte, die unsere Kathedralkirche erlebt hat? In der Tat: Angesichts der Steine und all dessen, was diese schon erlebt haben, ist die Wegetappe, die ich bislang als 58. Bischof zurückgelegt habe, ein kleines Schrittchen - nicht mehr. Und dennoch ist zu sagen: es sind entscheidende, weil einmalige Augenblicke in der Geschichte dieser Kirche, unserer Stadt, unserer Heimat. Mehr noch: wiewohl der Schritt hinüber ins "Jahr des Herrn 2016" ein einfacher ist, muss gesagt werden: die hinter uns liegenden 365 Tage haben uns und unsere Welt anders hinterlassen, im Kleinen meines eigenen und persönlichen Daseins wie im Großen unserer unmittelbaren Heimat, ja der ganzen Welt.
Aber auch unsere Heimat musste in neue Aufträge hineinwachsen:
Auch die große Welt, unser gemeinsames Haus Erde, wurde uns immer wieder, nicht nur durch Naturkatastrophen, ins Wohnzimmer gebracht und macht uns deutlich, wie sehr die Welt eine andere ist, trotz der einfachen Schritte, die wir Tag für Tag setzen:
Vieles könnte und müsste auf den unterschiedlichen Ebenen noch gesagt und bedacht werden, doch klar ist: es hat sich Grund-legendes getan im vergangenen Jahr. Und es stellt sich auch die Frage: ist der Mensch von heute fähig, sich alledem entsprechend zu ändern?
Müssten wir am Ende dieses Jahres aber nicht auch feststellen: Hat sich der Mensch nicht schon in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sehr geändert? Hätten wir uns etwa am Beginn des Jahres die Schärfe der wörtlichen Auseinandersetzungen vorstellen können, die mehr und mehr aufbricht angesichts der sich uns stellenden Herausforderungen vor der Haustür und damit unsere Gesellschaft spaltet? Und zugleich gilt zu sagen, dass schon vor den aktuellen Ereignissen etwa zum Generationenvertrag Auseinandersetzungen geführt wurden, die unter anderem auch die Frage nach dem Schutz des Lebens am Ende irdischen Daseins immer wieder in die Debatte einbringen. -
In terroristischen Akten etwa wird auf eine abartige Weise sichtbar, dass nicht mehr der Mensch in seiner Würde als unantastbar gesehen, sondern zum bloßen Mittel verzweckt wird, eigenen wahnwitzigen Ideen zum Durchbruch zu verhelfen. Ältere unter uns wissen, dass sich auch in Wien vor einigen Jahrzehnten grausame Terrorakte ereignet haben. -
Hat sich nicht auch bei uns so manches im Verstehen und im Leben des Einsatzes für die Natur und das Leben auf unserer Erde in den letzten Jahrzehnten geändert, Gott sei Dank?! -
Sehen wir heute nicht Fragestellungen von Ehe und Familie unter ganz anderen Blickwinkeln als vor einigen Jahrzehnten, weil da so viel anders geworden ist?
All das und noch viel mehr versetzt uns verständlicher Weise in Unruhe. Eine Frage stellt sich hinter alledem meines Erachtens daher immer lauter: "Was ist der Mensch?" und: "Wer ist der Mensch?", und im Kleinen: "Wer bin ich? Und was ist der Sinn meines Daseins? Was gibt, was stiftet Identität - auch für mich?" Diese Unruhe kann sich als Angst zeigen. Sie kann sich aber auch als heilsam erweisen, weil wir uns auf der Suche wissen, unterwegs zum endgültigen Sein, unterwegs Schritt für Schritt, Jahr für Jahr.
Die Antwort auf diese Fragen wird uns als Christen in diesen Tagen gegeben: Der, von dem wir sagen, er ist der Entgrenzte schlechthin, begibt sich als Kind hinein in die Begrenztheit des Menschseins. Er ist sich nicht zu schade, von sich selbst zu sagen: "Ich anerkenne, dass ich nicht der Nabel der Welt bin. Ich bin auf den Tod hin in dieses Leben gesetzt. Es gibt Grenzen für mich und meine persönlichen Interessen, die mir Du, mein/e Nächste/r setzt."
Mitten in unserem Suchen nach dem, was wirklich zählt und bleibt, und wer ich bin bzw. wir sind, verkündet uns die Kirche als wesentlichen Auftrag des Evangeliums den Unendlichen, für den das ewige Heil Ziel allen Redens und Tuns ist. Dieser unser Gott übersteigt sich aber immer und immer wieder selbst und bindet sich radikal, mag kommen was will, in Liebe an den Menschen, um ihn zu retten. Damit macht er deutlich: "Du Mensch bist mehr als das, was dir deine Grenzen vorgeben: Du kannst und darfst Entscheidungen treffen, die dein Heute und Hier übersteigen – das erst macht dich frei vom bloßen Funktionieren in einer Gesellschaft, die vom Machen geprägt ist." Mit dem aus ewiger Liebe in der Zeit geborenen Herrn lebt Gott unter uns Menschen vor, dass er Geschöpf und zugleich Ebenbild ist.
Ihm zu folgen haben wir uns als Christen vorgenommen. Ihn zur Welt zu bringen ist unser Auftrag, im Kleinen und im Großen. Es gilt daher, ja sagen zu lernen zu dem, was uns ausmacht. Es gilt also zugleich Ja sagen zu unserer Endlichkeit, zu unseren Begrenzungen und zugleich zu dem, was uns in Liebe und Treue aus dem täglichen Einerlei hinausreißt. Nur dann also, wenn wir ja sagen können, dass wir als Menschen angesichts Gottes eigentlich nichts sind und zugleich anerkennen, dass Er es ist, der uns entgrenzen und erlösen kann, finden wir Halt in alledem, was sich rund um uns ändert und was vor sich geht. Wo wir Weihnachten ernst nehmen, also uns selbst beschränken, uns endlich machen in der Sorge für die Anderen sind wir wirklich Mensch. Und zugleich: nur dort, wo wir bereit sind uns als Getaufte und Gefirmte, als Menschen also, die den Namen dessen tragen, der als Gottmensch wie kein anderer die Welt verändert hat, uns immer wieder selbst zu übersteigen auf den/die Nächste/n hin, dort erfahren wir uns als wahre Jünger/innen Christi. Dort wissen wir auch um die Notwendigkeit der Christen in unserer Gesellschaft, dort wo wir uns ausgespannt wissen und entsprechend leben zwischen dem begrenzten Augenblick des eigenen Daseins und (zugleich!) der Unendlichkeit unserer Berufung auf ewig bekommen wir Halt, Änderungen - auch wenn sie sich dramatisch vor unseren Augen abspielen - auszuhalten.
Maria, die uns genau diese Art Mensch zu sein wie keine andere in ihrem Ja vorgelebt hat, möge uns Leitstern sein auf diesem Weg und damit deutlich machen, dass der Mensch dort Mensch ist und Halt und Identität findet, wo er sein Ja zur Endlichkeit und (!) sein Ja zur Berufung auf ewig je neu sagen und leben lernt.