Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Vor einigen Wochen war ich im Israel. Ich verbrachte dort einige Tage mit Jugendlichen aus unserer Diözese. Unser Quartier lag ganz in der Nähe des Teiches Betesda, von dem wir eben im Evangelium gehört haben. Uns wurde an dieser und den vielen anderen Stätten des Lebens das Heilige dieses Landstriches der Welt genauso bewusst wie die zahlreichen Heraus-forderungen und Spannungen, die nicht erst die letzten Jahre und Jahrzehnte das Heilige Land prägen. Wenn im heutigen Evangelium der Kranke schildert, was er selbst für sich versucht hat, um Linderung und Heil zu finden, er letztlich aber gescheitert ist, weil keiner schnell genug war, ihn zum aufwallenden Wasser zu bringen, dann könnten m. E. durchaus Pa-rallelen zu vielen Mühen gezogen werden, mit denen wir in unserer Gesellschaft und Kirche Probleme anpacken. Denn in vielen Herausforderungen, die sich uns stellen, können wir sagen: "Da mühen wir uns ab, aber uns will es nicht gelingen! Was müssten, was sollten wir tun?" Und tatsächlich: die Anstrengungen der Menschen etwa Frieden zu schaffen, damit dramatische Zustände auf den verschiedenen Kontinenten eingedämmt werden, sind zahlreich. Nur - und das wurde uns in Israel bitter bewusst: der Horizont, unter dem Menschen sich abmühen, ist von ihren eigenen Kräften begrenzt. Und damit wurde den Jugendlichen auch die traurige Erfahrung zuteil: eigentlich geht es nur darum, wer gegen wen gewinnt bzw. die Oberhand behält. Oder - um es mit einem der Jugendlichen zu sagen, der auf der Pilgerreise mit war: "Da hörst du die israelische Seite über die Konflikte, da hörst du die palästinensische Seite darüber, und dir bleibt eigentlich nur die Frage: 'Was ist [die] Wahrheit?'"
Ob nicht tatsächlich gilt: dort, wo wir Menschen nur auf uns und unsere eigenen Kräfte vertrauen, laufen wir Gefahr, einander in den Kategorien von Macht und Machtausübung zu begegnen. Die Geschichte lehrt uns dies immer wieder in verschiedenen Fragestellungen, im Kleinen wie im Großen. Es gilt, mir selbst und uns stets neu in Erinnerung zu rufen, dass wir all unsere Fragen, unser Ringen und Suchen nach Wegen des Lebens im Heute nicht bloß uns Menschen selbst zu stellen haben, um Lösungen zu finden. Es gilt vielmehr, zuallererst IHM, dem mit uns durch die Zeit gehenden Herrn, alles anzuvertrauen, IHM alles hinzuhalten, um es in der Sprache der Karmelitinnen auszudrücken. In unserer aufgeklärten Welt kann dies leicht als ein Nicht-Ernstnehmen der sich uns stellenden Wirklichkeiten interpretiert werden. Es erweist sich bei näherem Hinsehen aber als einzig tatsächlich lebbare Strategie in einer zunehmend komplexer werdenden Gesellschaft, in der sich viele die Frage stellen, ob der Mensch den sich so rasch ereignenden Veränderungen entsprechend anpassen kann.
In unserer Gesellschaft tun sich zunehmend Spalten, mitunter Gräben auf, die Einzelne in fatale Unsicherheiten bringen: "Wer bin denn nun ich als Mensch in alledem, was sich so rasant ereignet? Wo bin ich wirklich zu Hause, worauf kann ich wirklich bauen? Wie sehen real mögliche nächste Schritte in den vielen Herausforderungen aus, denen wir uns - einzeln und gemeinsam - zu stellen haben?" Ich weiß: die Anfragen werden in vielen Formulierungen gestellt, mitunter auch in so mancher scharf formulierten, ja teilweise herabwürdigenden Aussage; sie werden real oder virtuell gestellt, in dem einen oder anderen sich Bahn brechenden Ausbruch. Angst macht sich breit angesichts der Ungewissheit ob der Zukunft: Wie wird das mit Ehe und Familie, wie entwickeln sich die Fragen rund um die Geschlechterrollen? Wie wird das mit der Welt - im Kleinen und im Großen? Wie wird das mit den Migrationsströmen, wie mit den verschiedenen Generationen weitergehen? Wie wird das mit den verfolgten Christen rund um den Erdball? Wie mit den Asylwerbern? Wie geht es angesichts der Tatsache weiter, dass es bei uns immer weniger Kinder gibt? Was ist mit Arbeitslosigkeit und Wirtschaft, was mit Pflege, Gesunheit und Bildung? Was wird aus Europa? Wie geht es mit unserer Kirche weiter? Fragen über Fragen, auf die nach Antworten gesucht wird. DIe Liste damit könnte wohl noch lange fortgeführt werden. Diese Situationen können bedrängen, können aber auch gedeutet werden als "Wir sind noch nicht am Ende, wir wissen uns unterwegs, und damit auch unterwegs zum ewigen Heil."
Schwestern und Brüder!
Der, um den wir im Glauben als Christus, als Messias, den Gesalbten wissen, der also, an den wir unsere Fragen auf der Suche richten, kann uns tatsächlich mitten in all dem Unüberblickbaren Halt und (!) Orientierung geben. Denn Er, dieser Christus, ist der Entgrenzte, der sich in die Begrenztheiten menschlichen Seins begibt und sogar den Tod erleidet. Wir könnten also sagen: Mitten in unserem Suchen nach dem, was wirklich zählt und bleibt, und wer ich bin bzw. wir sind, verkündet uns die Kirche als wesentlichen Auftrag das Evangelium des Unendlichen, der die menschlichen Grenzen in sich angenommen und durch den Tod hindurch zum ewigen Heil als Ziel allen Redens und Tuns getragen hat. Dieser unser Gott übersteigt sich in der Heilsgeschichte immer und immer wieder selbst und bindet sich radikal, mag kommen was will, in Liebe an den Menschen, um ihn zu retten. Damit macht er deutlich: "Du Mensch bist mehr als das, was dir deine Grenzen vorgeben, weil ich, der schlechthin Entgrenzte sie angenommen habe.
Du kannst und darfst also Entscheidungen treffen, die dein Heute und Hier übersteigen – das erst macht dich frei vom bloßen Funktionieren in einer Gesellschaft, die vom Machen geprägt ist." - Somit lernen wir in der Zuwendung zu unserem Herrn je neu Ja sagen zu unseren Begrenzungen, unserem Anstehen und unserem Nicht-Weiter-Wissen und müssen uns nicht als Löser aller Fragen präsentieren. Zugleich vertrauen wir uns genau damit und dadurch dem an, der jenseits all dieser menschlichen Begrenztheiten und Unvollkommenheiten lebt. Er ist es, der uns in Seiner liebenden Nähe, mit Seiner Barmherzigkeit er-lösen kann, in IHM ist uns Halt in alledem geschenkt, was sich rund um uns ändert und was vor sich geht. Mit IHM und daher immer wieder neu auf IHN als Ziel von allem schauend, können wir es wagen, trotz aller Unzu-länglichkeiten und Komplexitäten, den nächsten Schritt zu tun. Lernen wir, Schwestern und Brüder, (neu?) dieses Ja zu unserer Menschlichkeit, um darin (neu?) als Glaubende vertrauend Schritte im Hier und Heute zu wagen. Ja: lernen wir neu, den Ewigen mitten unter uns zu erfahren. Denn wenn wir uns Seiner Verheißung entsprechend aufeinander einlassen (vgl. Mt 18.20), dann werden wir nicht stehen bleiben im Benennen, im Analysieren, im Suchen nach Schuldigen, im Probleme Wälzen oder auch subtil bzw. offensichtlich uns "über andere erheben" und meinen, den allein selig machen-den Weg für diese oder jene Fragestellung zu kennen.
Ich habe meine Überlegungen mit der Erfahrung eines Jugendlichen angesichts des Unheils im Heiligen Land begonnen. Ich möchte mit einer anderen Erfahrung enden, die ich vergangene Woche in Graz gemacht habe, und die mir das soeben Gesagte verdeutlicht: über 200 Schülerinnen und Schüler eines Grazer Gymnasiums, in dem viele unterschiedli-che Nationen und damit auch Religionen präsent sind, haben sich an einem Projekt beteiligt, das dem Miteinander und dem mit unseren menschlichen Kräften schier Unerreichbaren des Friedens und der Einheit der Welt auseinandergesetzt hat. Gemeinsam mit der Gruppe Genrosso haben sie innerhalb einer Woche das Musical "streetlight" erarbeitet und mehrmals aufgeführt. Ich selbst war bei der Premiere dabei und habe dabei erahnt, was sich hier zwischen den oft und oft im Schulalltag nebeneinander dahin Lebenden in den paar Tagen gemeinsamer Auseinandersetzung und gemeinsamem Daseins ereignet haben muss, indem gemeinsam an einer Geschichte von Streit und Konflikt zwischen Rassen und Jugendbanden im Amerika der späten 60iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gearbeitet wurde. Mitten in dem, was uns tagaus, tagein unsere eigenen Grenzen aufzeigt, mitten in all den Fragestellungen des "Wie geht es weiter?" wurde in dieser Woche für diese jungen Menschen ein Stück weit Heil sichtbar und erfahrbar. ER, unser Herr, hat ihnen geholfen, die uns immer wieder neu auf dem Boden niederhaltende Bahre des Nebeneinanders zu nehmen und aufrecht miteinander in die Zukunft zu gehen.
Leben wir mitten in dieser Welt mit IHM, dem Auferstandenen!