Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Das Evangelium ist bekannt. Wir haben es schon oft gehört. Und dennoch: Es ist für jede/n von uns immer wieder eine neue Herausforderung. Für mich ist jedes Mal interessant, dass Jesus den jungen Mann fragt, wer denn dem Überfallenen zum Nächsten geworden ist. Das heißt: wir können einander zum Nächsten werden! Die Richtung, und damit der Blickwinkel, wird im heutigen Evangelium umgedreht und damit wird der Frage des Gesetzeslehrers eine interessante Wendung gegeben.
Ja, Schwestern und Brüder: wir können einander Nächste werden. Gerade das bringen wir heute an diesem schönen Tag mit unseren gemeinsamen Feiern deutlich zum Ausdruck. Wo auch immer wir uns aufhalten: wir können einander so begegnen, dass wir füreinander Nächste sind! Nicht nur hier, direkt an der Grenze unserer beiden Länder und Diözesen, die eine lange gemeinsame Geschichte und damit auch viel Miteinander trotz der unterschiedlichen Territorien teilen. Der tiefste Grund dafür ist meines Erachtens, dass wir als Menschen und durch die Taufe einander Brüder und Schwestern sind, weil wir um den einen Gott wissen und darum, dass er aller Menschen Vater ist und sich allen gegenüber wie eine Mutter verhält, die sich um ihre Kinder kümmert.
Wie sehr, gerade an diesem Ort, diese Wirklichkeit unseres gemeinsamen christlichen Glaubens deutlich wird! Wir können nicht in der einen Welt, die unser gemeinsames Haus ist, so tun, als ob wir nichts miteinander zu tun hätten. Wir sind berufen, füreinander immer mehr und immer deutlicher geschwisterliches Dasein zu leben. Es gilt, nicht voneinander zu lassen; es gilt, sich immer wieder und aufs Neue als Menschen zu verstehen, die ernst machen damit, dass wir rund um die Welt, hier in Europa, aufeinander verwiesen sind und daher eingeladen, immer mehr und stärker alle (!) zu lieben.
Wie wohltuend und wie notwendig doch jene Worte sind, die wir eben in der 1. Lesung gehört haben! Sie machen deutlich, dass wir als Menschen des 21. Jahrhunderts gut daran tun, um Gott zu wissen. Der Glaube an ihn, also das Vertrauen, dass Er der Herr der Welt ist, verhilft uns dazu, in der wirklich rechten Art und Weise mit alledem, was uns in dieser Welt begegnet, umzugehen. Wenn wir wirklich unseren Glauben leben, dann machen wir damit deutlich, dass wir auf Seine Stimme hören und Seine Gebote halten wollen. Wir tun dies im Wissen, dass damit der Mensch am rechten Fleck steht und nicht hypertroph sich aufzuspielen beginnt als der Nabel der Welt, als das Nonplusultra über den Nachbarn, über die Menschen neben mir.
Wie schön es doch ist, den neben mir tatsächlich als Bruder und Schwester zu sehen und nicht nur als Untergebenen er Beherrschenden. Nur wenn und weil wir um Gott wissen und an ihn glauben, ist dies möglich. All zu schnell sind wir - ohne die Anhänglichkeit an Gott - versucht, einander nicht auf Augenhöhe, sondern in Abhängigkeitsverhältnissen zu begegnen. Nur der Glaube an Gott macht es möglich, dass wir Hass und Streit überwinden zwischen Völkern und Nationen, nur der Glaube an Gott macht es letztlich möglich, dass wir uns als Brüder und Schwestern in der einen Welt begegnen, die uns vom Schöpfer anvertraut ist.
Wie sehr wir doch die Erinnerung an die Konsequenzen nötig haben, die sich aus dem Glauben an den einen Gott ergeben, auch wenn wir uns einzugestehen haben, dass auch Christen die Geschichte herauf oft weit hinter dem eben geäußerten Anspruch zurück geblieben sind. Das "Projekt Europa", das in diesen Wochen in vieler Munde ist, ist aus diesem Grund konzipiert worden: die Erfahrung von Kriegen mit tragischsten Ausmaßen hat Politiker veranlasst, diese Wege einzuschlagen. Wir sind heute erneut darauf angewiesen, uns diesem (!) unserem Glauben entsprechend in die Gesellschaft einzubringen, damit nicht aufs Neue der Mensch beginnt, gegen den anderen aufzutreten.
Wir haben heute einen "Tag an der Grenze" verbracht. Das Bild der Grenze hat mich dabei nicht losgelassen. Es beinhaltet mehrere Dinge. Auf zwei möchte ich aufmerksam machen.
Das Phänomen Grenze bedeutet zunächst: "Ich bin ich". Wir kennen dies, da wir ja auch unsere Grundstücke und andere Dinge, die uns gehören, einzäunen. Wir nehmen Pflöcke zur Hand und schlagen sie ein, um deutlich zu machen: "Das gehört zu mir". Irgendwie klingt das nach: "Das bin nun ich - und der Rest geht mich nichts an". Bei einem solchen Lebensstil ist es eigentlich verständlich, dass der einzige sichere Punkt mein Ich ist und daher sich auch alles nach mir zu richten hat. Begegnung auf Augenhöhe ist dann eigentlich nicht möglich, da ich selbst das Maß aller Dinge bin.
Dasselbe Phänomen Grenze kann aber auch bedeuten: "Ich bin nicht du". Es ist eben ein Unterschied zwischen mir und dir - und wir beide sind unverwechselbar, jede/r von uns einzigartig. Das aber macht uns fähig, weil ich eben nicht auf mich allein konzentriert bin, zu lieben. Liebe ist die "Grenzüberschreitung" schlechthin und ermöglicht Miteinander trotz der Verschiedenheiten.
Im heutigen Evangelium wird dies auch deutlich: zwei sind nur auf sich konzentriert, wiewohl sie vom heiligen Dienst kommen. Tod scheint die unausweichliche Folge zu sein. Dann kommt jemand, der die Grenzen überschritten hat - als Mann aus Samarien darf er sich keinem Juden nähern - und liebt: er wird zum Retter. Die Person schlechthin, von der wir einen solchen Lebensstil aussagen, ist Jesus Christus: Er war wie Gott, hielt aber nicht daran fest, Gott zu sein, Er wurde aus Liebe Mensch und hat, obwohl er dafür den Weg ans Kreuz zu gehen hatte, genau damit und darin das Heil dem Menschen gebracht.
?Wir haben einen "Tag an der Grenze" verbracht, damit wir - neu (?) - uns festmachen in der Liebe zueinander und trotz unserer Verschiedenheiten gemeinsam als Schwestern und Brüder unsere Lebens-Wege beschreiten.
L1: Dtn 30,10–14;
L2: Kol 1,15–20;
Ev: Lk 10,25–37