Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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1. "Jesus Christus ist das Antlitz der Barmherzigkeit des Vaters. Das Geheimnis des christlichen Glaubens scheint in die-sem Satz auf den Punkt gebracht zu sein. In Jesus von Nazareth ist die Barmherzigkeit des Vaters lebendig und sichtbar geworden und hat ihren Höhepunkt gefunden." (Misericordiae Vultus 1)
So beginnt unser Papst die Bulle, mit der er das Außerordentliche Jubiläumsjahr der Barmherzigkeit ankündigt. Am heutigen Abend möchte ich mit Ihnen und vor Ihnen kurze Gedanken zur Barmherzigkeit, ohne die niemand von uns leben könnte, anstellen. - Tatsächlich: in Jesus Christus ist das, was unseren Glauben ausmacht, auf den Punkt gebracht. Es geht nichts an ihm vorbei. Das dürfen und das müssen wir uns als Christen ständig in Erinnerung rufen. Zum Einen deswegen, weil wir alle dadurch stets neu Maß nehmen können und dürfen an einer Art zu leben, die wir alle nötig haben, nämlich das eigene Dasein an Gott und Seinem Willen zu orientieren. Zum Anderen deswegen, weil wir als Menschen immer wieder Gefahr laufen, die eigenen Gedanken über die Gestaltung unserer Welt zum Nonplusultra zu erheben. Damit aber – und die Geschichte spricht davon deutlich – erheben sich Menschen über andere, meinen Macht ausüben zu dürfen und zu müssen, werden Kriege geführt, bricht - mit einem Wort gesprochen - Zwietracht und Unheil herein. – Wie wohltuend es doch gerade angesichts der mitunter aus den Fugen geratenen Welt zu sein scheint, um jemanden zu wissen, zu dem ich immer wieder und trotz allem kommen kann. Wie freimachend doch unser Glaube ist! Wir dürfen uns mit allem, was uns ausmacht, dem Herrlichen und dem, was unvollkommen und daneben gegangen ist, an unseren Herrn und Gott wenden. Er streicht nichts weg von dem, was mangelhaft und unfertig ist, denn seine Gerechtigkeit heißt Barmherzigkeit und stif-tet Leben. Dank sei Gott!
2. "Wie sehr wünsche ich mir, dass die kommenden Jahre durchtränkt sein mögen von der Barmherzigkeit und dass wir auf alle Menschen zugehen und ihnen die Güte und Zärtlichkeit Gottes bringen! Alle, Glaubende und Fernstehende, mögen das Salböl der Barmherzigkeit erfahren, als Zeichen des Reiches Gottes, das schon unter uns gegenwärtig ist." (Miser. Vultus 5)
Wie wahr, wie wahr! Ja, Schwestern und Brüder: Nehmen wir als Christen im Heute unserer Tage ernst, dass wir IHN, den barmherzigen Gott, zur Welt bringen sollen. Das ist unsere Berufung: Maria zu sein! Sie hat Christus zur Welt gebracht und damit den Himmel gleichsam auf der Erde erfahrbar gemacht. – Wie sehr wir genau das brauchen! Wie erbärmlich sich doch mancherorts, nicht nur real, sondern auch virtuell, Menschen zueinander verhalten und einander "zum Wolf" werden. Beinahe täglich können wir davon in den Medien erfahren. Den Lebensstil, Gott zur Welt zu bringen, hat unser Planet daher äußert nötig! Schauen wir auch auf uns selbst und fragen wir uns: Wird Er, der Barmherzige, durch unser Denken, unser Reden und Tun erfahrbar, angreifbar? – Ja, natürlich –; wenn leider auch immer auffallender wird, dass jene, die einen solchen Lebensstil an den Tag legen, als "Gutmenschen" verunglimpft werden – "Gutmensch" war auch das Unwort des Jahres 2015. Aber seien wir uns doch ehrlich: ohne Gerechtigkeit, Toleranz, Mitmenschlichkeit, Rücksichtnahme und vieles andere mehr, ohne Barmherzigkeit, könnte heute niemand von uns hier sein. Leben wir also hinkünftig immer mehr nicht nach dem Motto: "Wie du mir, so ich dir", sondern nach dem einzig wahren Göttlichen und zugleich Menschlichen: "Wie Gott mir, so ich Dir!" Die Welt hat danach Sehnsucht, das ist meine tiefste Überzeugung. – Daher auch an dieser Stelle ein großes "Dank sei Gott", dass wir um einen wirklichen alternativen Lebensstil in dieser und für diese, unsere Welt wissen. Und daher auch ein großes "Vergelt's Gott!" an unseren Papst, der uns an das Wesent-liche erinnert.
3. "Die Versuchung, stets und allein die Gerechtigkeit zu fordern, [hat] uns vergessen lassen, dass diese nur der erste Schritt ist. Dieser Schritt ist zwar notwendig und unerlässlich, aber die Kirche muss darüber hinausgehen um eines hö-heren und bedeutungsvolleren Zieles willen. Auf der anderen Seite ist es traurig ansehen zu müssen, wie die Erfahrung der Vergebung in unserer Kultur immer seltener wird. Sogar das Wort selbst scheint manchmal zu verschwinden." (Misericord. Vultus 10)
Menschen sind schon eigenartige Geschöpfe: Wir verwechseln immer wieder, dass Recht etwas Anderes ist als Gerechtigkeit; im Staat wird eben Recht und nicht Gerechtigkeit gesprochen. Und: wir meinen, wenn der Gerechtigkeit Genüge getan ist, ist alles getan worden, was möglich ist. Papst Franziskus erinnert uns eindringlich daran: es braucht Vergebungsbereitschaft, damit wir uns als Menschheit auf der einen Welt auch in Zukunft auf Augenhöhe begegnen (können). – Wie nötig doch ich Vergebung habe, wie nötig doch jeder und jede von uns Vergebung hat! Der Mensch kann und darf nicht zum Objekt irgendwelcher beliebiger Berechnungen werden, er hat eine unaufkündbare Würde von Anfang an bis zu seinem Ende. Und wir alle sind einander aufgegeben!
Wer also wartet auf meinen ersten Schritt, damit Leben neu möglich wird im Kleinen und im Großen? Gott hat sich ja auch nicht im Himmel zurückgehalten angesichts der Menschen, die einander mehr und mehr unverständlich und in Machtkategorien begegnet sind. Er war sich nicht zu stolz, sondern machte in Liebe den ersten Schritt auf uns, die Menschheit zu: in Jesus Christus ist er, die Liebe schlechthin, einer von uns geworden. Und so – von innen heraus – hat er uns befähigt, wie Gott selbst zu sein und immer mehr ihm ähnlich zu leben. Gott sei Dank wissen wir um diesen Gott!
4. "In unserer Zeit, in der die Kirche sich der Neuevangelisierung verschrieben hat, gilt es, das Thema der Barmherzigkeit mit neuem Enthusiasmus und einer erneuerten Pastoral vorzutragen. Es ist entscheidend für die Kirche und für die Glaubwürdigkeit ihrer Verkündigung, dass sie in erster Person die Barmherzigkeit lebt und bezeugt! Ihre Sprache und ihre Gesten müssen die Barmherzigkeit vermitteln und so in die Herzen der Menschen eindringen und sie herausfordern, den Weg zurück zum Vater einzuschlagen." (Misericordiae Vultus 12)
Wenn das für alle gilt, dann eben auch für uns als Christen. Und gerade wir in der Kirche haben uns, das ruft uns unser Papst in Erinnerung, "gehörig am Riemen zu reißen"! Wie oft doch in der Geschichte der Kirche ob einer falsch verstandenen Sehnsucht, den wahren und rechtmäßigen Glauben zu verteidigen, Christen an Menschen schuldig geworden sind und damit das Antlitz Gottes in dieser Welt verdunkelt, ja verstellt haben, wiewohl sie aus durchaus nachvollziehbaren Motiven gehandelt haben mögen. Barmherzigkeit bedeutet ja nicht, dass einem alles egal ist, sondern: Weil ich dich liebe bin ich bereit, trotz allem (!), das benannt werden kann und benannt werden muss, tagaus, tagein einen "Pakt der Barmherzigkeit" zu schließen, dir also jeden Tag aufs Neue so zu begegnen, als wäre es das erste Mal. Ein solcher Lebensstil ist weit herausfordernder, als jemanden nach einer gewissen Zeit, vielleicht sogar nach menschlichen Kriterien berechtigt, abzuschreiben. Denn: verzeihen löscht nicht aus, was war, benennt es sogar in aller Deutlichkeit, eröffnet aber neuen Lebensraum in die Zukunft und ein Miteinander, das für menschliches Dasein lebensnotwendig ist.
Gott sei Dank ist es uns möglich, neu zu beginnen – auch wenn es zunächst gegen jede Logik zu sein scheint.
5. "Die erste Wahrheit der Kirche ist die Liebe Christi. Die Kirche macht sich zur Dienerin und Mittlerin dieser Liebe, die bis zur Vergebung und zur Selbsthingabe führt. Wo also die Kirche gegenwärtig ist, dort muss auch die Barmherzigkeit des Vaters sichtbar werden. In unseren Pfarreien, Gemeinschaften, Vereinigungen und Bewegungen, d. h. überall wo Christen sind, muss ein jeder Oasen der Barmherzigkeit vorfinden können." (Misericordiae Vultus 12)
Wir können und dürfen unendlich dankbar sein für so viele Oasen, die das neue Leben aus Christus in unseren Breiten sichtbar machen: in Pfarren, in Gemeinschaften, in Orden – vielfach schreitet - organisiert oder nicht, wahrgenommen oder im Stillen - Liebe kreativ zur Tat. Da wird gebetet, da wird Raum zur https://1drv.ms/f/s!AkBhuXdGi1WXgf1scikfTgEyertV-QVerfügung gestellt für Menschen in Not, ohne lange zu fragen. Da leben wir nicht achtlos aneinander vorbei, weil wir uns als Christen weltweit als Brüder und Schwestern verstehen und daher uns niemand fremd ist und das Schicksal von ihnen unser eigenes Leben ist. Angesichts einer Welt, die sich um uns herum rasend verändert, machen viele erste, machen viele kleine Schritte, um Verunsicherung oder auch Angst zu nehmen. Oasen der Barmherzigkeit werden sichtbar bei den Initiativen zur Sicherung der Menschenwürde wie durch die Caritas und Vinziwerke oder den vielen kirchlichen Einrichtungen, die sich weltweit für Solidarität und gelin-gendes Leben einsetzen. Ich sehe diese Oasen aber auch in Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern sowie in Alten- und Pflegeheimen. Auch der Religionsunterricht kann als Ort der Seelsorge mitten in einem regulierten Schulbetrieb, eine Oase der Barmherzigkeit sein. Ich will mir keine Gesellschaft ohne diese Kirche, trotz ihrer Schrammen, vorstellen wol-len. Werden wir darin noch kreativer, noch deutlicher und noch ehrlicher! Jede und jeder lebt und feierte diesen Abend heute mit, weil wir -zig Mal Barmherzigkeit in unserem eigenen Dasein erfahren haben. Und: "Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen!" (Mt 7,12).