Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Beim "Forum für Arbeit und Bildung" des gleichnamigen Fonds unserer Diözese gab es diesen Impuls:
Das deutsche Wirtschaftsmagazin „brand eins“ betitelte seine Ausgabe vom März 2017 mit den Worten: „Neue Arbeit…ist mehr als alte Arbeit mit Internetanschluss“. Die Ausgabe widmet sich dann in weiterer Folge verschiedenen aktuellen Entwicklungen in den Bereichen Führungs- und Arbeitskultur, Personalwesen und humanistisch sowie monetär nachhaltigem Wirtschaften.
Diese und viele andere aktuelle Publikationen machen deutlich, dass die Arbeitswelt in einem starken Veränderungsprozess begriffen ist. Dieser beschränkt sich nicht darauf, vorhandene Schemata lediglich zu optimieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Das ist natürlich notwendig, aber nicht ausreichend. Ebenso wenig beschränkt sich eine solche Veränderung darauf, bestehende Regelwerke zu verfeinern und so einen latenten oder ausgesprochenen Protektionismus zu bedienen.
Auch die verschiedenen Themen der heutigen Veranstaltung bringen deutlich zum Ausdruck, dass sich in der Arbeitswelt und der sie umgebenden Bildungsgesellschaft ein grundlegender Perspektivenwechsel vollzieht. Dieser kann aus meiner Sicht mit den Begriffen Individualisierung, Kurzlebigkeit, Flexibilität, Internationalisierung und Unübersichtlichkeit charakterisiert werden.
Als Kirche ist es nicht unsere Aufgabe, tagespolitische Fragen zu kommentieren oder konkrete wirtschafts- und bildungspolitische Maßnahmen zu fordern bzw. zu kommentieren. Das ist Aufgabe des demokratischen Prozesses und der verschiedenen Expert/innen in der Zivilgesellschaft. Diese verfügen auch über das nötige Detailwissen, um einzelne Maßnahmen möglichst ideologiefrei evaluieren zu können.
Papst Benedikt XVI., dessen 90. Geburtstags wir vor einigen Tagen (mit-)feiern konnten, hat diese unaufgebbare katholische Dimension in seiner ersten Enzyklika „Deus Caritas est“ – Gott ist Liebe – wie folgt beschrieben: „Die gerechte Ordnung der Gesellschaft und des Staates ist zentraler Auftrag der Politik. Ein Staat, der nicht durch Gerechtigkeit definiert wäre, wäre nur eine große Räuberbande, wie Augustinus einmal sagte“ (DC 28).
Vielmehr ist es als Kirche unsere Aufgabe, das Ganze des Menschen und seiner Welt im Blick zu haben und inspiriert vom Evangelium grundlegende Prinzipien in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen und dafür aktiv zu werben. „Die unmittelbare Aufgabe, für eine gerechte Ordnung in der Gesellschaft zu wirken, kommt dagegen eigens den gläubigen Laien zu. Als Staatsbürger sind sie berufen, persönlich am öffentlichen Leben teilzunehmen“ (DC 28). Ich bin sehr dankbar für die vielen Einzelpersonen und Gruppen, die das haupt- und ehrenamtlich in unserer Kirche tun.
Die Katholische Soziallehre ist die Bündelung dieser Prinzipien über den Alltag hinaus. Sie will „schlicht zur Reinigung der Vernunft beitragen und dazu helfen, dass das, was recht ist, jetzt und hier erkannt und dann auch durchgeführt werden kann. … Liebe – Caritas wird immer nötig sein, auch in der gerechtesten Gesellschaft. Es gibt keine gerechte Staatsordnung, die den Dienst der Liebe überflüssig machen könnte. Wer die Liebe abschaffen will, ist dabei, den Menschen als Menschen abzuschaffen“ (DC 28).
Vor diesem Hintergrund möchte ich drei Anmerkungen zu den Themen Arbeit und Bildung machen.
1. Bildung vermittelt nicht nur Fähigkeiten, sondern ist Teil der menschlichen Entwicklung
In christlicher Sicht vermittelt Bildung nicht nur konkrete Fähigkeiten, die zu konkreten Anwendungen führen. Sie ist vielmehr ein umfassender und lebenslanger Prozess, der dem Menschen hilft, sich selbst und seine Welt kritisch zu reflektieren, immer neu zu entdecken und so aktiv mitzugestalten. Bildung hilft somit, Pathologien in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, und besonders auch in der Religion zu entdecken und positiv umzukehren.
Daher ist Bildung und besonders auch Bildung im Hinblick auf das Ganze des Menschen eine wesentliche Aufgabe in einer lebendigen und demokratischen Gesellschaft. Professor Thomas Söding sagt dazu in seinem Buch „Das Christentum als Bildungsreligion“: „Ein Glaube, der auf mangelnde Bildung setzte, wäre von vornherein als Ideologie entlarvt. Eine Bildungsidee, die den Glauben neutralisiert, bringt ihn nicht zum Verschwinden, … sondern drängt ihn in den Untergrund, wo er sein Unwesen zu treiben droht“ (S. 20).
In diesem Sinn ist Bildung natürlich auch emanzipatorisch. Sie dient dazu, bestehende Ordnungen und Regelwerke in Hinblick auf das Ganze zu hinterfragen und eben nicht dazu, monokulturelle Arbeitskräfte zu produzieren. Das entspricht nicht nur dem Persongedanken des Menschen, sondern führt auch zu einer dynamischen Wirtschaft in einer sich entwickelnden Gesellschaft.
2. Arbeit bietet Sinnstiftung, ist aber kein Allheilmittel
Arbeit ist ein wesentlicher Teil der menschlichen Identität und der menschlichen Person. In der Arbeit kann der Mensch seine Bildung entfalten, seine Talente und Fähigkeiten einsetzen. Es ist daher höchst unmenschlich, wenn der Mensch von Arbeit ausgeschlossen ist, obwohl er eine solche anstrebt. Dieser Ausschluss führt zu Marginalisierung, Einsamkeit und der Frage nach dem Wert und dem Sinn der eigenen Person. Papst Franziskus hält dazu fest: „Der Mensch an sich wird wie ein Konsumgut betrachtet, das man gebrauchen und dann wegwerfen kann“ (EG 53)
Gleichzeitig ist Arbeit eine Entfaltungsmöglichkeit des Menschen neben anderen. Sie kann weder an die Stelle der Familie, der gesellschaftlichen Mitgestaltung, des freien Einsatz der eigenen Talente oder jene der Religion treten. Sonst wird sie unmenschlich. Es ist wichtig und notwendig, Arbeitslosigkeit als eine soziale Wunde möglichst zu minimieren. Arbeit aber mit zu hohen Heilserwartungen oder Glücksversprechen zu versehen, führt genauso zu einer Inhumanität.
Neben der Arbeit braucht der Mensch Räume der Ruhe, der Zweckfreiheit und der inneren Einkehr. Dieses Prinzip ist für ein erfülltes Leben ebenso wichtig wie für ein aktives und arbeitsames Leben im Sinn der sozialen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit. Die große Allianz vieler gesellschaftlicher Kräfte für einen möglichst arbeitsfreien Sonntag ist eine soziologische Verdichtung dieser christlichen Überzeugung.
3. Zusammenhänge neu denken
In seiner Programmschrift „Evangelii Gaudium“ führt Papst Franziskus aus, dass die zunehmende gesellschaftliche Komplexität ein grundlegendes Neu- und Umdenken erfordert. Es kann nicht mehr darum gehen, Bestehendes zu optimieren und tradierte Konturen noch deutlicher zu ziehen: „Eine der Sünden, die wir gelegentlich in der sozialpolitischen Tätigkeit beobachten, besteht darin, dem Raum gegenüber der Zeit und den Abläufen Vorrang zu geben“ (EG 223).
Eine grundlegende Drehung sozialpolitischer Maßnahmen in Hinblick auf das Ganze des Menschen und seiner Welt ist mühsam und langwierig, aber nichts desto weniger notwendig, um den Herausforderungen der kommenden Zeit gerecht zu werden. Es geht um eine auf Zukunft gerichtete Nachhaltigkeit, die es ermöglicht, durch zielgerichtetes Denken das Gute im Bestehenden in das Neue zu integrieren.
„Es geht darum, Handlungen zu fördern, die eine neue Dynamik in der Gesellschaft erzeugen und Menschen sowie Gruppen einbeziehen, welche diese vorantreiben, auf dass sie bei wichtigen historischen Ereignissen Frucht bringt. Dies geschehe ohne Ängstlichkeit, sondern mit klaren Überzeugungen und mit Entschlossenheit“ (EG 223). Das ist eine Zu-Mutung im positiven Sinn des Wortes, die uns als Bürger/innen und Christ/innen anspornt und in die Pflicht nimmt.