Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
Predigt am Ende der 25. Tauernwallfahrt in Weißpriach
Aus der eben verkündeten und gehörten Lesung (Kol 2,1-7) wird unter anderem eines deutlich: glauben zu können ist etwas Schönes, der Glaube an Jesus Christus, in dem wir alle um sogenannte "Geheimnisse Gottes" wissen - "Geheimnis" meint im Kontext des Glaubens ja alles andere als etwas, das geheim gehalten werden muss! - ist ein großartiges Geschenk. - Wie sehr uns doch eine solche Sichtweise nottut! Wir erfahren mitunter ja im Alltag das gerade Gegenteil: Glaube an Gott als etwas, das beengt, einschränkt etc. und laufen dann mitunter selbst Gefahr, "Glaube" zu verwechseln mit einem Regelwerk an Geboten und Verboten, das vielleicht - um den großen Theologen Karl Rahner in Erinnerung zu rufen - dem Kleinstadtmädchen Lieschen Müller im 19. Jahrhundert dienlich war (1).
Von alledem ist nichts, aber auch gar nichts in der Botschaft des Evangeliums an uns zu hören: da ist eher davon die Rede, dass Jesus Menschen aus ihrem Ausgesetzt-Sein heilt und ihnen damit jene Würde zurückgibt, die sie eigentlich in Seinen Augen genießen und die durch nichts und niemanden genommen werden kann. Glauben hat also immer (!) was mit gelingendem, wenn nicht gar erfüllten Dasein zu tun. (NB: Ich verhehle nicht, dass in früheren Zeiten auch die Verkündigung der Kirche alles andere als diese Dimension im Blick gehabt hat, aber das waren auch andere Zeiten, in denen sich Kirche eben auch auf der Seite derer wusste, die Macht ausüben. All das wird uns immer wieder schmerzlich in Erinnerung gerufen und ist auch heute nach wie vor Gefahr für die in der Verkündigung Stehenden. Bei der Bischofssynode über die Familie hat daher auch der deutsche Sprachzirkel in seinem Schlussstatement um Entschuldigung gebeten für die Unterlassungen und die Fehler, die Kirche in den Jahrhunderten herauf gerade auf dem Gebiet von Ehe und Familie gelebt hat.)
ch möchte Ihnen am Ende Ihrer heurigen Jubiläums-Tauernwallfahrt ganz einfach dieses Vertrauen, das Leben ermöglicht, zusprechen. Gerade weil jede/r wohl das Eine oder Andere auch Freuden, aber auch an Schmerzen und Leid mitgenommen hat
- ich denke da an Fragen rund um Ihr Dasein in Familie und Beruf,
- ich denke da an die Fragen und Herausforderungen, die sich mit dem Leben in dieser Gegend ergeben, auch an die Unwetterschäden der vergangenen Tage,
- ich denke an die Verunsicherungen die sich breit machen in der Welt, ob das Menschen verachtende Terroranschläge sind, die sich wie gestern praktisch "vor der Haustür" ereignen oder auch gesellschaftliche Veränderungen auch in der kleinen Welt, die die Sicherheit infrage stellen, nach der wir uns sehnen;
- ich denke da aber auch an all die Fragen und Überlegungen, denen Sie sich persönlich angesichts der sich ändernden Welt im Kleinen und Großen stellen müssen.
Wir wissen von Jesus, dass er nicht bloß irgendein Leben uns verspricht, sondern eines auf ewig; wir wissen von ihm, dass er wirklich allen dies verheißt, weil er eben jeden Menschen als ein geliebtes Geschöpf Gottes versteht. Wir wissen oder sagen wir behutsamer: wir ahnen es, dass das Leben aus dem Glauben, ein Orientiertsein an den Weisungen der Schrift uns wirklich Halt geben kann in alledem, von dem wir sagen, es geht drunter und drüber ...
Und dazu möchte ich Sie ebenso ermutigen: in unserer Kirche von Graz-Seckau stehen einige Veränderungen an, weil eben das Evangelium immer im "Heute" zu verkündigen ist, und dieses sich in einigem von dem unterscheidet, was vor 100, aber auch noch vor 50 Jahren weit verbreitet war. Ein größeres Denken wird uns zunehmend abverlangt, weil Glauben eben nichts für nur an persönliche Bedürfnisse Denkende ist, sondern etwas für Menschen mit Weltdimension, denen die ganze Welt ein Anliegen ist. Lernen wir daher mehr und mehr den Glauben zu teilen! Wenn wir kleinkrämerisch wären, müssten wir sagen, dass wir gezwungen sind, den Pfarrer zu teilen und dieser wäre dann nicht mehr lebensfähig. Sie merken: zwischen "teilen" und "teilen" ist ein Unterschied. Wenn wir mehr und mehr dankbar für Gott zu sein und den daraus resultierenden Glauben teilen lernen, werden wir alle, davon bin ich überzeugt, reicher! Daran kann sich jede/r, ob in einem geweihten Dienstamt oder nicht, beteiligen. Da ist niemand aus-, sondern jeder eingeschlossen: denn ER ist unser Leben! Und das ist einfach was Tolles. Davon muss ich reden und mit-teilen, weil eben das Herz voll ist.
(1): Vgl. hierzu Rahner Karl: Über die Möglichkeiten des Glaubens heute, 30: Die Kirche spielt zu oft "die Rolle einer kleinbürgerlich nörgelnden Gouvernante (…), [die, WK] mit engem Herzen (…) das Leben mit dem Beichtspiegel zu reglementieren versucht, der recht ist für das berühmte Lieschen Müller in der wohltemperierten Kleinstadt des 19. Jahrhunderts."