Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
Predigt am Ostersonntag im Grazer Dom
Christus ist erstanden. Er ist wahrhaft auferstanden!
1. Es wird wohl die Sehnsucht gewesen sein, die Maria von Magdala "frühmorgens, als es noch dunkel war", zum Grab getrieben hat; zu jener Stunde also, in der Umrisshaftes langsam aus der Nacht heraus ins Tageslicht tritt. So wird sie uns vorgestellt, die Apostelin der Apostel: Trotz des miterlebten Todes Jesu glaubte sie daran, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Sie wird so zum Inbegriff eines glaubenden Menschen, der hofft, auch wenn scheinbar alles zu Ende zu sein scheint.
2. Maria von Magdala geht diesen Weg unter Tränen. Das Leid, der Schmerz des Verlustes halten ihr Herz umklammert. - Der Auferstandene, den sie zunächst nicht erkennt und für den Gärtner hält, interessiert sich zuallererst für ihre Tränen, für ihren Schmerz. Liebevoll wie er gelebt hat, spricht er sie an: "Frau, warum weinst du?" Ja: "der Auferstandene will uns da begegnen, wo wir weinen, in unserem Schmerz, auch wenn wir meinen, allein, und am Ende der Welt zu sein. Denn er kommt nicht als strahlender Sieger, er blendet nicht und drängt sich nicht auf. Einfühlsam seine Stimme, voller Mitgefühl ... Es ist der unverwechselbare Stil Jesu"(1), der das Leid des Menschen und seine Hilflosigkeit zuerst sieht. "Das erste, worauf der neue Blick des Verklärten fällt, ist also die uralte Seite menschlichen Lebens namens Leid. Immer noch ist die Welt voller Tränen. Um uns herum, in uns. Aber Gott ist da und will, dass daraus neues Leben hervorgeht."(2), so Ermes Ronchi in seinem Buch: "Die nackten Fragen des Evangeliums".
3. In nunmehr 800 Jahren ihres Bestehens hat die Diözese der katholischen Kirche Steiermark in verschiedensten geschichtlichen Situationen versucht, diesen Jesus als Lebendigen zu bezeugen. Das ist ihr bei weitem nicht immer gelungen. Aber das großartige Geschenk, das uns in der Botschaft des Christentums in die Hand gegeben wurde, wollen wir nicht als Nachlassverwalter museal ausstellen, sondern als Leben spendend feiern und damit den Generationen nach uns voll Geist übergeben.
Wenn wir in diesem Jahr unser Zukunftsbild veröffentlicht haben, wollen wir auch der Gesellschaft, in der wir uns als Christen bewegen, deutlich machen: diesen Jesus wollen wir mitten in unserer Welt bezeugen, in der Menschen vielfach unter Tränen des Leids zu klagen haben. Diesen Jesus wollen wir dort aufzeigen, wo wir die Menschen in ihren unterschiedlichsten Lebenssituationen ernst nehmen und als richtungsweisend für unsere Verkündigung verstehen. Denn: wir wollen an den Menschen von heute die Botschaft neu lernen, die wir ihnen zu verkündigen haben . Diesen Jesus wollen wir vor Augen haben, wenn wir uns selbst einzugestehen haben, dass wir mit allen anderen auf der Suche sind, im Leid, im Fragen, im Anstehen, in all den Unvollkommenheiten. Diesen Jesus wollen wir leben und mit ihm an den Rand gehen, um jene ernst nehmen, die still und unbeachtet leiden. Ja, weil wir Gottes Melodie in uns aufnehmen, können wir nicht anders, als den Armen die Frohbotschaft verkünden, wie Er es als Mensch in seiner Heimatstadt Nazareth als Wegweisung für sein Wirken benannt hat. - Ja: und weil wir um diesen Jesus wissen, weil wir glauben, dass wir mit einem leben, der lebt, ist es unser Auftrag, mit vielen - auch an neuen Orten - Kirche zu leben.
4. Wir sind überzeugt: dies braucht gerade eine Gesellschaft, in der Tränen, in der Tod eher verdrängt bleiben, in der der Wettlauf im Jetzt überall gelebt wird, wer denn nun mächtiger, wer denn nun Erster und damit der/die ist, über andere zu stehen. Wir tun gut daran, die Botschaft des Lebendigen in die Furchen unserer Heimat mit den Worten zu säen, die der Auferstandene selbst nicht müde wurde, den Seinen zuzurufen: "Fürchtet euch nicht!" Wir tun gut daran, unseren Glauben aus Taufe und Firmung zu stärken, damit viele in unserem Land neu hoffen lernen. Denn Auferstehung ist kein Beruhi-gungsmittel, kein Placebo für eigene Gemütslagen, sondern Auftrag, an dieser Welt zu arbeiten. Wir tun gut daran, diesen Glauben an Jesus Christus bei uns selbst zu vertiefen, damit wir mit allen, die sich zu Ihm bekennen, dieser Welt ansagen: In Ihm ist das Leben. In ihm ist der Geist der Erneuerung, denn: Er ist auferstanden, Halleluja! Amen.
Die Schriftlesungen, die während des Hochamts verkündet wurden:
1. Lesung: Apg 10,34a.37–43;
2. Lesung: Kol 3,1–4;
Evangelium: Joh 20,1–18
(1) Ermes Ronchi: Die nackten Fragen des Evangeliums, München: Neue Stadt 2017, 139.
(2) ebd., 140.
(3)Vgl. Hemmerle, Klaus: Was fängt die Jugend mit der Kirche an? Was fängt die Kirche mit der Jugend an?, in: Internationale Katholische Zeitschrift 12 (1983) 306-317, hier: 309.