Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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1. Es ist für mich interessant, folgendes zu entdecken: Nach Ostern, nach der Entdeckung des leeren Grabes, vergruben sich die Jünger des Herrn in Selbstisolation. Da war nichts von Aufbruch zu spüren - trotz des einmaligen Ereignisses, dass jemand von den Toten auferstanden ist. Erst der Geist Gottes, der alle Sprach- und Verständnisbarrieren überwinden kann, hat die verängstigte Jüngerschar dazu ermutigt, ihre selbstgewählte Isolation zu verlassen und freimütig das Evangelium zu verkünden, es hineinzutragen in ihre Welt. - Wie ähnlich sich doch Kirche heute darstellt in der Corona-Krise, die uns eine "besondere Fastenzeit" und unter bestimmten Vorzeichen auch eine Osterzeit der Isolation auferlegt hat.
2. In dieser Welt feiern wir das Fest des Aufbruchs im Geist: Sein belebender Atem war bereits in den Wochen der gemeinsamen Anstrengung zur Eindämmung der Pandemie spürbar. Es gab einen erfreulichen Zusammenhalt in Politik und Gesellschaft. Aktuell mehren sich kritische Stimmen, die nachträglich die Verhältnismäßigkeit der von der Regierung getroffenen Maßnahmen in Frage stellen. Der gesellschaftliche Zusammenhalt zeigt Risse. Wichtig scheint mir eine nüchterne Reflexion des Vergangenen. Jede nachträgliche Besserwisserei ist entbehrlich. Aktuell vonnöten ist ein hohes Maß an Geduld und Behutsamkeit, ein Geist der Wertschätzung und nicht der Entzweiung. Ja, wir brauchen einen pfingstlichen Geist! Was vor 2000 Jahren in Jerusalem passiert ist, das Ur-Wunder von Verständigung trotz unterschiedlicher Sprachen, Weltanschauungen und Kulturen, ist auch heutzutage möglich – und nötig! Vertrauen wir darauf.
3. Pfingsten ist auch das Geburtsfest der Kirche. Papst Franziskus bittet uns eindringlich, dass wir uns als Gläubige nicht in einer bequemen „splendid isolation“ von der Welt absondern, sondern über die eigenen Grenzen hinausgehen, um denen zu helfen, die heute physisch, psychisch, sozial und geistlich verwundet sind. Der Heilige Geist ist für diese Weltzuwendung der erste und eigentliche Herzschrittmacher. Er schenkt uns alles, was wir gerade jetzt brauchen.
4. Wir brauchen den Geist der Dankbarkeit und Demut - gerade angesichts dessen, wie in unserem Land mit der Pandemie umgegangen wurde: Da gab es Unzählige, die sich für andere eingesetzt haben, damit Leben möglich bleibt und ermöglicht wird - trotz all der Unsicherheiten, die die Wochen mit sich gebracht haben. Überall in unserer Gesellschaft gab es Herausforderungen zu meistern, damit die Gesellschaft zusammenhalten wird. Nicht zu vergessen sind all jene, die Hand angelegt haben, damit Menschen in Not geholfen werden kann - hier und in vielen Gegenden, wo man noch immer mit dem Virus zu kämpfen hat. Gerade die Einschränkungen der persönlichen Freiheitsrechte hatten vielleicht den Effekt, das Geschenk eines grundsätzlich sicheren und freien Lebens in unserem Land neu zu schätzen. Denn: Nichts ist selbstverständlich.
5. Wir brauchen einen Geist der Versöhnung und Verbundenheit, denn es gilt nach wie vor, ein Virus zu isolieren und nicht uns Menschen voneinander. Wirkliche Verbundenheit kann nur wachsen, wenn wir alle ein paar Schritte in Richtung Versöhnung wagen. Teilweise haben zu enge Wohnsituationen zu häuslichen Spannungen geführt. Auch in vielen „normalen“ Beziehungen verschärften sich die Konflikte. Täglich brauchen wir Güte und Barmherzigkeit für uns selbst und füreinander. Täglich ein paar Schritte zueinander – als erneuerte Normalität.
6. Bitten wir um den Geist der Aufmerksamkeit und Solidarität: In den vergangenen Wochen haben wir ein Aufblühen der Nachbarschaftshilfe erlebt. Auch wenn die euphorisch bejubelte Solidarität der Corona-Anfangszeit schwächer geworden ist, sollte uns das Wissen um dieses große solidarische Potenzial für die Bewältigung der aktuellen Wirtschafts- und Sozialkrise beflügeln. Die Folgen der unheilvollen Verbindung zwischen Armut, Scham und sozialer Ausgrenzung werden unsere Gesellschaft langfristig schwächen, wenn wir uns nicht entschieden dagegenstemmen.
7. Es braucht in einer "neuen Normalität" den Geist der Wertschätzung und Lernbereitschaft: Im Ausnahmezustand wurde plötzlich eine neue Form der Wertschätzung entdeckt. Viele unterbewertete und minderbezahlte Berufsgruppen und Dienste wurden plötzlich als "systemrelevant" bezeichnet. Wertschätzung hat ein genaues Hinhören zur Voraussetzung. Das berechtige Anliegen in der Wortmeldung und Meinung des anderen wahrzunehmen, ist eine Kunst, die wir immer neu lernen müssen. Leider haben sich in die Debatten in letzter Zeit Aggression, Kritiksucht und eine verbissene Suche nach Fehlern und Anklagepunkten eingeschlichen. Die Auseinandersetzung um den bestmöglichen Weg in die Zukunft ist wichtig, bei dem die unterschiedlichen Interessen aller, zu berücksichtigen sind. Der pfingstliche Geist entlastet von überzogenen Ansprüchen und befreit vom Ungeist der Neidgesellschaft. Ein wertschätzendes Miteinander lebt von einer sogenannten „Fehlerkultur“, die deutlich ausbaufähig ist.
8. Schließlich ist der Geist der Achtsamkeit und Entschlossenheit wichtig: Durch den globalen Einbruch von Wirtschaft, Industrie und Verkehr sind gewaltige Probleme entstanden. Die Schöpfung bedenkend, hatte das hingegen etwas Gutes. Papst Franziskus hat in seiner programmatischen Schrift zur globalen sozial-ökologischen Krise „Laudato Si“ darauf hingewiesen, dass wir für eine achtsame, nachhaltige Lebensweise unser Verhalten radikal ändern müssen. Der Geist der Aufmerksamkeit ist zuerst ein Geist der Umkehr. Tatsächlich ist es jetzt an der Zeit, ein Gegensteuern in vielen ökologischen Fragestellungen einzuläuten. Die Zeit der leeren Absichtserklärungen ist abgelaufen. Unter anderem hat uns die Corona-Krise eines deutlich vor Augen geführt: Die Wertschätzung lokaler Wirtschaftskreisläufe. Die Produktion und Vermarktung durch heimische Gewerbe- und Industriebetriebe und landwirtschaftliche Familienbetriebe oder der Nahversorger um die Ecke wurden in den vergangenen Wochen zu wichtigen Gliedern der Versorgungskette. Güter, die lokal erwirtschaftet werden, hinterlassen außerdem einen geringeren ökologischen Fußabdruck . Die Sorge um das gemeinsame Haus unserer Welt verbindet Menschen und diese wiederum mit ihrem Lebensraum, mit der Natur, der sich wie ein Mantel um alles legt.
9. Gehen wir mit einem Geist der Lebensfreude und Geduld und einem Geist des Vertrauens und der Zuversicht in die Zukunft. Die meisten Menschen suchen Sicherheit und es fällt ihnen schwer, eine Zeit der Ungewissheit und der vielen offenen Fragen auszuhalten. Manche flüchten in esoterische Praktiken oder werden anfällig für Verschwörungstheorien. Die „Sozialen Netzwerke“ machen diese leicht verfügbar und bedienen die Geschäftsinteressen der dahinterstehenden Krisenprofiteure. Die Verunsicherung treibt andererseits nicht wenige Leute in einen übertriebenen Aktivismus. Gerade in der Krise bieten wir als Christen der Welt Hoffnung, bauen auf eine Trotzdem-Kraft in aller Not und eine ständige Aufsteh-Hilfe. Das Herzstück des Glaubens, sagen wir die tragende Mitte, ist eine lebendige Beziehung zu Gott, der sich zu Pfingsten damals und heute erfahrbar macht. Jesus Christus spricht deutlich: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren!“ „Glaubt an Gott und glaubt an mich!“
10.Lassen wir die Selbstisolation hinter uns und begegnen wir IHM dort, wohin Gott uns hingestellt hat: in unsere Welt, egal wie sie sich darstellt!
Die Schriftstellen aus der Bibel:
1. Lesung: Apg 2,1–11;
2. Lesung: 1Kor 12,3b–7.12–13;
Evangelium: Joh 20,19–23