Die Minderbrüder in Graz
In Graz wurde den Minderbrüdern vorerst das Kirchlein St. Jakob im Bereich des Murtors als erste Bleibe überlassen. Bald aber begannen sie mit dem Bau einer eigenen Kirche, die erstmals 1265 erwähnt wird, und begründeten damit das "Murkloster", den heutigen Franziskanerkonvent. Es war dies die erste Klosterniederlassung in Graz. Die Kirche weihten sie der Himmelfahrt Mariä. In Graz fanden die Minderbrüder rasch Zuspruch bei der Bevölkerung. Die Menschen gingen bevorzugt zu ihren Gottesdiensten, Predigten und Beichten. Aber auch die Landesherren und der Adel vertrauten ihnen und zogen sie bei verschiedenen Anlässen als Ratgeber bei. Dies führte bald zu Eifersüchteleien seitens des weltlichen Klerus.
Noch zu Lebzeiten des Franz von Asissi kam es innerhalb der Minderbrüder zu ersten Spannungen wegen der Auslegung des selbst erwählten Prinzips der Armut. Grundsätzlich erteilte Franz an seine Brüder die Weisung, dass sie kein Eigentum annehmen dürften. Betraf dies den einzelnen Bruder oder den Konvent? Musste doch der Konvent auch für Zukunft planen. Franz selbst beugte sich den Notwendigkeiten des Lebens und trieb das Armutsgebot nicht auf eine unmögliche Spitze. Nach dem Tode von Franz und in den darauf folgenden Jahrzehnten verschärften sich die Spannungen im Orden weiter. Gab es doch immer wieder Stiftungen, Geschenke und finanzielle Zuwendungen an die Konvente durch Herrscher, Adelige und wohlhabende Bürger. Schließlich führten diese Spannungen im Jahr 1517 unter Papst Leo X. zu einer Teilung des Ordens in die Minoriten (Konventualen) und Franziskaner (Observanten). 1525 spalteten sich von den Franziskanern noch die Kapuziner ab.
Von diesen Auseinandersetzungen blieben auch die Minderbrüder in Graz nicht verschont. Dazu kamen noch Einflüsse von außen. Wegen der Gefahr von Überfällen durch die Türken musste der Konvent der Dominikanerinnen von St. Leonhard ins Innere der schützenden Stadtmauern verlegt und dafür eine Unterkunft gefunden werden. 1515 wurden die Grazer Minoriten von Kaiser Maximilian I. vor die Wahl gestellt, sich entweder der Gesinnung der Franziskaner anzuschließen oder das Murkloster zu verlassen. Die Minoriten wählten das schwere Los und waren in der Folge über neun Jahrzehnte lang ohne eigenes Konventsgebäude. Aus dieser Zeit ist über das Wirken der Minoriten in Graz praktisch nichts überliefert.
Die katholische Kirche hatte aber noch mit anderen Problemen zu kämpfen. Die Kirche war reformbedürftig geworden. Es war zu einer zunehmenden Verweltlichung gekommen, kaiserliche Günstlinge wurden bei der Verfolgung kirchlicher Ämter bevorzugt. Kirchliche Stellen wurden als Einnahmequellen betrachtet und es kam zu Ämteranhäufungen. Seelsorge und Predigt lagen danieder und der Lebenswandel mancher Geistlicher erregte Anstoß. Mit der Veröffentlichung der Thesen von Martin Luther in Wittenberg im Jahr 1517 eskalierte die Situation. Die Ideen des Reformators fanden verbreitet Zustimmung, zuerst beim niedrigen Klerus, dann beim Adel und zuletzt bei der Landbevölkerung. Auch die Bewohner von Graz und in der Folge die der gesamten Steiermark wurde mehr und mehr von der lutherischen Reformation erfasst und wandten sich der neuen, evangelischen Lehre zu. In der Folge hatten katholische Ordensleute und Priester große Unannehmlichkeiten zu erdulden. Sie wurden abgelehnt und verspottet. Spenden und andere Zuwendungen blieben aus. In dieser Zeit des Glaubensstreits blieben jedoch die habsburgischen Landesherrn dem katholischen Glauben treu. Erzherzog Ferdinand III. leitete schließlich mit der Ünernahme seiner Regierungsgeschäfte im Jahr 1595 die Gegenreformation in der Steiermark ein. Dabei standen ihm seine Frau Maria Anna von Bayern und Hans Ulrich von Eggenberg zur Seite.
Mariahilf, die neue Heimat der Minoriten in Graz
Siegfried von Eggenberg stellte den Minoriten um 1525 in der Murvorstadt ein Grunstück samt einem Sommerhaus mit einem "Frauenkirchlein" als provisorische Unterkunft zur Verfügung. 1603 stiftete Ulrich von Eggenberg gemeinsam mit Erzherzog Ferdinand und Maria Anna von Bayern den Konvent (Kloster) Mariahilf in der Murvorstadt. Es war dies die erste Klostergründung auf der rechten Murseite im heutigen Stadtgebiet von Graz.
Für den Bau des Minoritenkonventes waren mehrere Gründe ausschlaggebend:
- Die innige Marienvershrung während der Zeit der Gegenreformation.
- Graz war Residenz von Innenösterreich, das aus den Herzogtümern Steiermark, Kärnten und Krain sowie den Grafschaften des Küstenlandes (Görz, Triest und Istrien) bestand. Die Stadt verfügte aber über kein repräsentatives Marienheiligtum.
- Die Minoriten hatten seit 1515 in Graz keine klösterliche Unterkunft.
- Die Schaffung einer standesgemäßen Bestattungsstätte für das aufstrebende Geschlecht der Eggenberger, die 1623 durch Kaiser Ferdinand II. sogar in den Fürstenstand erhoben wurden.
1607 wurde der Grundstein für die Konventskirche zu Ehren der Gottesmutter gelegt. Vier Jahre später, am 29. Mai 1611 erfolgte die Weihe der Kirche unter großer Anteilnahme der Bevölkerung durch den Minoritenbischof Giovanni Pietro Antonio de Ponte, Titularbischof von Troja und päpstlicher Nuntius am Hof in Graz. Bei der Feier waren auch Erzherzog Ferdinand, Hans Ulrich von Eggenberg sowie der Provinzial des Minoritenordens Pater Caesar Bernardus de Montepoli zugegen. Die Fertigstellung der Kirche und des Konventgebäudes nach den Plänen von Giovanni Pietro de Pomis erfolgte in den Jahren danach unter der Bauleitung von Pietro Valnegro.
Die Kirche Mariahilf wurde ursprünglich im Stille des Manierismus errichtet. Die Fassade erinnerte an die Basilika San Giorgio Maggiore in Venedig, die von 1566 bis 1610 von Andrea Pallado auf der gleichnamigen Insel erbaut worden war. An der Ostfront der Kirche gab es noch keine Türme, nur der kleine Turm am Westtrakt des Konventgebäudes war bereits vorhanden. Den barocken Vorbau mit den beiden imposanten, ca. 43 m hohen Türmen erhielt die Kirche erst 1742 durch den aus Wien stammenden Baumeister Joseph Hueber (1715-1787). Die Turmglocken wurden von "Kaiserin" Maria Theresia gestiftet. Sie wurden 1759 aus erbeuteten, türkischen Kanonen gegossen, mussten aber im Ersten Weltkrieg abegliefert werden. Sie gingen verloren und wurden 1923 durch Stahlglocken ersetzt. Seit 1998 beherbergen die Türme wieder Bronzeglocken und ein Glockenspiel.
Mitte des 18. Jahrhunderts erfolgten noch andere Umgestaltungen. Denn über dem Altarraum der Kirche befand sich unsprünglich eine Kuppel, die 1769 entfernt wurde. Außerdem wurde damals das Kircheninnere durch Joseph Adam Ritter von Mölck mit Fresken versehen. Doch auch diese wurden 1881 im Rahmen einer weiteren Renovierung entfernt, sodass die Kirche heute, - sieht amn von den Altären ab, - im Inneren ein schlichtes Aussehen aufweist.
Aus: Szith, Festschrift "400 Jahre Wallfahrtskirche und Minoritenkonvent Mariahilf in Graz 1611 - 2011" (2011)