Wollt auch ihr gehen?
Diese Frage Jesu aus dem heutigen Evangelium stellen viele Verantwortliche in den europäischen Kirchen. Unübersehbar schwindet die Kirche in den unterschiedlichsten Konfessionen in Europa, was die Mitgliederzahlen betrifft und auch die gesellschaftliche Bedeutung. Christ aus der Zeit bzw. Auf dem Weg ins Land der Ungläubigen titelte vor zwei Monaten das Profil und betont in seinen Artikeln, dass gerade heuer im Spätsommer oder Frühherbst die Zahl der Katholik:innen in Österreich erstmals unter die 50% Marke sinken wird und wahrscheinlich schon in 10 Jahren die Konfessionslosen (-freien) die größte Gruppe in unserem Land sein werden.
Also eine aktuelle, berechtigte Frage auch für uns: Wollt auch ihr gehen?
Neben diesen ersten, statistischen Blick auf die religiöse Landschaft in unserer Umgebung, nehme ich als Pfarrer hier in Eggenberg und Wetzelsdorf aber wahr, dass Jesus und seine Botschaft nach wie vor gefragt sind und nachgefragt werden.
Gerade Kinder sind ein Türöffner zu Jesus. Viele Eltern, ob in oder außerhalb der Kirche fragen sich, ob sie ihr Kind taufen lassen. Die christliche Tradition und ihre Werte sind ihnen sehr wichtig und sie wollen sie auch an ihre Kinder weitergeben – auch wenn sie selbst mit dem pfarrlichen Leben vor Ort nicht so viel anfangen. Aufbauend und anregend sind für mich immer die Taufvorbereitungen mit Kindern rund um den Schuleintritt oder während der Erstkommunionvorbereitung. Die Offenheit der Kinder und das Wissen aus dem Kindergarten und dem Religionsunterricht lassen die Eltern oft staunen. Stichwort Religionsunterricht, der ist in Österreich nach wie vor ein Erfolgsmodell. 76% aller Schüler:innen in der Steiermark besuchen den katholischen Religionsunterricht, von den katholischen Kindern und Jugendlichen sind 95 % im katholischen Religionsunterricht, d.h., dass die meisten zwei Religionsstunden pro Woche haben. Und darüber hinaus nehmen auch viele Ungetaufte am Religionsunterricht teil.
Immer mehr einheimische oder neu zugezogene Erwachsene fragen auch nach der Taufe und lassen sich auf den sicherlich herausfordernden Weg eines einjährigen Katechumenats ein.
In all diesen Begegnungen schwingt für mich etwas von der Antwort des Petrus an Jesus mit: Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes. Joh 6,69
Jesus bleibt bei vielen ein Leben lang gefragt. Das erlebe ich bei Menschen in Ausnahmesituationen, z.B. bei einer schweren Erkrankung, oder in der Pflege an Angehörigen, oder bei Beziehungskrisen und beruflichen Herausforderungen oder beim Tod eines nahen oder lieben Menschen. Menschen, die in ihrem Gottvertrauen wachsen, die unsere Kirchen tagsüber besuchen und hier still beten. Manche suchen ein Gespräch mit uns vom Pastoralteam oder bitten um die Krankensalbung oder um die Aussprache in der Beichte. Jesus bleibt gefragt und bedeutungsvoll gerade dann, wenn ich selbst nicht mehr weiter weiß.
Auch ich selbst bin dankbar, dass ich mit meinem Glauben, mit meinem Suchen und Fragen nach Gott und in meiner Beziehung zu Jesus noch nie fertig geworden bin. Diese Gegenwart des Lebendigen bleibt für mich herausfordernd und spannend, auch wenn sich im Laufe des Lebens manche Themen geändert haben. Mit Gott ist es mir noch nie langweilig geworden.
Unsere Kirche wird sich in Zukunft vielleicht schneller und stärker wandeln als wir uns das jetzt vorstellen können. Vieles von dem, was uns vor 20, 30 oder 40 Jahren vertraut war, wird es nicht mehr geben. Aber die Frage Jesu wird lebendig bleiben und es wird ganz unterschiedliche, persönliche Antworten darauf geben. Eine Kirche der Zukunft wird in ihrer Seelsorge die absichtslose Gastfreundschaft in den Mittelpunkt stellen. Wir müssen nicht durch starke Zahlen glänzen oder durch politischen Einfluss und gesellschaftliche Macht. Wir wollen einfach da sein, ansprechbar in unserer Hoffnung und kontaktfreudig. Absichtslose Begegnungen eröffnen einen Raum in denen der Geist Jesu Christi wirken kann und wir ihn immer besser kennenlernen dürfen und zu unserer eigenen Antwort des Vertrauens kommen. AMEN!