Fakt oder Fake?
Vielleicht kennen Sie die Fernsehsendung „Fakt oder Fake“, die vom Kabarettisten Clemens Maria Schreiner moderiert wird. In dieser Sendung versuchen drei Prominente herauszufinden, ob das jeweilige Video, das ihnen präsentiert wird, der Wahrheit entspricht oder nicht. Eben kurz, ob es ein „Fakt oder Fake“ ist. Die
Auflösung wird dann von profunden Wissenschaftlern und Videoanalysten per Live-Experiment den Zuschauern vorgezeigt und erklärt.
Fake-News gibt es wie Sand am Meer und sie verbreiten sich wie ein Lauffeuer von selbst über die geliebten sogenannten „sozialen Medien“. Wenn auch ungern, so möchte ich nur an die Coronazeit erinnern, in denen uns tagtäglich Nachrichten
erreichten, deren Wahrheitsgehalt nur ganz schwer festzustellen waren und bis heute sind. Die Schwurbler und Verschwörungstheoretiker hatten Hochsaison. Da konnten noch so viele Wissenschaftler ihre fundierten Ergebnisse präsentieren, gab es postwendend „Pseudowissenschaftler“ die das Gegenteil behaupteten.
Auch in der Frühzeit des Christentums gab es Verschwörungstheoretiker, die
behaupteten, dass die Christinnen und Christen Kannibalen seien. Ja, sie haben es ja mit eigenen Ohren gehört, dass Jesu direkt zum Kannibalismus auffordert. Und Sie können sicher sein, dass sich diese Worte wie ein Lauffeuer verbreitet haben.
Anders gefragt: Wie haben Sie heute die Worte Jesu aus dem Evangelium gehört, wenn der Evangelist Jesus sprechen lässt:
„Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch.
Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag.
Denn mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise und mein Blut ist wahrhaft ein Trank.
Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm.“ (Joh 6,53-56)
Dass diese Worte für seine jüdischen Zuhörer anstößig geklungen haben, ist ein Fakt. Es lohnt sich aber, das heutige Evangelium weiterzulesen, denn dann wird
berichtet, wie diese Aussage Jesu sogar zur Spaltung unter seinen Jüngerinnen und Jüngern geführt hat und Jesus seinem engeren Jüngerkreis die Frage stellt: „Wollt auch ihr weggehen?“
Wie können wir die Worte des heutigen Evangeliums einem Faktencheck unterziehen, der uns Jesu Worte vielleicht besser verstehen lässt und uns nicht gleich auf- und davonjagt?
Ich habe bei der Vorbereitung auf diese Predigt gelesen, dass das griechische Wort, das bei uns im deutschen Text mit „essen“ übersetzt ist, eigentlich „kauen“ bedeutet, „zerbeißen“. Die Theologen sagen, dass der Evangelist dieses Wort wohl sehr bewusst ausgesucht habe. Denn kauen und essen, das kann jeder. Das kann jedes Kind, das Zähne hat. Und das tun wir jeden Tag.
Wenn man im jüdischen Sprachgebrauch von Fleisch und Blut spricht, dann ist
damit die ganze Person eines Menschen gemeint – so wie wir vielleicht sagen würden „mit Haut und Haaren“.
Fleisch und Blut, damit ist hier der ganzen Jesus gemeint; alles, was ihn ausmacht. Seine Liebe und seine Güte. Seine Vergebungsbereitschaft und sein grenzenloses Erbarmen. Seine Freundschaft und seine Menschenfreundlichkeit. All das soll uns durchdringen. Mit all dem will Jesus uns beschenken, wenn wir zur Kommunion
gehen, so dass wir daraus auch wirklich leben können. Ja, wir sollen ihn kauen und essen wie Brot, damit wir ihn mit seiner ganzen Liebe so nahe bei uns haben wie es nur irgendwie geht – und wie ginge es näher als beim Essen und Trinken.
Ich denke, dass der Begriff von seinem Fleisch essen etwas griffiger und etwas
besser verständlich wird, wenn wir die Sprache des Evangeliums mit einer anderen Sprache vergleichen – nämlich mit der Sprache von Liebenden. Wenn zwei
Menschen sich sehr lieben, dann sagen sie auch schon mal zueinander: „Du, ich habe dich zum Fressen gern“. Und damit wollen sie sich sagen: Ich möchte nie mehr ohne dich sein; ich will, dass wir eins sind – dass wir miteinander und füreinander leben. Ich will immer ganz nahe bei dir sein. Und da sind wir wohl ganz nahe dran an dem, was Jesus uns da sagen will: Dieser Gott ist so verliebt in uns, dass er nie mehr ohne uns sein möchte – und deshalb gibt er sich uns hin, zum Essen, damit er uns ganz nahe sein kann – hier in dieser Welt und darüber hinaus auch im Ewigen Leben.
Und so sind wir bei jeder Heiligen Messe3 eingeladen, ihn zu empfangen und ihn in uns aufzunehmen, damit er uns durchdringen kann – mit seinem Leben und seiner Liebe, mit seinem Erbarmen und seiner Güte. Ja, er will uns ganz nahe sein. Er in uns und wir in ihm – und das auf ewig.
Durch das Kauen seines Leibes im Brot und das Trinken seines Blutes im Wein. Ja, der Herr macht sich ganz klein – im Brot. Klein, damit wir nicht Angst und Furcht vor ihm haben müssen, sondern ihn greifen und begreifen können – und essen und trinken. Denn dann ist er in uns und wir sind in ihm.
Einfacher, liebevoller und zärtlicher geht es wohl nicht. Amen.