Der schlafende Jesus (Seesturm)
„Bis hierher darfst du und nicht weiter, / hier muss sich legen deiner Wogen Stolz.“ (Hiob 38,11) Gott, kannst du das bitte heute auch sagen, wenn wir von Überschwemmungen heimgesucht werden und Menschen ihre Häuser oder gar ihr Leben verlieren? Das könnte wohl eine erste Reaktion auf die Lesung aus dem Buch Hiob sein, die wir heute gehört haben. Gott stellt sich darin als derjenige vor, der Autorität über seine Schöpfung hat und der es gut mit dieser Schöpfung meint. Er sehnt sich danach, dass wir mit ihm zusammenarbeiten. Das gilt in der Verantwortung der Schöpfung gegenüber. Das gilt aber genauso in allen anderen Lebensbereichen.
Schauen wir uns dazu das Evangelium genauer an:
„Da stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein.“ (Mk 4,39)
Warum kann Jesus den Sturm stillen? Blöde Frage, denkt ihr euch vielleicht. Er ist Gottes Sohn. Wir haben gerade im Buch Hiob über die Autorität Gottes über die Schöpfung gehört. Jesus ist Gott, also kann er auch dem Sturm gebieten. Stimmt. Aber ich möchte noch einen Schritt weitergehen. Jesus handelt nicht nur als wahrer Gott, sondern auch als wahrer Mensch. Und so handelt er immer so, dass wir uns auch etwas von ihm abschauen können. Mir ist das in letzter Zeit ganz wichtig geworden, dass ich nicht nur schaue was Jesus tut, sondern auch: Wie macht er das, was er macht? Kann es sein, dass Jesus gerade deshalb die Vollmacht hatte, den Sturm zu stillen, weil er davor im Boot in der liebenden Gegenwart des Vaters geschlafen hat? Immer wieder zieht sich Jesus zurück, um in Einsamkeit und Stille mit dem Vater allein zu sein, zu lauschen, was er sagt, zu sehen, was er tut: „Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht. Was nämlich der Vater tut, das tut in gleicher Weise der Sohn.“ (Joh 5,19) Das ist das Geheimnis seiner Vollmacht und die Quelle seiner Kraft, durch die er dann wieder heilsam für die Menschen da sein kann. Im Evangelium heißt es, er habe auf einem Kissen geschlafen (Mk 4,38). Ich glaube, er hat zugleich am Herzen des Vaters geruht. Wie komme ich auf die Idee, so etwas zu behaupten? Im Johannes-Prolog steht, dass Jesus am Herzen des Vaters ruht und uns zeigt, wofür Gottes Herz schlägt. „Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.“ (Joh 1,18) Ich stelle es mir also ganz bildlich so vor: Jesus ruht am Herzen des Vaters, ist also in ganz enger Verbindung mit ihm. Er sieht und spürt, wie das Vaterherz Gottes schmerzt, weil die Jünger so eine verzweifelte Angst haben. Gott sehnt sich danach, dass sie spüren, dass sie auch in den Stürmen des Lebens nicht alleine sind. All das darf Jesus in der Gegenwart Gottes sehen und als dann die Jünger nach ihm rufen, hat er aus dieser engen Verbindung mit dem Vater heraus die Autorität, den Sturm zu stillen, den Jüngern die Angst zu nehmen und ihnen zu zeigen: Ihr seid nicht allein.
So, was hat das jetzt mit uns zu tun? Ich glaube, wir können uns vom Lebensstil Jesu einiges abschauen. Es ist ein Rhythmus von Kontemplation und Aktion, von Ruhe in der Gegenwart Gottes und Hingabe an andere. Ich glaube, wenn wir uns das zu eigen machen sind wir um einiges erfüllter und unser Dasein hat um einiges mehr positive Auswirkungen. Wie kann das konkret aussehen? Ich erzähle mal ein Beispiel, wie ich es versuche: Bevor ich etwas mache oder bevor ich jemandem begegne versuche ich mir immer wieder ein paar Augenblicke Zeit zu nehmen und zu fragen: Gott, wie ist deine Sicht auf diese Situation? Wie ist dein liebevoller Blick auf die Situation? Was tust du da gerade und wie kann ich mitmachen? Ich bekomme da nicht immer eine konkrete Antwort, aber ich glaube doch, dass sich meine Haltung dadurch nach und nach ändert. Wenn ich mich darin einübe, dass ich mit dem liebenden Blick Gottes auf die Welt schaue, mache ich es mit mehr Liebe, mehr Vertrauen und weniger Angst. Wirtschaftlich gesprochen, bin ich auch effektiver, weil er mir hilft, den Blick auf das zu wenden, was jetzt wirklich wichtig ist und ich muss nicht ausbrennen, weil ich 1000 Dinge tue, die vielleicht gerade eh nicht so wichtig sind.
Noch eine Hilfe für meinen Alltag und für die Stürme des Lebens entdecke ich in diesem Evangelium: Ich glaube, Jesus schläft auch in meinem Herzen und er wartet nur darauf bis ich rufe: „Meister, hilf mir, rette mich!“ Ich muss das, was ich tue, nicht aus mir allein heraus tun. Jesus liebt es, von mir geweckt zu werden.