Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?
Bei der heutigen Lesung springt mich ein Satz besonders an, er drängt sich mir fast auf. Ich habe in der Vorbereitung auf die Predigt die Lesung und das Evangelium sehr oft gelesen und es ist dieser Satz, der mich bei meinen Überlegungen zum Inhalt dieser Predigt nicht loslässt. Jetzt sind Sie sicher schon neugierig. Hier ist er:
„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“
Meine erste Reaktion war: „Was? Was soll denn das!“ Da verlässt Jesus sie, ihr Freund und Lehrmeister, mit dem sie drei Jahre unterwegs waren und sie so viel gemeinsam erlebt hatten. Sie schauen ihm nach, in ihren Köpfen und in ihren Herzen geht es wahrscheinlich gerade drunter und drüber. Sie müssen für sich erst einordnen was passiert ist, dass Jesus auf einer Wolke emporgehoben wurde und nun bei seinem Vater ist. Er hat sie verlassen und ein riesiges Loch zurück gelassen. Natürlich schaue sie ihm da nach, wer würde das nicht tun.
Mir fällt da gleich der Abschied von einer ganz, ganz lieben Freundin ein. Sie lebt in Singapur und besucht mich nur sehr selten. Wenn sie mich besucht, haben wir eine großartige Zeit miteinander und dann am Tag des Abschieds stehe ich auch am Flughafen auf der Terrasse, schaue wie sie einsteigt und winke, bis sich das Flugzeug auf zur Startbahn macht und schaue ihr nach. Stehe lange da, lasse die Zeit mit ihr Revue passieren, bin traurig, dass sie weg ist, habe Hoffnung, dass wir uns bald wiedersehen.
Noch viel schlimmer, war es beim Tod von meiner Oma, als die Türen in der Feuerhalle zu gingen und ich auch noch auf die verschlossenen Türe starrte, sie noch vor meinem inneren Auge sah, sie noch ganz nah bei mir fühlte, Erinnerungen kamen und gingen. Ich weiß, dass ich sie wiedersehen werde - irgendwann, aber jetzt sie ist weg.
Ich kann die Jünger gut verstehen, dass sie einfach dastehen und Jesus nachschauen, auch, wenn er gar nicht mehr zu sehen ist. Bei mir war dann immer jemand an meiner Seite, der mich liebevoll am Arm nahm und mich sanft wieder in die Realität holte. Naja, beim Abschied von Alice, meiner Freundin, war es nicht so sanft, denn Viktoria, damals gerade mal zwei Jahre alt, zog und zupfte am Ärmel und der Alltag hatte mich wieder. Aber niemals hat irgendjemand gesagt: „Was stehst du da und schaust zum Himmel empor?“
In der Bibel gibt es einige solcher Stellen, wo ich mit dem Kopf schüttle. Ich habe über einige auch mit unserem Pfarrer darüber gesprochen und er hat mir immer gesagt: „Sigrid, du musst schon auch hinter die Worte schauen!“ Dann tun wir das.
Was will uns Lukas mit den vielleicht etwas barsch klingenden Worten der Engel sagen? Ich denke, sie wollen die Jünger loslösen. Loslösen von der blinden Trauer und dem Verweilen im Gestrigen. Sie wollen darauf hinweisen, dass das Leben weitergeht, das sie von Jesus einen Auftrag bekommen haben, den es zu erfüllen gilt. Vielleicht braucht es ja auch manchmal klare Worte, um aus der Lethargie heraus zu kommen, um sich auf den Weg zu machen.
Die Jünger wissen von Jesus, wie es die nächsten Tage weitergehen wird. Sie sollen zusammen bleiben und die Kraft des Heiligen Geistes empfangen. Dann werden Sie gestärkt und beseelt vom Heiligen Geist hinausgehen und den Leuten von Jesus, seinem Leben und seiner Botschaft erzählen. Ich glaube, die Engel wollen damit ausdrücken, dass es wichtig ist im hier und jetzt zu sein, sein Umfeld wahr zu nehmen und sich darauf zu konzentrieren, was ich tun kann, wie ich meine christlichen Werte leben kann. Dazu fällt mir eine Geschichte ein, die mir einmal mein Religionslehrer erzählt hat:
Der heilige Jakob war mit einem Schüler unterwegs in den Bergen.
Als es dämmerte, errichteten sie ihr Zelt und fielen müde in den Schlaf.
Vor dem Morgengrauen wachte Jakob auf und weckte seinen Schüler.
“Öffne deine Augen”, sagte er, “und schau hinauf zum Himmel.
Was siehst du?”, fragte Jakob.
Der Schüler dachte einen Augenblick nach.
“Das Gott, der Herr, das große Weltall mit all seinen Sternen geschaffen hat.
Ich schaue hinauf in den Himmel und fühle mich dankbar und demütig angesichts dieser unendlichen Weiten. Wie klein ist doch der Mensch und wie wunderbar sind die Werke Gottes.”
“Ach, Junge”, stöhnt Jakob.
“Mir sagt es, dass jemand unser Zelt gestohlen hat!”
Hm, ich bin auch manchmal wie der Schüler und ich nehme mir vor, meine Aufmerksamkeit mehr auf meine Umgebung zu richten. Wie geht es den Menschen, um mich herum. Kann ich vielleicht unterstützen und helfen. Weiß ich, was sie bewegt, oder welches Päckchen sie in ihrem Leben mit sich tragen? Und ganz wichtig, wie geht es mir gerade? Wie schaut es aus- geht es mir gut? Kann ich mir was Gutes tun? Denn wir alle wissen, nur wenn ich selber fit bin, kann ich auch anderen gut helfen.
Wir alle tragen das Licht Christi in uns und so wie damals die Jünger sind auch wie aufgerufen dieses Licht in die Dunkelheit der Welt zu tragen, damit alle Menschen die Liebe, die Gerechtigkeit, die Vergebung und die Hoffnung erfahren können, die uns Jesus vorgelebt hat. Auch wenn die Worte der Engel sich für mich ziemlich ruppig anhören, so sind sie auch eine Einladung, unser Leben in Einklang mit den Werten und dem Willen Gottes zu führen und die christliche Botschaft in meiner eigenen Art und Weise in die Welt zu tragen. Und während wir darüber nachdenken, wie wir gute Zeugen Jesu sein können, dürfen wir nicht vergessen, dass Jesus uns versprochen hat, dass er bei uns sein wird, bis an das Ende der Welt. Wir sind nicht allein in unserer Mission. Jesus ist immer bei uns, er stärkt uns und begleitet uns auf unserem Weg.
Amen