Wer oder was stillt unseren Durst?
Ein Thema, das sich durch die heutigen Texte zieht, ist der Durst. Jesus, der die Frau am Jakobsbrunnen um Wasser bittet, und ihr dann ein Wasser anbietet, von dem man nie wieder Durst bekommt. In der Lesung das Volk Israel, das Durst leidet. Menschen, die verdursten, und Tiere, die verenden, weil ihnen Wasser fehlt.
Die Beschreibung des Dursts der Israeliten erinnert mich an die Landschaft und die Menschen im Nordosten Brasiliens, die ich vor kurzem besucht habe. Ich habe Kleinbauern gesehen, denen Wasser fehlt, weil ihnen die Agrarindustrie das Wasser abzieht; Wasser, das nicht mehr trinkbar ist, weil die Pestizidrückstände zu hoch sind; Böden, die wie Sand aussehen, weil sie völlig vertrocknet und ausgelaugt sind.
Das Volk Israel, von dem wir in der Lesung gehört haben, bekam Wasser. Sie haben es eingefordert, sie haben Gott auf die Probe gestellt, und es hat funktioniert: Mose schlug mit dem Stab auf den Felsen, und Gott schenkte ihnen Wasser. Dass die Menschen in Brasilien wieder genug Wasser bekommen, passiert wahrscheinlich nicht durch einen Schlag auf den Felsen. Nicht, dass ich Gott absprechen will, dass er zu einem solchen Wunder fähig wäre. Aber ich glaube, in diesem Fall ist nicht er an der Reihe, sondern wir. Wir Menschen, die wir durch unser eigenes Handeln die Schöpfung zerstören, die Wasserquellen zerstören, die Gott uns gegeben hat. Wir müssen selbst schauen, wie wir die Situation ändern können – und die Wasservorkommen, die es in der Region ja ursprünglich zuhauf gegeben hat, schützen können. Das sind teilweise politische und wirtschaftliche Entscheidungen, die in Brasilien getroffen werden, aber nicht nur.
Auch wir hier in Österreich können dazu beitragen. Eine konkrete Möglichkeit ist, unseren Fleischkonsum zu reduzieren, oder während der Fastenzeit weitgehend auf Fleisch zu verzichten, wozu die Aktion „Gerecht leben – Fleisch fasten“ einlädt. Der Zusammenhang ist hier ein eindeutiger – der zu hohe Fleischkonsum in Österreich führt zu einem hohen Bedarf an Soja als Futtermittel, das wir aus Brasilien importieren. Und dies führt zu Abholzung, versiegten Wasserquellen und gewaltvollen Vertreibungen von kleinbäuerlichen Familien und Indigenen.
Zu einer Minderung dieser Auswirkungen können wir durch die Reduktion unseres Fleischkonsums beitragen. Und nein, es geht nicht darum, Fleisch insgesamt zu verteufeln und alles schlecht zu machen, was mit Fleisch zu tun hat. Fleisch kann z.B. in Österreich auf nachhaltige Weise produziert werden, beispielsweise auf Almweiden, die sonst kaum Nutzen hätten.
Vielmehr geht es darum, die Wertschätzung für das wertvolle Produkt Fleisch wieder zu gewinnen. Ein steirischer Bauer hat mir vor kurzem erzählt, wenn er ein Rind schlachtet, geht er am Vorabend in den Stall, bereitet die Kuh darauf vor und bittet sie um Erlaubnis, sie zu schlachten. Wir müssen diese Wertschätzung wieder finden: für das Tier, das für uns stirbt; für die Bäuerin, die monatelang um das Tier sorgt; für das Wasser und das Futter, das für die Zucht nötig ist.
Wenn wir diese Wertschätzung wieder finden, werden wir automatisch weniger oft Fleisch essen, aber dafür ein Fleisch, das hochwertig ist.
Wir sind aufgefordert, unseren Hunger nach billigem Fleisch einzubremsen, unserem Durst auf immer mehr von allem nicht nachzugeben. Unseren Durst einbremsen und damit dazu beitragen, dass Menschen in anderen Teilen der Welt nicht tatsächlich dürsten müssen.
Die Fastenzeit lädt uns dazu ein, uns unseres ständigen materiellen Durstes bewusst zu werden, kürzer zu treten, auf manches zu verzichten.
Und dafür auch bewusster auf den anderen Durst zu achten, von dem wir heute gehört haben. Den Durst in uns, die Sehnsüchte in uns, die nur Jesus mit seinem lebendigen Wasser stillen kann. Mit seinem Wasser, von dem man nie mehr Durst bekommt.