Zielorientiert
Ist es nicht sehr eigenartig, dass Jesus einen Betrüger in den Mittelpunkt stellt, dem sein Herr zu Recht die Verwaltung entzieht.
Schauen wir genau hin, was Jesus uns da sagen möchte:
Fakt ist, der Verwalter ist ein Betrüger und die Entscheidung, ihn zu entlassen, hat der Boss bereits getroffen. Es steht nur noch die Schlussabrechnung aus.
Und nach dem Motto: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert!“ überlegt der Verwalter, was er tun kann und muss, damit ihn die Leute in ihre Häuser aufnehmen, wenn er als Verwalter abgesetzt ist.
Da ihm zur körperlichen Arbeit die körperliche Kraft und zum Betteln die moralische Kraft fehlt, frisiert er im Blick auf seine bevorstehende Entlassung die Schuldscheine, um sich Freundschaften mit den Pächtern zu erkaufen. Diese Pächter haben ihre Pacht in Naturalien zu bezahlen und indem er den Pachtzins halbiert, nutzt er in seiner Notsituation seinen kleinen Handlungsspielraum klug und entschlossen zu seinen Gunsten. Dass es sich um einen Superreichen gehandelt hat, geht schon aus den riesigen Schuldsummen hervor, die umgerechnet 3.900 Liter Olivenöl (Ertrag von 150 Ölbäumen) und 780 Zentner Weizen ausmachten. Für einen Kleinbauern ging es hier um riesige Summen, die er und seine Kinder nie im Leben abzahlen konnte. Die neue Schicht der Großgrundbesitzer lebte nicht im Land. Sie setzten jüdische Verwalter ein. Diese aber waren bei den verschuldeten Pächtern, ebenso verhasst wie die Großgrundbesitzer des Landes. Die Opfer der Preis- und Zinspolitik waren machtlos gegenüber jeder Zinserhöhung. Zwar war das Zinswesen unter den Juden verboten. Aber wo ein Verbot steht, gibt es auch Umgehungen. So war es üblich, einen Zinssatz verdeckt und ungenannt in die Schuldsumme mit hineinzupacken, mitunter sogar bis zu 100%, soviel erlaubte z.B. der im Orient gängige Paragraph 99 des ägyptischen Hammurapi-Gesetzes.
So befindet sich auch der „kluge Verwalter des Unrechts“ in der Jesuserzählung in einer berufstypischen Zwickmühle zwischen seinem Chef, der immer reicher wird, und seinen jüdischen Volksgenossen, die immer ärmer werden.
Er ruft die Gläubiger seines Chefs herbei und praktiziert einen riesigen Schuldenerlass. Er handelt da sogar im Sinne des altisraelitischen Gesetzes, das nicht mehr praktiziert, aber niemals abgeschafft wurde: das Gesetz über das Erlassjahr. Wer aber nach dieser Tradition handelt, ist nach Jesus kein ungerechter Verwalter, sondern ein Verwalter des augenblicklichen Unrechts, das er in mehr Gerechtigkeit verwandelt.
Jesus lobt nicht den Betrug, den der Mann begeht, sondern seine Klugheit. Seine Klugheit, besteht darin, dass er völlig zielgerichtet vorgeht und ohne Bedenken genau das tut, was zu seinem Ziel führt. Sein Ziel ist es, am Ende nicht Mittellos dazustehen. Er will auf alle Fälle noch etwas gelten und geschätzt werden. Dieses Ziel verfolgt er und setzt dazu sehr klug die Mittel, die er gerade noch hat, ein. Und eben diese Klugheit ist der springende Punkt in dem Gleichnis.
Jesus bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: „Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes.“ (Lk 16,8b)
Weil sie zielgerichtet vorgehen und alle Kraft einsetzen um das Ziel, das sie ins Auge gefasst haben, zu erreichen. Das Ziel der Kinder dieser Welt ist Erfolg, Wohlstand, langes Leben, Rum und Ansehen und vieles mehr.
Ich frage mich, was ist denn das Ziel, zu dem wir unterwegs sind? Was ist denn mein, unser großes Ziel? Das Ziel das für immer bleibt? Auch wenn dieses Leben zu Ende ist. Jesus spricht häufig von diesem Ziel, wenn er sagt:
„Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, … sondern sammelt euch Schätze im Himmel!“ (Mt 6,9). Und auch im Gleichnis das wir heute gehört
haben, macht er deutlich, worum es geht, wenn es mit diesem Leben zu Ende geht. (vgl. Lk 16,9)
Unser letztliches Ziel als Christ:innen besteht doch darin, einmal in den Himmel zu kommen. Dieses Ziel dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren.
Ein kluger Christ verfolgt mit aller Konsequenz dieses Ziel und tut alles, damit er es erreicht. Der Betrug ist sicher kein geeignetes Mittel, um in den Himmel zu kommen. Und Rücksichtslosigkeit führt auch nicht in den Himmel. Doch es gibt einen Weg dahin. Der ist nicht immer einfach, doch er führt ins Leben.
Jesus zeigt an einer Stelle im Matthäusevangelium auf, wie dieser Weg aussehen kann. Dort beschreibt er das Gericht am Ende der Welt und sagt: „Ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.“ (Mt 25,34ff) Denn „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40b). Wenn unser Ziel das ewige Leben bei Gott ist, müssen wir dann nicht auch alles dafür einsetzen, damit wir dieses Ziel
erreichen?