Wie wir leben sollen
Jesus ist in Jerusalem eingezogen, um dort das Osterfest zu feiern. Er wird vom Volk bejubelt und von vielen für den wiedergekehrten Propheten Elias gehalten. Die Schriftgelehrten aber betrachten ihn als Unruhestifter und fürchten ihn gerade im Hinblick auf das Fest. Man will ihn mit Fangfragen zu Fall bringen. Eine besonders ausgeklügelte ist diese Frage nach der Berechtigung einer Steuer, die dem Kaiser von Rom entrichtet werden muss.
Jesus antwortet der scheinheiligen Gruppe von Pharisäern nicht mit moralischen Vorschriften, er will nur die Silbermünze sehen, die der jährlich zu entrichtenden Steuer für eine Person im römischen Reich entspricht, und man zeigt ihm einen Denar. Wenn wir eine solche Münze genauer betrachten, sehen wir darauf das Bild des damals regierenden Kaisers Tiberius und dazu die Aufschrift „TI(berius) CAESAR DIVI AUG(usti) F(ilius) AUGUSTUS – Tiberius Caesar, des göttlichen Augustus Sohn, Augustus. Auf der Rückseite steht noch PONTIF(ex) MAXIM(us) oberster Priester. Dazu ist die Göttin Concordia (Eintracht) abgebildet, und sie trägt die Gesichtszüge von Livia, der Mutter des Kaisers. In der Antike war es üblich, dass ein Reich, das andere Völker unter seine Herrschaft gebracht hatte, diesen auch seine Religion aufbürdete. Und zu den Göttern, die zu Symbolen der herrschenden Macht wurden, kamen auch noch vergöttlichte Sieger wie z. B. Alexander d. Große oder, wie in Rom, die Kaiser. Gerade für die Juden, die ja nur an einen einzigen Gott glaubten, von dem sie sich kein Bild machen durften, war diese Verbindung von Herrschaft und Religion, noch dazu im Zusammenhang mit einer Steuermünze, ein besonderer Stachel.
Jesus gibt auf die ausgeklügelte Fangfrage eine schlagfertige Antwort, auf die Probleme geht er nicht ein. Es lohnt sich aber, über seine kurze Erklärung nachzudenken: Jesus sieht das System der Verwaltung eines Staates sauber getrennt von der Verehrung Gottes, die in jeder Zeit und Kultur für die Menschen im Mittelpunkt stehen soll. Pflichten dem Staat gegenüber erledigt man, Gott begegnet man mit seinem ganzen Menschsein. Man kann sagen, Jesus trennt Kirche und Staat. Das spricht uns heutige Menschen sehr an, denn wir wollen doch, dass Menschen verschiedener Überzeugung unbehelligt in unserem Staat leben können – und da denke ich wieder daran, dass Jesus den Menschen seiner Zeit immer Wege zu Gott gezeigt, aber niemanden gezwungen hat, diese zu gehen. Schön wäre es gewesen, wenn in unserem Europa so manche Staaten, die sich christlich nannten, diese Haltung zum Vorbild genommen hätten.
Nun bleibt noch die Frage, was es denn ist, das wir Gott geben sollen. Als ein Gesetzeslehrer Jesus nach dem höchsten Gebot fragt, spricht er die sinnschweren Worte: „Du sollst Gott lieben mit ganzem Herzen, ganzer Seele und mit all deinen Gedanken …und deinen Nächsten wie dich selbst“ (Mt 22,37). Wie sich die Liebe zum Nächsten im täglichen Leben auswirken soll, macht er in zahlreichen Beispielen verständlich: reagieren, wenn andere hungrig, krank, in Gefangenschaft etc. sind, mit den Traurigen weinen und mit den Frohen sich freuen etc., kurz, die Welt, für die wir durch Gottes Auftrag verantwortlich sind, immer lebenswerter machen. Amen