Der Alltag hat uns wieder?
"Der Alltag hat uns wieder." Ein Ausspruch, den viele von uns immer wieder verwenden: besonders nach einem Fest, einem Urlaub, nach einem besonderen Ereignis - nach einer Hoch-Zeit im Leben. Auch nach Ostern haben wir es schon oft gesagt: Der Alltag hat uns wieder (auch wenn die Osterzeit im Kirchenjahr 50 Tage - also bis Pfingsten - dauert).
Heuer heißt es oft nur: Wann werden wir wieder in einen sogenannten Alltag eintauchen dürfen? Wie wird unser Alltag sein? Ach könnten wir zurück zu unserem Alltag finden!
Der Alltag hat auch die Jünger wieder. Sie sind hart gelandet. Davor hatten sie eine Hoch-Zeit im Gefolge Jesu. Mit unterschiedlichen Hoffnungen und Erwartungen. Am Ende noch der großartige Einzug in Jerusalem, das gemeinsame Feiern des Pascha-Mahles - und dann ist alles aus dem Ruder gelaufen: Gefangennahme, Flucht der Jünger, Verurteilung und Kreuzigung Jesu - und Auferstehung.
Die Jünger kehren also in ihren Alltag, in ihren ursprünglichen Beruf zurück. "Ich gehe fischen", sagt Petrus. Aber der Rückstieg in den Alltag gelingt nicht. Die Jünger mühen sich ab, ohne Erfolg, die Netze bleiben leer. Nicht einmal das, was sie eigentlich können, gelingt. Wer kennt das nicht? Man bemüht sich wirklich, investiert Zeit und Kraft und Energie - und es schaut nichts heraus.
Auch in dieser Situation ist Jesus, der Auferstandene da. Genau dort, wo die Fischer eigentlich den Erfolg ihres Bemühens herzeigen - am Ufer, wo der Fisch verkauft wird - dort wartet der Auferstandene - unerkannt. Er fragt:" Habt ihr etwas zu essen?" Gemeint ist mit diesem Begriff im Originaltext das Zubrot, das, was das Leben über das Allernotwendigste hinaus wertvoll macht und Sinn stiftet.
Wir sind in der jetzigen Situation auch immer wieder mit dieser Frage konfrontiert. Was ist über dem Allernotwendigsten hinaus wertvoll? Was gibt unserem Leben Sinn? Auf was möchten wir nicht verzichten?
Jesus fordert auf, noch einmal hinauszufahren, es noch einmal zu probieren, das Netz auf der anderen Seite des Bootes auszuwerfen: Er verlangt nichts Unmögliches, sondern einfach: noch einmal, aber etwas anders. Das kommt uns auch sehr bekannt vor. Wir haben heuer auch Ostern gefeiert, aber etwas anders. Die Perspektive ändern, die Sache anders angehen, vielleicht unkonventionell, Neues ausprobieren.
Dann lädt Jesus ein: "Kommt und esst". Brot und Fisch sind schon bereitet um ein Feuer. Aber er sagt auch: "bringt von den Fischen, die ihr gefangen habt". Er lädt die Jünger ein, die Frucht ihrer Arbeit mitzubringen.
Diese Gedanken aus dem heutigen Evangelium möchte ich in den Alltag mitnehmen:
- Jesus ist dort, wo wir uns mühen - mitten im Alltag, wie auch immer dieser momentan bei uns ausschaut. Oft ist er unerkannt - aber er ist da.
- Er fordert uns auf, das zu tun, was wir können, was wir gut können. Dabei etwas nachjustieren, Haltung und die Perspektive ändern, auf ungewöhnliche Art und Weise, vielleicht sogar irritierend - aber eben das zu tun, was wir können.
- Wir dürfen das bringen, was die Mühe unserer Arbeit ist. Auch wenn Jesus wie am Lagerfeuer alles bereitet: Alles, was wir tun, hat in seinen Augen einen Wert.
Ich möchte hier noch einen Text von Hermann Josef Coenen zu der Bibelstelle anfügen
Der Herr am Ufer
Wenn wir am Ende sind mit unsrer Kraft,
mit unsrer Hoffnung, dass ein neuer Morgen kommt,
wenn wir enttäuscht die Hände sinken lassen
und meinen, alle Mühe war vergebens,
wenn unsre Netze leer sind, leer wie unsre Hände,
dann stehst du, Herr, am Ufer.
Wenn etwas uns gelingt, womit wir nicht gerechnet,
wenn etwas uns geschenkt wird, unverdient,
wenn es so viele Gründe gibt zum Dankesagen,
dann stehst du, Herr, am Ufer.
Wenn wir an Menschen denken, die der Hunger quält,
denen der Reis fehlt und der Fisch, ihr täglich Brot,
wenn wir an jene denken, die nach Liebe hungern,
nach Anerkennung, Zärtlichkeit, Gerechtigkeit,
wenn wir an unsre eigene unerfüllte Sehnsucht denken,
dann stehst du, Herr, am Ufer.
Wenn uns die Schuld bedrückt, weil wir verleugnet haben
oder verraten oder einfach nur vergessen,
wenn uns ein Name einfällt, den wir schwer enttäuscht,
den wir zu wenig liebten, dem wir Unrecht taten,
wenn wir uns fragen, ob wir dich wohl lieben, Gott
dann stehst du, Herr, am Ufer.
Wenn wir zurück an unsre Jugend denken,
an unsre Pläne, die Begeisterung, den Schwung von einst,
wenn wir uns heute sehen und bedenken,
was denn die Früchte sind aus allen diesen Knospen,
wenn wir versuchen, mühsam das zu lernen jetzt:
mich führen lassen, wohin ich nicht will,
und trotzdem dieser Führung zu vertrauen,
dann stehst du, Herr, am Ufer.
Wenn wir uns sammeln jetzt um einen schlichten Tisch,
auf dem nichts steht als etwas Brot und Wein,
ein Bissen nur, ein Schluck zum Überleben,
wenn wir das alles, was sich angesammelt hat in uns
an Hoffnung und Enttäuschung der vergangenen Woche
zusammenfassen in die knappe Bitte:
Herr, bleibe bei uns!
jetzt in dieser Stunde und gleich, wenn wir hinausgehn,
und morgen, wenn der graue Alltag wiederkommt,
dann stehst du, Herr, am Ufer.
Maria Otter