Leben in Fülle
Was bringt mir mein christlicher Glaube? Was habe ich von meiner Beziehung zu Jesus? Darf ich so fragen, oder ist das nicht kurzsichtig und egoistisch?
Jesus gibt in seiner Vorstellung heute, eine eindeutige Antwort:
Ich bin gekommen, damit sie das Leben habe und es in Fülle haben. Joh 10,10
Dieser Satz aus dem Mund Jesu gibt uns das Ziel an für unser Suchen und Fragen, für unser Glauben und Zweifeln. Nicht wir müssen Gott beweisen, wie moralisch einwandfrei wir sind, wie fleißig wir waren und wie fromm. Gott selbst kommt großzügig auf uns zu. Er gönnt uns unser Leben und unser Glück. Er will, dass unser Dasein gelingt und sich erfüllt.
Jetzt stecken wir aber fest in einer Krise, die uns beengt und unfrei macht. Vieles, was selbstverständlich war, ist uns genommen, vor allem die vertraute Nähe und der direkte Umgang mit den anderen. Viele leiden unter der Einsamkeit und fühlen sich in den eigenen vier Wänden gefangen. Als Kirche geht uns das Zusammenkommen und das gemeinsame Feiern der Liturgie sehr ab. Erreicht uns da noch etwas von der Fülle, die uns Jesus versprochen hat oder sind das jetzt leere Worte?
Auch ich selbst habe in dieser Ausnahmesituation Gefühlsschwankungen wahrgenommen und mich gefragt: Was mache ich jetzt? Wie sieht Seelsorge nun aus? Auf alle Fälle habe ich mehr Zeit für das Gebet, das Bibellesen und die Stille. Die Fülle von der Jesus spricht, habe ich in der täglichen Meditation entdecken dürfen, beim Erleben eines Sonnenaufgangs und im Aushalten, dass sich die Fülle meines Terminkalenders einfach geleert hat.
Wie es genau weiter gehen wird mit den Gottesdiensten, mit der Seelsorge, mit unseren Gruppen und Gemeinschaften in unseren Pfarrgemeinden, weiß ich noch nicht. Wann wir die Erstkommunion feiern werden, die für die Kinder der Morre- und Baiernschule heute in meinem Kalender steht, ist auch noch offen.
Ich habe gelernt mich dem auszusetzen, was kommt, und nicht mehr so viel zu planen. Es geht darum, da zu sein, für das, was jetzt von uns gefordert ist, erreichbar zu sein für die Menschen, die uns brauchen und weniger darum Strategien für die Zukunft der Kirche zu entwickeln.
Im Vertrauen und in der Stille – warum nicht auch in der eigenen Beengtheit oder gar in der Hilflosigkeit – kann die Tür aufgehen für das, was uns der auferstandene Christus schenken will: Leben, Leben in Fülle. Genießen wir es. AMEN!
Wolfgang Schwarz