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“Morgen kommen die ersten ukrainischen Flüchtlinge.” Worte damals, die bei mir erst einmal Panik auslösten. Wohin mit den Kriegsvertriebenen, woher die Matratzen für den dann doch aufgestellten Turnsaal bekommen, woher das Essen, Hygieneartikel und so viele anderes . . . irgendwie haben wir es dann aber doch geschafft. WIR, meine Mitarbeiter:innen von der Caritas und ich. Und auch die vielen anderen kleinen und großen Krisen bewältigt, die und später noch beschäftigten sollten.
Dann die Möglichkeit, im Sozialbereich zu bleiben und die Geschäftsführung des Grazer Odilien-Instituts zu übernehmen. Keine Angst vor der Aufgabe, aber jede Menge Respekt. Wie ein Monument, ein Statement, thront das mächtige Gebäude im Herzen von St. Leonhard, umgeben von einer wuchtigen Mauer rund um den wunderschönen Park. Man weiß in Graz und in der Steiermark zwar, dass dort “das Blindeninstitut” zuhause ist, aber so ganz genau . . . ?
Ja, das Odilien-Institut ist DAS Kompetenzzentrum für Blindheit und Sehbehinderung. Aber es ist auch so viel mehr. Es ist eine inklusive Pflichtschule, es ist eine einzigartige Fachschule für Blinde und Sehbehinderte, es ist Heimat für Menschen mit Mehrfachbehinderungen, es ist eine helfende Hand in den Arbeitsmarkt und eine Pflegeeinrichtung, es ist Werkstätte, es ist – mitten im Leben.
Was für mich das Odilien-Institut so ganz besonders macht, ist die von allen Mitarbeiter:innen so selbstverständlich gelebte Nächstenliebe. Zu sehen, wie der nicht immer einfache Umgang mit Menschen mit Behinderung gelebt wird, wie viel Herzblut dort tagtäglich aufgebracht wird, wie viel Geduld, macht . . . ja, ich möchte sagen dankbar und verdient höchste Wertschätzung. Aber auch zu erleben, wie blinde oder sehbehinderte Babys und Kleinkinder für die Welt da draußen in der Sehfrühförderung vorbereitet werden, wie Blinde durch konsequentes Training uns Sehende mit ihren Leistungen immer wieder Staunen machen.
Und dennoch immer wieder zur Kenntnis nehmen zu müssen, dass die Menschen draußen den Menschen mit Behinderungen mit Vorurteilen begegnen, dass Unternehmen lieber Ausgleichszahlungen leisten als noch so fähige Menschen mit Behinderung in ihre Betriebe zu integrieren. Auch auch das ist – leider – noch immer mitten im Leben.
‘’Liebe deinen Nächsten wie dich selbst” - im Odilien-Institut und vielen anderen sozialen Einrichtungen vorgelebt, wäre es “gerade in Zeiten wie diesen” notwendig, dieses christliche Wertekonstrukt wieder massiv zu stärken. Ohne erhobenen Zeigefinger, aber mit Nachdruck.
Der blinde Organist Gustav Garzaner entschloss sich während eines „inbrünstigen Gebetes“ Weihnachten 1879, einen Verein zur Unterstützung blinder Menschen zu gründen. Am 10. Mai 1881 wurde die „Odilien-Erziehungs- und Versorgungsanstalt für Blinde in Steiermark“ eröffnet, die neben Volksschulunterricht auch Unterweisungen in Musik und Berufen für Blinde bot.
1906 wurden bereits 121 Sehbehinderte unterrichtet und beschäftigt. Während des Ersten Weltkriegs gab es eine eigene Abteilung für Kriegsblinde. In der NS-Zeit wurde das Institut in "Blindenschule mit Heim" umbenannt. Die taubblinde Dichterin Irene Ransburg wurde 1944 deportiert und im KZ Theresienstadt ermordet. Nach Bombenangriffen flohen die Bewohner:innen nach St. Paul im Lavanttal und kehrten nach Kriegsende zurück.
1993 wurde das Hauptgebäude modernisiert, ein Wohnheim und eine Privatschule eröffnet. Seit 2017 gibt es eine NMS mit Integrationsklassen für Kinder mit und ohne Behinderung.
Spendenkonto:
IBAN: AT623800000008762502
BIC: RZSTAT2G
Bettina Schifko ist Geschäftsführerin im Odilien-Institut Graz
Diese Kolumne steht Ihnen offen, um Themen des täglichen Lebens aus Ihrer ganz persönlichen Sicht als Christ:in in einem kurzen Text zu kommentieren.
Wir freuen uns über Ihren Beitrag an webred@graz-seckau.at!