Wie soll ich durch unsere moderne, digitale Medienwelt navigieren? Was kann ich der heutigen Informationsüberlastung und der Überflutung mit Falschnachrichten entgegenhalten? Wie überprüfe ich Fakten am besten, wie erkenne und durchschaue ich Fehlinformationen, Propaganda und „Fake News“?
Diesen Fragen stellte sich Stefan Auer, Forscher beim Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies (ACIPSS) und Leiter des Sicherheitsinformationszentrums (SINFO) in Graz im Rahmen unseres Webinars Alles „Fake News“? – Die Gefahr der digitalen Desinformation, gefördert von der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung. Moderator Florian Traussnig zitierte einführend aus dem Buch Fake News machen Geschichte, in dem steht, dass „sachlich falsche Nachrichten über politische Zusammenhänge […] zu einem politischen Ereignis führen“ können – dieses Ereignis, so Traussnig, sei, überspitzt gesagt, die Krise der Demokratie. Letzterer sei eine Erkenntnis- und Medienkrise vorgelagert.
Das Zeitalter der Empörung
Der an der Schnittstelle zwischen handfester Sicherheits- und Aufklärungsarbeit und wissenschaftlichem Diskurs wirkende Propagandaexperte skizzierte zunächst „unseren medialen Raum“ (der laut Philosophin und Medienethikerin Claudia Paganini nicht weniger als „unser Lebensraum“ ist; Anmerkung F.T.). Auer veranschaulichte, wie zunehmend „deinstitutionalisierte“ (Internet-)Medien unser Weltbild mitformen und immer mehr Teilnehmer:innen sowie Sender den Medienraum durchwimmeln und um die Aufmerksamkeit – die als das „Gold der digitalen Zeit“ gilt – buhlen.
Habe es früher etwa noch im staatlichen Fernsehen einen „Sendeschluss und ein Testbild“ gegeben, so würden die gesellschaftlich zunehmend fragmentierten Medien-Player selbst sowie vor allem auch die Rezipienten und User:innen in einem „Age of Outrage“ (Jonathan Haidt) leben; viele Menschen würden unter medialer Überlastung leiden und permanenter Emotionalisierung sowie Moralisierung ausgesetzt sein, so Auer.
In Folge deklinierte er die Charakteristiken und Funktionsweisen moderner Medien konzise, kritisch und klar formulierend durch. Vom analogen oder gedruckten „Magneten“ – man vergleiche das mittlerweile überholte Bild des gemeinsamen Fernseh-Erlebnisses als „Lagerfeuer der Nation“ oder bestimmte Zeitungen, die von vielen gleichzeitig gelesen wurden – sei der Diskursraum zu einer aufwühlenden, digital flirrenden „Zentrifuge“ geworden.
Der keineswegs rationale Mensch
Dieser neue Medienraum öffne dem neuen apokalyptischen Reiter namens Desinformation Tür und Tor, so Auer, und begünstige die rasche Verbreitung von Inhalten – wer ein Smartphone besitze, könne die „Gatekeeper“-Funktion klassischer Medien rasch umgehen und natürlich auch problematische „Informationen“ verbreiten, während im Zeitalter der „Bots“ und der Künstlichen Intelligenz der Aufwand für Falsifizierung steigen würde. Offene Gesellschaften wie die unsere seien durch digitale Fehlinformationen oder Propaganda besonders gefährdet, so der Experte.
Auer differenzierte auch zwischen relativ harmloser Fehlinformation, bewusster, aber meist punktueller Falschinformation sowie absichtlich erstellten Fake News, die nicht nur in die Irre führen, sondern wie seriöse Nachrichten daherkommen. Gekoppelt mit unserer nach Bestätigung suchenden menschlichen Natur sowie unserer ebenso menschlichen Wahrnehmungsverzerrung und Voreingenommenheit („Bias“), zeige sich, warum es „Fact Checker“ im Zeitalter eines Donald Trump oder von russischen „Trollfabriken“ sehr schwer haben und der aufgeklärte Mensch letztlich nur ein mythisches Idealbild sei.
Es braucht geistige Selbstverteidigung und Mut
Alles faul im digitalen Staate also? Keineswegs. Auer, der an das mündige Individuum und die Lernfähigkeit der Politik glaubt („sie reagiert jetzt“ auf die neue Social-Media-Lage) sowie ein Grundvertrauen in Institutionen und (Qualitäts-)Medien als Apriori definiert, plädierte für den realistischen und – ja – kämpferischen Ansatz der „intellektuellen Selbstverteidigung“ und den Erwerb digitaler Medienkompetenz mithilfe des Dreischritts: Wissen (Konzepte, Fakten, Fähigkeiten), Technologie (Werkzeuge, Ressourcen), Prinzipien (Emotionen, Bias, Quellenkritik). Unter dem Motto „Das Internet kann uns auch helfen“ veranschaulichte er konkret, wie das Netz nicht nur zur Verbreitung, sondern auch zur Enttarnung von Falschnachrichten, („KI“-)Bildpropaganda und Verschwörungserzählungen genutzt werden kann; den Teilnehmer:innen und engagierten Hörern gab er sogleich eine hilfreiche „Toolbox“ zur Hand.
Bei der Rezeption, dem Verfassen und Teilen von Nachrichten gelte es, eigene Emotionen gründlich zu hinterfragen und bei weltanschaulichen Debatten im Netz nicht missionarisch zu agieren. Auch sich dem Bekenntniszwang in bestimmten Fällen zu entziehen und im sokratischen Sinne eigenes Nichtwissen zuzugeben, sei hilfreich und entlastend: „Wir sollten uns auch einmal zurücknehmen!“
„Die Zukunft unserer Demokratie baut auf mündigen und medienkundigen Menschen auf“, meinte Stefan Auer im Vorfeld des Webinars. Die sehr engagierte Fragerunde und tollen Rückmeldungen der Teilnehmenden machen Mut. Überlassen wir das Netz nicht den Verschwörungserzählungen und Fake News, gestalten wir die neue Medienwelt aktiv mit!
Florian Traussnig
Diese Veranstaltung ist gefördert aus Mitteln der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung (ÖGPB), Dank an das Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies für die Kooperation!
Die Anzahl der Printmedien sinkt, ebenso das „Nachrichteninteresse“. Auf Basis fundierter Daten kam Historiker und Kommunikationsexperte Heinz Wassermann bei seinem Vortrag zu „Medien als vierte Gewalt – wie lange noch?“ im Kleinen Minoritensaal zu diesem kritischen Befund.
Zuvor hatte Florian Traussnig mit den Worten von Hubert Patterer, Chefredakteur der Kleinen Zeitung, eingeleitet, dass etwa die – von Wassermann kritisch analysierte – Corona-Pandemie „eine Zumutung für die Medien“ gewesen sei. Eine Zumutung für die mittlerweile stark bedrängte vermeintliche „vierte Gewalt“ im Staate und die demokratisch gesinnten Kräfte im Land, die durch die jüngste Wiederwahl des gegenüber klassischen Medien und „fact checks“ feindlich eingestellten Donald Trump global gesehen noch an gesellschaftspolitischer und erkenntnistheoretischer Brisanz gewonnen hat.
Unter dem Motto „Im Netz nichts Neues“ skizzierte der Kommunikationswissenschaftler in Folge den kontinuierlichen Kultur- und Medienwandel weg von Gedrucktem und Linearem hin zu Digitalem und zur Social-Media-Fragmentierung. Dieser lasse sich etwa an den kontinuierlich sinkenden Reichweiten der gedruckten Tageszeitungen ablesen. So weist Österreich heute nur mehr 12 gedruckte Tageszeitungen auf, während demnach etwa in Norwegen rund 100 Print-Tageszeitungen existieren.
Da Medien nicht nur wirtschaftliche Akteure (die von uns als Userinnen und Kunden freiwillig generierte Wertschöpfung auf den sozialen Netzwerken fließe etwa fast gänzlich zu den Konzernen in Übersee ab, so der Historiker) sind, sondern eine gesellschaftlich wichtige „Informations- und Artikulations-, Meinungsbildungs-, Kritik- und Kontroll- und Sozialisationsfunktion“ inne haben, bringe die neue Medienrealität ein Bündel von Problemen und Herausforderungen mit sich, so Wassermann.
So hätten sich die totalen „Nachrichtenverweigerer“ allein zwischen 2016 und 2022 verdreifacht und das generelle Vertrauen in die Nachrichtenquellen sei ebenfalls gesunken. Neben dem Schaden, den die nicht wirklich „kuratierten“ sozialen Medien in Bezug auf unseren Umgang mit Fakten und unsere Erkenntnisgewinnung ausübten, zeige sich laut dem Vortragenden auch: „Den digitalen Königen sind Diskurs und Demokratie egal.“
Wassermann arbeitete in seinen daten- und quellengesättigten Ausführungen allerdings auch heraus, dass trotz des Schrumpfens von (Qualitäts-)Printmedien und linearen (TV-)Angeboten in Österreich, der Marktanteil von „klassischen“ gedruckten Medien und TV- und Radioformaten hierzulande im internationalen Vergleich noch hoch ist und der ORF als öffentlich-rechtlich Mediendienstleister eine Sonderstellung innehat – mit allen Vor- und Nachteilen.
Das engagierte Publikum suchte nach realistischen und mutigen Wegen, um den Medienwandel zu bewältigen oder demokratiezersetzenden Verschwörungstheorien im persönlichen Umfeld selbstbewusst entgegenzutreten. Ein regionalpolitisch aktiver Zuhörer meinte etwa, dass „die Jungen“ am Land fast nur über soziale Medien erreichbar wären und Podcasts ein gutes Medium hierfür seien. Im Namen des verhinderten Heinz Finster vom Kooperationspartner Sonntagsblatt für Steiermark appellierte Moderator Florian Traussnig am Ende auch daran, „das Licht nicht unter den Scheffel zu stellen“ und die (digitalen) Medien kämpferisch fürs Gute zu nutzen. Dazu passt zudem das vom Vortragenden ausgewählte Zitat von Catherin Anne Hiller von der funke mediengruppe: „Das Einzige, wovor Verlage wirklich gerettet werden müssen, ist die allgegenwärtige Lust am Untergangs-Narrativ.“
Florian Traussnig
Diese Veranstaltung ist gefördert aus Mitteln der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung (ÖGPB), Dank an das Sonntagsblatt für Steiermark für die Kooperation!
"Der Kafka treibt es sehr weit mit dem Sascha" - das sagt Hans Platzgumer über den einsamen, kranken und Taxi-fahrenden Anti-Helden seines aktuellen Buchs „Die ungeheure Welt in meinem Kopf“
In seiner "fest im Boden" der Lebenswelt verankerten, mit McCoy Tyner musikalisch aufgejazzten und mitreißenden Lesung ließ Platzgumer die Gäste im Cafè Famoos im Unicorn der Uni Graz atmosphärisch tief in seinen gut getakteten "Taxler- und Kafkaroman", der laut dem Autor auch eine "Art Verhör" ist, eintauchen.
In direkter Rede und ebenso plastisch wie schwungvoll erzählend, sprang der Autor in den Kopf seines sich zunehmend zwischen Realität, Kafka-Tagebuchzitaten und fiebriger Psychose verheddernden Taxifahrers. Der sich ironisch als "Haderhans" bezeichnende Kafka-Liebhaber Platzgumer, der mit Brigitte Rinner einen "local" als charmanten Überraschungsgast in seinem literarischen Taxi Platz nehmen ließ, förderte dabei allzu Menschliches, ganz viel Existenzielles und Fantasievoll-Düsteres zutage - parallel zur zunehmenden emotionalen "Ungeheuerlichkeit" wurde auch die Beleuchtung im "Beisl" runtergedimmt.
Die kafkaeske und bei seinen literarischen Figuren immer wieder durch deklinierte "darkness" ist für Platzgumer „nicht nur beklemmend. Das glasklare Hinschauen [...] entreißt dem Schrecklichen einen Teil des Schreckens“ – so Platzgumer im Standard. Und ja, der glasklare, empathische und lebensweltlich glaubwürdige Zugang zu seinem "Taxler" Sascha, den "das echte Leben von echten Menschen, festgehalten in ihren eigenen Worten“ interessiert, liest sich überraschend tröstlich. Hört man derartiges gar live und steht dann im Beisl noch gemeinsam bei einem Getränk zusammen, dann kann aus Dunkelheit auch Daseinsbewältigung werden.
"It's always darkest before the dawn" singen Florence & The Machine. Ein schaurig-schöner Abend, kurz vor dem orangen Kürbis-Grusel und Allerheiligen.
Florian Traussnig
„Es ist einer dieser Zufälle, wie ihn sich nur das Leben ausdenken kann. Völlig unverhofft treffen sich zwei junge Steirer im Herbst 1944 in der texanischen Hauptstadt Austin im Süden der Vereinigten Staaten – tausende Kilometer entfernt von der Schule, die sie vor Jahren gemeinsam besucht haben. Wenige Monate später ist einer von ihnen tot, als US-Soldat im nördlichen Apennin einer deutschen Granate zum Opfer gefallen. …“
Dies schrieb der Historiker Robert Lackner vor kurzem in der Kleinen Zeitung. Vor der erwähnten Schule, der heutigen HAK Grazbachgasse in der steirischen Hauptstadt, findet sich dazu folgende Inschrift: „Hier lernte Heinrich Kissmann. Flucht 1938 USA“.
Gemeinsam mit Florian Traussnig ging Lackner bei einem biografischen Stolpersteinrundgang der teils tragischen Geschichte von "Henry & Fred" sowie eines weiteren Grazers während der NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg nach. Die drei Männer flohen bzw. emigrierten zwischen 1933 und 1938 aus Österreich in die USA und wurden im Zweiten Weltkrieg als „G.I.s“ in der 10th Mountain Division, einer hochspezialisierten „Skitruppe“ der US-Armee ausgebildet. Alle drei dienten in dieser Einheit für ihr neues Heimatland USA und kämpften in Italien gegen die Wehrmacht. Für ihren bewaffneten Einsatz gegen den Nationalsozialismus zahlten sie einen hohen Preis: Fred Strauss wurde im Apennin getötet, Otto Korban schwer verwundet und Henry Kissman linderte als Sanitäter viel Leid an der Front.
Der Rundgang vorbei an Orten ihrer Kindheit und Jugend – Schulen, Wohnhäuser, ehemalige Arbeitsplätze der Eltern – spürte dem Leben dieser drei ehemaligen Grazer nach und thematisierte auch die ethischen Aspekte des „Widerstands von außen“ in alliierter Uniform, den diese (meist jüdischen) Österreicher in der US-Gebirgstruppe geleistet haben.
Der gemeinsam mit der Alumni Community der Uni Graz (Sektion Theo-Club) und dem Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung ermöglichte Stolpersteinrundgang wird vielleicht auch in einer Zeitgeschichte-Dokumentation seine filmischen Spuren hinterlassen. Stay tuned!
Florian Traussnig
„Wir wollen doch alle die Welt etwas besser verlassen, als wir sie vorfinden“ – meint der international wild erfolgreiche Tom Lohner bei der letzten und sehr persönlichen Ausgabe von „Kirche im Gespräch“ vor der Sommerpause im gemütlichen Café Erde in Graz. Der für so unterschiedliche Kunden wie die k. u. k. Hofbäckerei Edegger-Tax, Almdudler, Lady Gaga oder die Weltausstellung des Jahres 2025 im japanischen Osaka tätige Pop-Art-Künstler sprach nicht nur über seinen Weg zum Erfolg, sondern auch über Demut: Es sei immer sein Ziel gewesen, von der Leidenschaft fürs künstlerische Tun leben zu können – dass dies nun auch kommerziell so gelinge, mache ihn dankbar, so der von Cyberpunk und postapokalyptischen, aber stets schwungvollen Motiven inspirierte und begeisterungsfähige Künstler. Auch in seinen ehemaligen Jobs als Barkeeper oder Bühnentechniker habe er stets mit Freude gearbeitet, so Lohner. „Alles gern machen!“ und entgegen der oft pessimistischen österreichischen Mentalität zu „manifestieren“, sprich: sich vorzustellen, dass man sein Ziel schaffen wird – das habe er in seiner Karriere besonders beherzigt. So habe er vor seinem Durchbruch in London 427 (!) erfolglose Bewerbungen im kreativen Feld des Grafikdesigns verschickt und nie von seiner Passion für die Kunst und vom Glauben an sich abgelassen: „Wenn du etwas mit Leidenschaft machst und ihr folgst, dann wirst du an deine Ziele kommen“.
Der quirlige Künstler zeigte sich auch von seiner verletzlichen Seite und berichtete mit großer Offenheit von gesundheitlich und seelisch schwierigen Momenten, die just am Höhepunkt des Erfolgs eintraten. Seitdem habe er sich innerlich neu ausgerichtet und lebe „nicht nur im Morgen“, sondern „im Jetzt“. „Ich habe das Zuhause in mir gefunden“ und kann „den Boden unter den Füßen wieder spüren“, so Lohner. Er lebe nun seinen künstlerischen Flow – der auch gefährlich sein kann wie das Meer, das sein flottierendes Künstlerschiff umtost – nun bewusster aus. Die Lebenserfahrung und neu gefundene Erdung würden ihm helfen, das Schiff auf Kurs zu halten. Lohner gab am Ende noch vier grundlegende Haltungen, mit denen er menschlich und beruflich gut gefahren ist, mit: 1) Entwickle einen unverkennbaren Stil 2) Zeige mutig, was du machst 3) Netzwerke 4) Mach das was du machst, gern!
Das engagierte und bunt durchmischte Publikum diskutierte mit Tom Lohner noch sprichwörtlich über Gott und die Welt. Einige nutzten die Chance, zugunsten der Caritas Steiermark eine Zotter-Schoko zu erwerben und vom geselligen Gast signieren zu lassen. Ein großes THANX an Kooperationspartner „Kirche im Kino“ und an alle Beteiligten!
Florian Traussnig & Kathrin Karloff
Wir.Prägen.Graz. – Den Menschenrechten auf der Spur mit Mag.a Edith Zitz
„Viele Wege führen zu den Menschenrechten!“ – Unter diesem Motto führte am 11. Juni 2024 die versierte Erwachsenenbildnerin Mag.a Edith Zitz, im Rahmen einer von der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung geförderten Veranstaltung des Bildungsforums Mariatrost, hochinteressierte Teilnehmer:innen auf den von Josef Fürpaß neu gestalteten Menschenrechtsweg im Grazer Leechwald. An den einzelnen Stationen bis zur Hilmwarte erläuterte Zitz, wie unabdingbar die Menschenrechte für unser aktuelles wie auch zukünftiges Zusammenleben sind und inwiefern sich Grazer Bürger:innen und Organisationen für sie einsetzen.
Nach Erklärungen zu den Vereinten Nationen, die sich zur Gewährleistung und zum Schutz der Menschenrechte jedes:r Einzelnen bekennen, sowie zur Notwendigkeit, diese Grundrechte für sich selbst und für unsere Nächsten zu fördern und zu verteidigen, verwies Zitz auf den Grazer Menschenrechtsbeirat der Stadt Graz, der „den Weg der Menschenrechtsstadt Graz kritisch begleiten und mit Evaluierungen und Ratschlägen unterstützt“.
Anschließend folgten Erläuterungen zum allgemeinen Menschenrechtskatalog, bevor die aktiv sich beteiligenden Teilnehmer:innen tief einstiegen in aktuelle Themen rund um politisch aktives Tun, das Recht auf eine sinnvolle Klimapolitik, Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit, Unterstützungsangebote v.a. für junge und benachteiligte Menschen, Frauenrechtsaktivitäten oder das Recht auf Privatsphäre. Das von Sigi Faschingbauer, im Namen des Vereins ‚Lebensgroß‘, im Leechwald (gegenüber des Artikels 9) errichtete Mahnmal hinsichtlich der Verfolgung, Demütigung und Ermorderung von Menschen mit Behinderung in Zeiten des Nationalsozialismus wurde intensiv thematisiert.
Das Recht auf Asyl (Artikel 14) erfuhr ebenfalls besonderes Augenmerk – mit präzisen, hilfreichen Informationen über die Lebensumstände derjenigen Frauen, Männer und Kinder, die in Österreich Asyl gewährt bekommen. An unserem Ziel, der 40 Meter hohen Hilmwarte, aktuell Forschungsstation von Joanneum Research, angekommen, ließen wir unseren Blick weiten hinsichtlich (auch) zukünftig notwendiger Entwicklungen zur Erhaltung und Stärkung der Menschenrechte – weltweit, in Österreich, in unserer Landeshauptstadt Graz.
Der Wunsch nach Freiheit im Herzen Europas: Tschechien (& die Slowakei) im Kommunismus
„Sich frei bewegen zu können, sich auszusuchen, wo man wie lebt und was man dort tut - alles Freiheiten, die uns heute selbstverständlich scheinen. Das waren sie für viele Europäer:innen, die mit dem Eisernen Vorhang leben mussten, jedoch lange nicht.“ So kündigte die Katholische Hochschulgemeinde Graz den Vortrag der Historiker Dieter Bacher und Philipp Lesiak vom Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung in Graz an, die in Kooperation mit dem Bildungsforum Mariatrost zum Auftakt der Reihe Europa – und jetzt? Zeitgenössische Fragen in bewegter Geschichte auf die faszinierende Geschichte des Landes, das heute die Tschechische Republik ist, blickten.
Lesiak, ein kuratorisch erfahrener Experte für tschechoslowakische Zeitgeschichte im niederösterreichischen Grenzlandkontext, gab einen bis in die k.k.-Zeit zurückreichenden, instruktiven Einblick in die Geschichte des „Industriechampions“ und „Vielvölkerstaats“ Tschechoslowakei. Dieser Vorgängerstaat des heutigen Tschechien und der Slowakei war, so Lesiak, bis zum berüchtigten Münchner Abkommen von 1938 und der schrittweisen Machtergreifung der Nationalsozialisten im Land stark westlich orientiert sowie „die letzte Demokratie in Zentraleuropa“ und während der Ausbreitung des Kommunismus bis 1948 die letzte Demokratie im mittleren Osteuropa gewesen.
Der Nachrichtendienstexperte Bacher gab einen kenntnisreichen Einblick in die repressive Geschichte des Kommunismus, die sich etwa in einem brutalen Grenzregime, aber auch kirchenfeindlichen Maßnahmen widerspiegelte. Die „Katholische Kirche war eines der Feindbilder der Kommunistischen Partei“ der Tschechoslowakei, so der Historiker, der hier etwa das schillernde Beispiel eines gewissen Heinrich Ponta erwähnte. Dieser nach Österreich geflohenen Messdiener rettete Kirchen(kultur)güter vor dem kommunistischen Regime und brachte sie nach Österreich. Pontas „Schmuggler“-Ring war der tschechoslowakischen Staatssicherheit ŠtB immerhin ein 10.000 Seiten dickes Aktendossier wert. „Der ‚Iron Curtain‘ war also auch ein ‚Iconic Curtain‘“, ergänzte Bacher pointiert.
Trotz solcher Beispiele für Widerstand, Resilienz und Flucht zeigte sich: Das totalitäre System der Sowjetunion hielt Länder wie die Tschechoslowakei für 40 Jahre mit Repressionen auf kommunistischer Linie.
Der „Wunsch nach Freiheit“ und der Drang, sich im Herzen Europas demokratisch entfalten zu können, waren aber letztlich zu groß und führte die beiden Nachfolgestaaten nach der „Samtenen Revolution“ 1989 später auch in die Europäische Union. In der von KHG-Bildungsreferent Daniel Pachner sorgfältig geführten Diskussion ergänzte Lesiak, dass sich der Wunsch nach Freiheit in den massenhaften Absetzbewegungen tschechoslowakischer Staatsangehöriger während der KP-Diktatur manifestierte – letztere waren eine „Abstimmung mit den Füßen“, so der Zeithistoriker. Man wählte die Freiheit durch Flucht in demokratische Länder wie Österreich. Florian Traussnig wies in seinem Grußwort als Vertreter des Bildungsforums Mariatrost auf die kooperative – also im besten Sinne „europäische“ – Dimension dieses wunderbar lehrreichen und spannenden Themenabends hin. Auf daher zur EU-Wahl im Juni!
Florian Traussnig
Lasst uns für ein starkes Europa eintreten!
Es war ein leidenschaftlicher, humanistischer und demokratiebejahender Auftritt von Othmar Karas, des Ersten Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, bei „Kirche im Gespräch“ unter dem Motto „So schaffen wir Europa!“ im Gösser Bräu in Graz.
Viel zu oft werde die politische Debatte bei uns „personalisiert, nationalisiert, parteipolitisiert“, so der EU-Visionär und Christdemokrat bei der gelungenen und gut besuchten Kooperationsveranstaltung mit „Kirche im Kino“. Karas, der mehrere Krisen (Klimawandel, Kriege, Migration, Angriffe auf die Demokratie u.a.) unserer Zeit klar, aber ohne populistische Untertöne benannte, zeigte sich überzeugt, dass es heute vielmehr „europäische Netze“, „solidarische Kooperation über Grenzen hinweg“ und einfach mehr gegenseitiges Vertrauen brauche. Herausforderungen wie Migration – hier differenzierte er zwischen Arbeitsmigration, Flucht/Asyl & „illegaler“ Migration – lassen sich „nur im Miteinander lösen“. Angesichts der bevorstehenden EU-Wahlen fragte er rhetorisch: „Was gewinnt? Demokratie oder Autokratie? Zusammenarbeit oder Schuldzuweisung?“ Auf die Frage aus dem sehr engagierten Publikum, ob Europa nicht bessere Erzählungen brauche, reagierte Karas mit Blick auf das Faktum, das noch kein Mitgliedsland der EU je einen anderen EU-Staat angegriffen hat, pointiert: „Ist die Friedensdividende keine Erzählung?“
„Grundlage des europäischen Wertesystems ist der Respekt vor der Würde jedes Menschen“, so Karas. Wir müssten uns – „in Vielfalt geeint“ – wieder „trauen, FÜR etwas einzutreten“, sagte der Europa-Advokat am Ende seines flammenden, mit lang anhaltendem Applaus bedachten Auftritts im Gösser Bräu.
Das Bildungsforum Mariatrost dankt dem Team von „Kirche im Kino“ für die tolle Kooperation!
Florian Traussnig & Kathrin Karloff
Teil 2 der Reihe ,Philosophische Lebenskunst als Sorge der Seele‘
„Glücklich leben wollen alle, aber wenn man herausfinden will, was ein glückliches Leben ausmacht, dann gewinnt man keine Klarheit…“, wusste bereits Seneca (in: ,Über das glückliche Leben‘) festzustellen.
Zumindest eine Annäherung ist an diesem Abend des 18. April 2024 aber wohl gelungen – wobei es der deutsche Begriff nicht einfacher macht, wie die Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin, Frau Mag.a Marie-Christin Hinteregger, darlegte: Ein und dasselbe Wort bezeichnet den einzelnen, flüchtigen und nicht beeinflussbaren Moment des Zufalls wie auch den „wesentlich stabileren und in unserem persönlichen Einflussbereich liegenden Zustand der angenehmen, positiven Gemütsverfassung“ – wofür in der Glücksforschung die Begriffe „subjektives psychisches Wohlbefinden“ oder „Lebenszufriedenheit“ verwendet werden. Im Englischen hingegen findet sich die Unterscheidung zwischen „luck“ und „happiness“.
Vertrauensvoll ließen sich die zahlreichen Teilnehmenden, bestehend aus Studierenden sowie Gästen des Bildungsforums Mariatrost, auf ein kleines Experiment mit Psychologin Hinteregger ein – um damit fünf Glücks-Mythen auf die Schliche zu kommen: So führt „reich und erfolgreich zu sein“ laut Forschung definitiv nicht zu einem langfristigen Gefühl von Glück und Zufriedenheit!
Patentrezept zum Glücklichsein gibt es leider keines, die gute Nachricht aber: „Glücklichsein, im Sinne von ,Zufriedensein‘, ist eine Frage des Mindsets.“
Philosoph Prof. Hans-Walter Ruckenbauer von der Universität Graz, Referent bei allen drei Teilen der ,Lebenskunst‘-Reihe, spürte zahlreiche Anknüpfungspunkte zur Glücksforschung auf. Um Aristoteles und die ,Eudaimonia‘ kommt man in Sachen ,Glück‘ wohl nicht herum. Für ihn ist die ‚Tugend‘ aufs Engste mit dem Glück als ‚höchstes Gut‘ verbunden. Weitere „Glücks-Spuren“ wurden über Epiktet bis zu Wilhelm Schmid gezogen. Bedenkens- und beachtenswert ist wohl die Verknüpfung mit dem ,Sinn‘ bei Viktor Frankl. Als „letzte Stellschraube“ lässt sich noch immer der Zugang und die Einstellung zu einer Situation wählen.
Fazit: Glück kann ganz schön komplex sein – aber Glücklichsein lässt sich (zumindest bis zu einem gewissen Grad) erlernen!
Margret Herbst
,WHATSAPP-Schlagabtausch und GEHEIMNIS im Gesellschaftsmüll‘: Karloff & Traussnig im Literaturgespräch
Im Rahmen der KULTUM-Populärkulturreihe ,Seismographics‘ stellten am 28. November Drin Kathrin Karloff (Bildungsforum Mariatrost) und Mag. Dr. Florian Traussnig (KULTUM) im kleinen Minoritensaal in Graz erneut zwei aktuelle, stilistisch sehr unterschiedliche Gegenwartsromane mit überraschend vielen inhaltlichen Bezügen einander gegenüber: ,Zwischen Welten‘ von Juli Zeh und Simon Urban sowie ,Glückliches Geheimnis‘ von Arno Geiger (beide 2023) – Seismographen für die Erschütterungen in unserer Gesellschaft und den Umgang mit ihnen: Während sich ,Zwischen Welten‘, ein hochaktueller „Brief“-Roman um die zerstörerische Kraft eines enthemmten Whatsapp-Diskurses zweier Menschen, die sich nach zwanzig Jahren zufällig wiederbegegnen, dreht, erzählt Arno Geiger in seinem jüngsten Werk sprachlich klar, analytisch und nachdenklich über sein literarisches Werden und sein Arbeitsverständnis als Autor, der morgens kopfüber und verschwitzt im Altpapier wühlt und abends mit Präsidenten diniert.
Im vergleichenden Literaturgespräch wurde viel zutage gefördert über das Auseinanderdriften entgegengesetzter gesellschaftlicher Pole und Haltungen, den Niedergang der Debattenkultur, die Bedeutung von Empathie und Liebenswürdigkeit, Freiheit versus Selbstbestimmung, die Grenzen des gemeinsamen Austauschs sowie die Frage, ob und wie ein „Alles auf Anfang!“ möglich werden kann – bis es am Ende des Literaturgesprächs, mit den Worten Arno Geigers, hieß: „Ich bin jetzt am Grund. Es ist alles geborgen. Rasch weiter!“
Rückblick: Vortrag und Gespräch mit Franz Küberl: 'Zukunft muss nach Besserem schmecken' am 26.9.2023 in Deutschfeistritz!
Ausgehend vom "Leuchten von Vorbildern", die ihn durch die Art und Weise, wie sie anderen Menschen hilfreich zur Seite standen, prägten, und zugleich der Entdeckung, "auf die Butterseite des Lebens gefallen zu sein", erläuterte der ehemalige Caritas-Präsident, warum es so wesentlich ist, "die Zukunft in der Kirche am Marktplatz des Lebens zu schmecken"!
Es brauche, so Küberl, eine bunte Vielfalt an Engagierten und eine ausgewogene Balance zwischen der Beschäftigung mit innerkirchlichen Fragen und der Begegnung mit den Menschen. Zukunft – im Sinne von Fortschrittsdenken, Risikovorsorge und Geschichtsbewältigung, verbunden mit dem notwendigen Humor – werde "dann schmecken, wenn Zukunftsmöglichkeiten im persönlichen Aktionsradius gestaltet werden."
40 Teilnehmer:innen nahmen begeistert an dieser Kooperationsveranstaltung im Rahmen des Schwerpunktes 'Arbeitnehmer:innensorge' im Seelsorgeraum GU-Nord und in Kooperation mit dem Bildungsforum Mariatrost, dem Katholischen Bildungswerk sowie dem 'Fonds für Arbeit und Bildung der Diözese Graz-Seckau' teil und kamen mit Franz Küberl nach seinem Vortrag noch lange ins Gespräch.
Rückblick: „Süchtig nach Sinn. Über Zeitenwende und Gefährdungen“ – Vortrag und Gespräch mit Peter Strasser
Die Veranstaltung ist gefördert aus Mitteln der Österreichischen Gesellschaft für politische Bildung (ÖGPB).
Bei seinem, trotz hochsommerlicher Temperaturen, gut besuchten Vortragsabend am 22.6. konstatierte Prof. Dr. Peter Strasser die verstärkte Individualisierung von Lebensentwürfen und, damit in Zusammenhang stehend, die um sich greifende zwanghafte Suche nach dem Sinn des Lebens bzw. die permanente „Selbstneuerfindung des Sinns“. Der „Spiritualitätsmarkt“ wisse geschickt darauf zu reagieren, mit der ganz und gar nicht harmlosen Konsequenz der Ablehnung des rationalen Denkens sowie weltweit erstarkender Kollektivismen, teilweise durchtränkt von faschistoidem Gedankengut.
Strasser bedauert angesichts komplexer, u.a. wirtschaftlicher und ökologischer, globaler Entwicklungen eine gewisse Hilflosigkeit der Möglichkeiten einflussreicher politischer Partizipation und warnt vor zivilem Ungehorsam als „Happening“. Ideal und damit wesentlicher Beitrag zur Gestaltung der Welt als lebenswerten Ort stellt für ihn „Caritas“ bzw. tätige Nächstenliebe dar, eine effektive, überall umsetzbare Form des Engagements – eine Forderung, die den intensiven Austausch der Teilnehmenden über ihre Umsetzungsmöglichkeiten zur Folge hatte.
Buchpräsentation und Talk mit Erwin Javor und Harry Bergmann am 3.5.2023, Kooperationsveranstaltung des Bildungsforums Mariatrost, des Steiermarkhofs und des Katholischen Bildungswerks!
Die renommierten Wiener Unternehmer Erwin Javor (u.a. Herausgeber von ,mena-watch‘, dem unabhängigen Nahost-Think-Tank, sowie von ,NU - Jüdisches Magazin für Politik und Kultur‘) und Harry Bergmann (mehr als 40 Jahre lang geschäftsführender Gesellschafter von Österreichs größter Werbeagentur DMB) präsentierten vor 65 Gästen ihr kurz vor dem 75jährigen Jahrestag der Staatsgründung Israels erschienenes Buch ,Israel – was geht mich das an?‘, eine Anthologie von 14 Kurzgeschichten bzw. Essays, geschrieben von national und international renommierten Autorinnen und Autoren wie Danielle Spera, Wolf Biermann, Robert Schindel, Ben Segenreich oder Mirna Funk!
Im intensiven Gespräch, u.a. mit Ehrengästen wie dem Landeshauptmann a.D. Hermann Schützenhöfer, beleuchteten sie das noch Unbekannte hinter der obsessiven Medienflut um einen Staat, zu dem sich jeder ein Urteil erlaubt und der mit seinen Bewohnern aus über 120 Nationen, „wie ein globales Kaleidoskop auf engstem Raum wirkt." So öffnete Harry Bergmann mit seiner berührenden autobiographischen Erzählung ,Die Karriere eines Taxifahrers' den nötigen Raum für das, was von den Kameras zumeist ausgespart wird, jedoch Teil des gelebten, bunten israelischen Lebens ist. Ein gehaltvoller, perspektivenreicher Abend, der musikalisch wunderbar umrahmt wurde von Klezmer-Musik auf Top-Niveau!
Mehr als 20 hochinteressierte Bildungsaffine machten sich am 14.3. auf einen Stadtspaziergang der besonderen Art auf: Vom Mariahilferplatz „im Gries“ startend, ging die Gruppe bis zum Freiheitsplatz, am „anderen“, politisch bedeutsamen „rechten“ Murufer gelegen, und bewegte sich auf den Spuren von Grazer Frauen, die das städtische Leben in der Landeshauptstadt – und über deren Grenzen hinaus – immer schon bereichert haben. Erwachsenenbildnerin und Diversitätsfachfrau Mag.a Edith Zitz, die ein ausgeprägtes Interesse für den öffentlichen Raum hegt und der „selbstbestimmt leben“ ein besonders wichtiges Anliegen ist, machte aktiv gelebte, jedoch häufig verborgene Formen politischer Teilhabe von in Graz lebenden Frauen sichtbar.
Auf ihrem urbanen, aus Mitteln der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung geförderten Streifzug widmeten sich die Spaziergänger:innen, an der Caritas-Einrichtung tag.werk stehenbleibend, Fragen rund um Arbeitsmarktintegration und Beschäftigungsausmaß von in Graz lebenden Frauen. Die besonderen Lebensbedingungen und das mitgebrachte Know-know von Frauen (und Männern) mit Migrationshintergrund kamen dabei nicht zu kurz. Nach einem spezifischen Blick auf die am ,Kunstbaus‘ angebrachte, unabhängige Wandzeitung ausreißer, die als (künstlerisches) Sprachrohr u.a. für frauenspezifische Themen dient, machte Edith Zitz bei den „Liebesschlössern“ auf der Erzherzog-Johann-Brücke auf die von Frauen erkämpften Beziehungsformen und deren rechtliche Gleichstellung aufmerksam.
An der Franziskanerkirche öffnete Zitz den Teilnehmer:innen, im wahrsten Sinne des Wortes, die Augen für das taktile Bodenleitsystem in Graz, das blinden und sehbehinderten Frauen und Männern ermöglichet, sich selbstständig im öffentlichen Raum zu bewegen. Inwieweit eine barrierefreie und gendergerechte Stadtentwicklung von Frauen immer wieder gefordert wird und positive Auswirkungen für das Leben aller Grazer:innen hat, erläuterte die Referentin auch in Bezug zum notwendigen Ausbau von Grünflächen, Sitzgelegenheiten oder auch von Still- und Wickelräumen. Im Grazer Rathaus ging es schließlich um Daten und Fakten rund um das politische Engagement von Grazer Politiker:innen und steirischen Bürgermeisterinnen. Vor dem Hintergrund der Frauengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts wurde auch auf die Grazer Pionierinnengalerie aufmerksam gemacht, die Frauen vor den Vorhang holt, die zur schrittweisen Etablierung von Frauen in zuvor von Männern dominierten Bereichen beigetragen haben.
Rund um den Grazer Dom beschäftigten sich die Teilnehmer:innen mit dem Wirken der Dominikanerinnen (heute befindet sich das ,Akademische Gymnasium‘ im ehemaligen Kloster) sowie mit den, hauptsächlich von Frauen geprägten, Erwachsenenbildungseinrichtungen des Bildungsforums Mariatrost und des Katholischen Bildungswerks, in der Bürgergasse 2 gelegen.
Den Abschluss bildeten am Franziskanerplatz spezifische Hinweise zur notwendigen Weiterentwicklung politischer Teilhabe von Frauen wie auch, über die Stadt Graz hinausgehend, zum tatkräftigen Engagement für geflüchtete Frauen, Männern und Kinder, beispielsweise durch die Initiative ,We4Moria‘.
KLIMA-SCHATTEN ÜBER DEM KRISEN-"WETTER"
Literaturgespräch Karloff/Traussnig
"Am Ende wird alles schwarz sein und leer, und die Sterne schwarze Klumpen im Meer.“ (Tanja Raich im Roman ‚Schwerer als das Licht‘)
",Manche Sachen liegen einfach in der Luft und fliegen herum‘, sagt sie, und ich denke an Blätter, etwas, was fällt und sich unbemerkt ansammelt.“ (Jenny Offill im Roman ,Wetter‘)
Kathrin Karloff, Leiterin des Bildungsforums Mariatrost & Amerikanistin, sowie KULTUM-Diskurskurator Florian Traussnig lasen am 17.01.2023 im dritten Teil der sich an den Gegenwartskrisen abarbeitenden KULTUM-Populärkulturreihe SEISMOGRAPHICS aus zwei sehr verschiedenen Büchern und erörterten Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Inhalt und Sprache.
Schilderte der von Karloff ausgesuchte Roman Tanja Raichs ,Schwerer als das Licht‘ (2022) die „brachiale Verzweiflung einer namenlosen Frau, die wie eine Schiffbrüchige vom Meer auf eine einsame Insel ausgespuckt wird“ (Der Standard) und sich in einer ebenso schönen wie düsteren und absterbenden Naturkulisse wiederfindet, so zeigte das von Traussnig gewählte Buch, der „emotionale, planetarische und sehr emotionale“ – sowie humorvolle – Roman (The New York Times) ,Weather‘ von Jenny Offill (2020), wie eine New Yorker Bibliothekarin ihren Alltag vor dem Hintergrund des drohenden Weltendes und der zunehmenden „climate anxiety“ bestreitet:
Zwei Romane, die ökologische Sensibilität in sich tragen und sich unserem tagespolitischen Krisencrescendo dennoch weitgehend entziehen. Nicht dem lauten Nachdenken über die Atmosphäre unserer Zeit entzogen hat sich das Publikum, das sich engagiert ins offene Zwiegespräch des Duos einbrachte.
Fazit des Abends: Poetisches Nachdenken über die mögliche Apokalypse, die Kraft menschlichen Überlebenswillens, die Bedeutung des Schreibens und lakonische Selbstironie zahlen sich aller Klimaangst zum Trotz aus! Wir freuen uns auf weitere Kamin-Literaturgespräche zwischen Karloff/Traussnigg.
Eine Veranstaltung der KULTUM-Reihe SEISMOGRAPHICS in Kooperation mit dem Bildungsforum Mariatrost
Krisen und Auswege – Buchpräsentation von Andreas Gjecaj, Vortrag von Josef Riegler und Gespräch mit Karl Steininger
Andreas Gjecaj, ehrenamtlicher Präsident der Katholischen Aktion, präsentierte am 16. Oktober, im Rahmen einer Kooperationsveranstaltung des Bildungsforums Mariatrost und der Katholischen Aktion Steiermark (gefördert aus Mitteln der ÖGPB), die von ihm persönlich, Josef Riegler, Manfred Prisching u.a. heuer herausgegebene umfassende Essaysammlung ‚Krisen und Auswege‘, die auf der spürbaren Zuversicht basiert, dass es Mittel und Wege gibt, auf die aktuelle Polykrise zu reagieren. „Die Zeit drängt und wir brauchen so rasch wie möglich akzeptable Lösungen, die für alle Menschen Verbesserungen bringen“, betonte Gjecaj als Motivation der Autoren, verschiedenste miteinander verzahnte Auswege zu bündeln mit dem Ziel, „eine Bewegung der Verbundenheit“ zu erreichen. Ausgehend von einem „Soziallehre-Fahrplan“ sei es wesentlich, durch Dialog- und Kompromissfähigkeit sowie Respekt dem/der Anderen gegenüber einen konstruktiven Beitrag zum Gesprächsklima unserer Zeit zu leisten. Darüber hinaus müssten sich Wege aus der Krise deutlich entfernen von unserer bisherigen Art zu leben und zu wirtschaften.
Josef Riegler, ehem. Vizekanzler und aktuell österreichischer Koordinator der ,Global Marshall Plan Initiative‘, präsentierte im Folgenden sein bereits 1986 entwickeltes ,Modell der Ökosozialen Marktwirtschaft‘ als zielführenden Weg, eine humane und lebensraumschonende Zivilisation zu schaffen. Als notwendiges „Kunststück politischer Balance“ ziele Ökosoziale Marktwirtschaft auf soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit ab und sei dementsprechend „eine Überlebensstrategie“. Jedoch sei, so Riegler, nur durch einen tiefgreifenden Bewusstseinswandel eine gedeihliche Zukunft gestaltbar.
Im anschließenden gehaltvollen Podiumsgespräch mit Kathrin Karloff, Leiterin des Bildungsforums Mariatrost, und den zahlreichen hochinteressierten Gästen erläuterten die beiden Referenten gemeinsam mit Wirtschaftswissenschaftler Karl Steininger, Direktor des Wegener Centers an der Universität Graz, welche globalen Mechanismen es jetzt konkret braucht, um diesen Bewusstseinswandel zu erreichen. Nicht zuletzt sei – und darin waren sich alle drei Referenten einig – der solidarische Einsatz jedes/r Einzelnen, die „private Mission im humanistischen Sinne“, wesentlich.