Tradition und Transformation
Anmerkungen zur Geschichte der „Katholischen Aktion“ in der Steiermark
Vorgeschichte
In der Steiermark wurden seit Mitte des 19. Jahrhunderts katholische Vereine als Bollwerk gegen Liberalismus und Moderne in Stellung gebracht. Dieses Bollwerk sollte die innere Geschlossenheit der traditionellen katholischen Lebenswelt und zugleich ihre Abgrenzung nach außen gewährleisten. Dass dieser Antimodernismus ambivalent war, zeigte sich daran, dass man ihn mit genuin modernen Mitteln wie Vereinen, Parteien und Zeitungen praktizierte. Auf diese Weise wurden auch innerhalb des Katholizismus demokratisches Verhalten und politische Meinungsbildung eingeübt sowie einer „stillen Emanzipation der Laien in der katholischen Kirche“ (Urs Altermatt) Vorschub geleistet. Andererseits war der größte Teil der katholischen Organisationen klerikal dominiert. Die Geistlichen blieben bis zur Zerschlagung der Vereinsstrukturen im Jahr 1938 die eigentlichen „Milieumanager“.
Erste Republik
Als im Jahr 1928 die „Katholische Aktion“ in der Seckauer Diözese eingeführt wurde, bedeutete dies eigentlich nur einen Etikettenwechsel und veränderte am Vereinsleben und -alltag in den Pfarren zunächst – wenn überhaupt – nur wenig. Das gewachsene, über mehrere Generationen tradierte Selbstbewusstsein und Eigenleben der katholischen Vereine, das nun immer öfter als „Vereinsegoismus“ apostrophiert wurde, ließ sich nicht durch Verordnungen vom grünen Tisch aus auf eine neue, gemeinsame Linie verpflichten. So blieb diese erste „Katholische Aktion“ „eigentlich nur eine Apparatur und bestand aus Ausschüssen, die nichts hinter sich hatten“ (Ferdinand Klostermann).
1933/34 bis 1938
Mit der Neustrukturierung der „Katholischen Aktion“ im „Ständestaat“ geriet diese endgültig in Frontstellung zum katholischen Vereinswesen. Hier hat der bis heute gegenüber der KA immer wieder vorgebrachte Angriff seinen Ursprung, wonach sich der demokratische, aus der Eigeninitiative von Laien entstandene Vereinskatholizismus der streng hierarchisch, von oben nach unten durchorganisierten KA unterwerfen bzw. eingliedern musste. Abgesehen von der Tatsache, dass dieser Vorwurf häufig ahistorisch ins Feld geführt wird, missachtet er den oben skizzierten „dialektischen Charakter“ des Vereinskatholizismus (Stichwort: „klerikale Dominanz“) und legt die „Katholische Aktion“ auf eine ebenso starre wie wandlungsresistente Organisationsstruktur fest. Grundsätzlich zielte das 1933 von Wien ausgehende Konzept der „Katholischen Aktion“ auf eine weitgehende Entflechtung des religiösen und politischen Engagements katholischer Organisationen ab.
NS-Zeit
Während mit dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 der Strang des autoritär aufgeladenen, politischen Katholizismus irreversibel durchtrennt wurde, blieb der Entwicklungsstrang der pastoral orientierten „Katholischen Aktion“ bestehen und vermochte sich unter dem äußeren Druck der kirchenfeindlichen NS-Herrschaft sogar weiter zu profilieren.
Neuaufbau
War „Katholische Aktion“ 1945 zunächst im Wesentlichen als ein Strukturprinzip der Seelsorge verstanden worden, das auf eine Aktivierung des Pfarrlebens ohne Wiederherstellung der traditionellen Vereine abzielte, so sollte sich einige Jahre später unter dieser Bezeichnung auch eine geschlossene Front der Katholikinnen und Katholiken formieren, um als Massenorganisation den kirchlichen Forderungen in der Öffentlichkeit den nötigen Nachdruck zu verleihen. Durch den Verzicht auf die Restauration des parteipolitischen Katholizismus war im gesellschaftlichen Vorfeld der Kirche ein Vakuum entstanden. Das für diese Massenorganisation gewählte Bild der „acies bene ordinata“, der „wohlgeordneten Schlachtreihe“, war durch päpstliche Verlautbarungen autorisiert und hatte programmatische Bedeutung. Die Leitidee des Apostolats verlieh dieser „Katholischen Aktion“ den Charakter einer missionarischen Bewegung.
Die „langen 1950er-Jahre“
Die – zumindest im Rückblick – „goldenen Jahre“ des steirischen Laienapostolats zwischen Katholikentag 1950 und Konzil lassen sich als „Sattelzeit des Umbruchs“ (Karl Gabriel) beschreiben. Das im inflationären Gebrauch des Begriffs „Apostolat“ mitschwingende und häufig demonstrativ zur Schau gestellte Sendungsbewusstsein in allen möglichen Beziehungen zwischen Kirche und Welt kaschierte, dass es sich in vielen Fällen um die bloße Fortsetzung von Rückzugsgefechten handelte, mit denen das Schwinden katholischen Einflusses auf Dauer nicht verhindert werden konnte. Der Milieukatholizismus, dessen Restauration nach 1945 zunächst eindrucksvoll gelungen war, bröckelte – auch im Bewusstsein der Bevölkerung – Stück für Stück ab.
Nach dem Konzil
Die „Katholische Aktion“ war zugleich Motor und Objekt des konziliaren Erneuerungsprozesses. Es spricht für die Flexibilität und Aufgeschlossenheit dieser großen Laienorganisation, dass es ihr nicht nur gelang, sich von jenem Milieukatholizismus zu verabschieden, dem sie ihre Entstehung verdankte, sondern dass sie auch die nötigen Kräfte für eine Neuorientierung aufbrachte. Sie warf das obsolet gewordene Selbstverständnis der zum Kampf für die katholische Sache geeinten Schlachtreihe zum alten Eisen und fand mit der Vorstellung der wirksamen Präsenz von Katholikinnen und Katholiken inmitten der Welt eine neue, der konziliaren Theologie entsprechende Leitidee, die fortan vor allem ihr Engagement auf gesellschaftspolitischem Gebiet bestimmte.
Ende des Monopols
Eine große Herausforderung für die „Katholische Aktion“ in den Nachkonzilsjahren stellte die Einführung der Pfarrgemeinderäte dar. Obwohl sich schnell abzeichnete, dass durch diese neuen Gremien die KA-Struktur in den Pfarren massiv in Frage gestellt werden würde, leistete die „Katholische Aktion“ für die Einführung der Pfarrgemeinderäte entscheidende Vorarbeit und Unterstützung. Und auch auf einem anderen Feld fiel das Monopol: Die Unterscheidung zwischen „offiziellem“ und „freiem“ Laienapostolat verlor zusehends an Bedeutung. Hatte Bischof Schoiswohl zu Beginn der 1960er-Jahre die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft katholischer Verbände in der Steiermark noch abgelehnt, so konnte sich im Sommer 1970 eine ganze Reihe von katholischen Organisationen und Apostolatsgruppen neben der KA als „Diözesankomitee der Katholischen Organisationen Steiermarks“ (DKO) konstituieren. Es entwickelte sich ein offenes Neben- und Miteinander verschiedener Vereinigungen und Bewegungen, wenngleich die „Katholische Aktion“ in diesem Konzert tonangebend blieb.
Auf dem Weg in die Gegenwart
In den 1970er-Jahren widmete sich die KA in ihrer Tätigkeit vielen der damals kontrovers diskutierten Themen: Gesellschafts- und Kirchenreform unter dem Eindruck der Studentenbewegung; Strafrechtsreform, „aktion leben“ und Volksbegehren gegen die Fristenlösung; Umweltproblematik und Nutzung der Atomenergie; Friedensbewegung; Frauenemanzipation. Daneben wurde Pionierarbeit auf weniger beachteten Gebieten geleistet, deren Wichtigkeit aber bald allgemein anerkannt wurde: menschenwürdiges Sterben; alternativer Lebensstil („Christen leben anders“); Integration behinderter Menschen; Beratung für Alleinerziehende; Familienberatung bzw. -therapie. Im Verlauf der 80er-Jahre schob sich dann immer stärker das Thema Arbeit und Freizeit in den Vordergrund. Dieser programmatische Perspektivenwechsel war von einem Strukturwandel begleitet, in dessen Verlauf sich die KA sukzessive von einer mitgliederorientierten Massenbewegung zu einer themen- und projektorientierten Einrichtung veränderte. Die „Katholische Aktion“ insgesamt und ihre Teilorganisationen initiieren und tragen bis heute im gesellschaftspolitischen Bereich wichtige Aktivitäten. Überdies hat sich die KA auch in der Durchführung diözesaner Großereignisse sowie als Vertreterin christlicher Standpunkte in der öffentlichen Diskussion bleibende Verdienste erworben.
Matthias Opis: Steirischer Katholizismus in moderner Gesellschaft. Tradition, Erosion, Transformation, in: Alfred Ableitinger / Dieter A. Binder (Hg.): Steiermark. Die Überwindung der Peripherie (= Geschichte der österreichischen Bundesländer seit 1945. Hg. v. Herbert Dachs / Ernst Hanisch / Robert Kriechbaumer), Wien – Köln – Weimar 2002, 409–475